2. März 2017 – GUIDO

08.00 Uhr Ich werde durch lautes Telefonschellen geweckt. Als ich den Hörer von der Basisstation nehme, begrüsst mich Elsbeth überschwänglich und erkundigt sich, ob ich bereits zu Mittag gegessen habe. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und erinnere, dass es in Florida just im Moment acht Uhr schlägt. Meine Schwester kommt aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und meint, dass sie die Zeitverschiebung ganz vergessen hat. Zudem erfahre ich, dass ihr verlotterter Sohn im Mai nach Amerika kommen wird und mich treffen möchte. Natürlich mache ich grosse Augen und entgegne, dass mir der Heini gestohlen bleiben kann.
08.30 Uhr Obgleich mir Elsbeth weissmachen möchte, dass Guido mittlerweile geläutert ist, lasse ich nicht mit mir reden und beende das Gespräch. Im Anschluss eile ich verärgert in die Nasszelle, um bei einem erfrischenden Wirbelbad die Seele baumeln zu lassen. Unterdessen berichte ich Hund Dixon, dass Guido vom November 2002 bis zum Januar 2003 in meiner bayerischen Villa gelebt und mir das Leben zur Hölle gemacht hat. Darüber hinaus erwähne ich auch, dass mich Guido zweimal ausgeraubt und sogar entführt hat – wie schrecklich.


Hund Dixon hört aufmerksam zu

09.30 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag normalisiert hat, steige ich aus der Wanne und schlüpfe in legere Freizeitkleidung. Zudem statte ich Frau Pontecorvo einen Besuch ab und lasse sie wissen, dass mir der Gusto nach einem reichhaltigen Frühstück steht. Während sich die Perle in der Küche nützlich macht, komme ich auf den Anruf meiner Schwester zu sprechen und erzähle, dass mich mein krimineller Neffe besuchen möchte. Meine Nachbarin wird sogleich hellhörig und bittet mich, weitere Einzelheiten preis zu geben. Ich nippe nachdenklich am Sektglas und stelle klar, dass Guido am 31. Dezember 2002 eine ausufernde Silvesterfeier veranstaltet und mein Zuhause in ein Schlachtfeld verwandelt hat. Ausserdem verrate ich, dass der Ganove zwei Monate später erneut im Waldweg vorstellig wurde und mich ermorden wollte. Frau Pontecorvo schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und meint, dass es wohl schlauer wäre, Scherriff Bradfort zu informieren – das ist gar keine schlechte Idee.
10.30 Uhr Während wir die wichtigste Mahlzeit des Tages einnehmen, verweise ich erneut auf Guido und merke an, dass der böse Bube schon immer eine kriminelle Ader hatte und sogar vom FBI wegen Scheck- und Versicherungsbetrugs gesucht wurde. Ich poche mit der Faust auf den Esstisch und unterbreite, dass der Angeber schlussendlich im Jahre 2006 verhaftet und zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Meine Tischnachbarin seufzt in einer Tour und meint, dass man diesen Schwerverbrecher lebenslang hinter schwedische Gardinen stecken sollte – dem ist nichts hinzuzufügen.


Mein Zuhause unter Palmen

11.30 Uhr Weil Dixon langsam unruhig wird, greife ich zur Hundeleine und breche zu einem Spaziergang auf. Während der Vierbeiner neugierig schnüffelt, telefoniere ich mit Edelbert und lasse den schlauen Mann an meinen Problemen teilhaben. Prof. Kuhn schimpft wie ein Rohrspatz und schlägt vor, dass ich die kleine Villa mit einer Alarmanlage ausstatten könnte. Ich schlage in die gleiche Kerbe und kündige an, dass ich mir auf alle Fälle eine Schrotflinte zulegen werde – alles kann man sich schliesslich auch nicht bieten lassen.
12.15 Uhr Nach einem Abstecher zum “La Playa” Golfplatz, stosse ich die Haustüre auf. Völlig verschwitzt schleppe ich mich in die Küche und mache es mir zur Aufgabe, Dixons Napf mit Wasser aufzufüllen. Zudem schnappe ich mir ein Bier aus dem Eiskasten und ziehe es vor, zwei reichbelegte Sandwiches (löblich: Wurstbrote) auf einem Teller anzurichten. Danach lasse ich mich auf dem Kanapee nieder und beisse kraftvoll zu – das schmeckt.


Ich beisse kraftvoll zu

13.00 Uhr Da ich nicht mehr der Jüngste bin, stelle ich das schmutzige Geschirr achtlos in die Spüle und bette mich auf dem Sofa zur Ruhe. Nach wenigen Sekunden döse ich ein und träume von meinem frechen Neffen Guido.
14.00 Uhr Ich rapple mich gähnend auf und nutze den Nachmittag, um den Terrassenboden zu fegen. Ausserdem wische ich die Tischplatte ab und vergesse auch nicht, die Sitzgelegenheiten zurecht zu rücken.
14.45 Uhr Nach getaner Arbeit kehre ich ins Haus zurück und gönne mir eine weitere Hopfenkaltschale. Im Anschluss bitte ich die Lautsprechersäule ALEXA, mich mit stimmungsvoller Musik zu beschallen. Das Wunderwerk aus dem Hause AMAZON gehorcht mir aufs Wort und verwöhnt mit prima Carpenters Klängen. Ich reibe mir die Hände und nehme am Schreibtisch Platz, um Anfragen besorgter Heimseitenbesucher abzurufen
15.45 Uhr Kurz vor dem Vieruhrläuten beende ich die die Anschnursitzung und schaue nach Dixon. Ich treffe den Rüden mit Nachbarshund Joey am Teich an und nehme mir das Recht heraus, den Haustieren einen Tennisball zuzuwerfen. Nebenher tratsche ich mit Herrn Booth und bringe in Erfahrung, dass der hochdekorierte Kriegsteilnehmer am Wochenende befreundete Veteranen in Fort Myers besuchen wird – wie schön.


Mein wertvoller Chronograph

16.30 Uhr Als der Stundenzeiger meiner ROLEX auf halb 5 zugeht, schlendere ich in die Küche und brate ein vitaminreiches Schnitzel im heissen Fett an. Dazu gibt es einen gesunden Beilagensalat sowie im Ofen aufgebackene Kartoffelspalten – wie gut das duftet.
17.30 Uhr Zum Abschluss des langen Tages erledige ich die Hausarbeit und mache es mir in der Wohnstube bequem. Während die Nachrichten laufen, tippe ich Georgs Telefonnummer ins Tastenfeld der Schwarzbeere (löblich: Blackberry) ein. Als sich mein grippekranker Bruder nach dem zweiten Tuten endlich meldet, erzähle ich brühwarm, dass Guido schon bald nach Amerika ausfliegen und mich womöglich treffen wird. Georg lässt kein gutes Haar am schwarzen Schaf der Familie und ermutigt mich, dem Gammler eine Tracht Prügel zu verpassen.

19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit gebe ich mich auf AMC dem preisgekrönten Kriminaldrama “Imperium” hin. Die abendfüllende Produktion handelt von einem FBI Agenten, der in die amerikanische Nazi-Szene eingeschleust und mit der Aufgabe betraut wird, einen verheerenden Terroranschlag zu verhindern – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Nach zwei nervenaufreibenden Stunden beende ich den Fernsehabend und rufe Dixon ins Haus. Zu guter Letzt verschliesse ich die Türen sicher und lege mich schlafen. Gute Nacht.