17. August 2016 – Ein Präsent für Frau Pontecorvo

pfaffenbergkl

08.00 Uhr Ich werde durch wunderschöne Musik geweckt und lerne, dass der aus Texas stammende Ausnahmekünstler Don Williams vor wenigen Tagen ein neues Studiowerk veröffentlicht hat. Ich staune nicht schlecht und schalte sogleich den Heimrechner ein, um mir sämtliche Lieder auf Amazon herunterzuladen.


Don Williams – One Good Well

08.30 Uhr Während der 77jährige eine verflossene Liebe besingt, absolviere ich die Morgengymnastik und erinnere mich, dass Frau Pontecorvo in zwei Tagen ihren Geburtstag feiern wird – das hat gerade noch gefehlt.
09.00 Uhr Nach den Freiübungen stecke ich Hund Dixon einen Kauknochen ins Maul und ziehe mich ins Bad zurück. Wie es sich gehört, entspanne ich mich bei einem Wirbelbad und telefoniere nebenher mit Edelbert. Natürlich komme ich auch auf das Wiegenfest meiner Nachbarin zu sprechen und stelle klar, dass ich gezwungen bin, der kleinen Frau ein Präsent zu überreichen. Der Professor schlägt in die gleiche Kerbe und meint, dass es angebracht wäre, der Dame einen Blumenstrauss zu schenken.
10.00 Uhr Nachdenklich beende ich die Morgenwäsche und mache es mir zur Aufgabe, echten Bohnenkaffee aufzubrühen und Rühreier vorzubereiten. Danach setze ich mich an den Küchentisch und beisse kraftvoll zu.
10.30 Uhr Just als ich mir etwas Kaffee nachschenke, stürmt der Vierbeiner ins Haus und wirft mir eine tote Maus vor die Füsse. Ich erhebe mahnend den Zeigefinger und erkläre dem Rüden in einem scharfen Ton, dass er keine Manieren kennt. Ruckzuck packe ich das tote Tier am Schwanz und schleudere es im hohen Bogen in den angrenzenden Teich. Anschliessend wasche ich mir die Hände und lasse Dixon wissen, dass wir nun in die Stadt krusen werden, um ein preiswertes Geschenk für Frau Pontecorvo auszusuchen.
11.00 Uhr Dreissig Minuten später komme ich mit quietschenden Bremsen vor dem “Coastland Center” am Tamiami Trail zum Halten. Mit Dixon im Schlepptau schlendere ich durch die Mall (löblich: Einkaufszentrum) und halte nach erschwinglichen Sachen Ausschau. Unter anderem laufe ich in eine gutbesuchte “Buckle” Filiale und erkenne, dass hier ausschliesslich minderwertige Mode für die junge Generation feilgeboten wird. Deswegen mache ich schnell kehrt und steuere das “Calistoga Bakery Cafe” an.

sandwich
Ich beisse kraftvoll zu

11.30 Uhr Seufzend ordere ich ein “Roast Beef Helena Sandwich” (löblich: Geröstetes Rind Helena Brot) sowie ein grosses Glas Diät Cola und nehme mir das Recht heraus, bei Sandra anzurufen. Nach dem zweiten Tuten meldet sich die unterbelichtete Maid und legt mir nahe, dem Geburtstagskind einen betörenden Duft zu schenken. Ich schnippe zufrieden mit den Fingern und bedanke mich für den Ratschlag.
12.00 Uhr Pünktlich zum Zwölfuhrläuten finde ich mich im “Bath & Body Works” (löblich: Bad und Körper Erzeugnisse) Fachgeschäft wieder und nehme die angebotenen Duftwässer in Augenschein. Im Handumdrehen fälle ich eine Entscheidung und ringe mich dazu durch, 18 Scheine in ein Fläschchen “Flower by Kenzo” (löblich: Blumen von Kenzo) zu investieren – da kommt Freude auf.

katzelandmusik
Katze Land – der weltbeste Radiosender

13.00 Uhr Endlich sitze ich wieder im Chevrolet und steuere den PS-strotzenden SUV am “Naples Zoo” vorbei. Um schneller voran zu kommen, fahre ich bald auf die Interstate 75 gen Norden auf. Nebenbei fröne ich dem Radioprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und bringe heraus, dass der amerikanische Volksheld David Crockett just heute seinen 230. Geburtstag feiern würde. Ich beschleunige das Auto auf schwindelerregende 30 Meilen pro Stunde und verrate meinem tierischen Begleiter, dass der gute Mann bei der Schlacht um Alamo sein Leben lassen musste – wie traurig.
13.45 Uhr Zurück in der kleinen Villa, serviere ich Dixon ein köstliches Trockenfuttermahl und schlüpfe dann aus den Sandalen, um mir eine kleine Pause zu gönnen – das tut gut.
14.45 Uhr Ich öffne die Augen und sehe, wie sich eine Riesenspinne von der Zimmerdecke abseilt. Ich springe kreischend vom Kanapee und hole den Staubsauger hervor, um dem Vieh den Gar auszumachen. Darüber hinaus fluche ich wie ein Bauarbeiter und ärgere mich, weil sich meine Zugehfrau noch immer im Urlaub befindet.
15.30 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag normalisiert hat, nehme ich die DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb und packe das Geschenk in farbenfrohes Papier ein. Im Anschluss setze ich mich an den Heimrechner und rufe zu stimmungsvoller Don Williams Musik elektronische Depeschen besorgter Erziehungsberechtigter ab. Natürlich beantworte ich die Fragen sorgsam und rate den Eltern, mit der garstigen Jugend hart ins Gericht zu gehen.
16.30 Uhr Als der Minutenzeiger meiner ROLEX auf halb Fünf zugeht, beende ich die Arbeit und sehe im Garten nach dem Rechten. Bei schweisstreibenden Temperaturen stelle ich den Rasensprenger an und schneide mit einem scharfen Messer die hochgewachsene Petersilie ab. Just in diesem Augenblick kommt Frau Pontecorvo daher und vertellt, dass sie Morgen einen Geburtstagskuchen backen wird. Ich nicke eifrig und gebe zu Protokoll, dass wir ihren Ehrentag zum Anlass nehmen sollten, um das Mittagessen in der Stadt einzunehmen. Meine Nachbarin ist hellauf begeistert und drückt mir ein schmatzendes Bussi auf die Wange – wie unlöblich.

capocollo
Capocollo schmeckt prima

17.15 Uhr Da mein Magen laut knurrt, mache ich mich in der Küche nützlich und richte eine Wurstplatte mit luftgetrockneter Salami, Gewürzgurken und vitaminreichem Capocollo an – wie gut das duftet.
18.00 Uhr Zum Abschluss des nervenaufreibenden Tages lege ich in der klimatisierten Wohnstube die Beine hoch und schaue fern. Ich folge interessiert den FOX Nachrichten und erfahre, dass es in fünf Wochen zur ersten Fernsehdebatte zwischen Hillary Clinton und Donald Trump kommen wird – das ist phantastisch.

19.00 Uhr Zur besten Sendezeit wechsle ich auf den Spartenkanal HULU und lasse beim mehrteiligen Serienspiel “11.22.63” die Seele baumeln. Ich mache grosse Augen und tauche in das Leben des Jake Epping ein, der durch die Zeit reisen kann und den Mord an John F. Kennedy verhindern möchte.
21.00 Uhr Nach der zweiten Episode schalte ich entnervt ab und rufe Dixon ins Haus. Anschliessend lösche ich sämtliche Lichter und lege mich schlafen. Gute Nacht.