08.00 Uhr Ich werde zu früher Stunde durch aggressives Telefonläuten geweckt. Zu allem Überfluss meldet sich Hildegard in der Leitung und erkundigt sich, wann mein Heimaturlaub beginnt. Ich reibe mir den Schlaf aus den Augen und lasse meine Schwester wissen, dass ich am Abend des 7. Mai nach Bayern ausfliegen werde. Meine Verwandte ist begeistert und sagt, dass sie mir Tags darauf einen Besuch abstatten wird. Obgleich ich Einspruch einlege, lässt die Perle nicht mit sich diskutieren und beteuert, dass wir uns in 20 Tagen wiedersehen werden – was muss ich denn noch alles ertragen.
08.45 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik auf der schattigen Terrasse absolviert habe, ziehe ich mich in die Nasszelle zurück. Ich lasse mir ein prima Wirbelbad einlaufen und rufe während des Badevergnügens bei Edelbert an, um ihn von meinem Telefonat in Kenntnis zu setzen. Der Professor kommt aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus und meint, dass es ein grosser Spass werden wird, mit Hildegard über schmerzende Füsse, Krampfadern und andere Frauenleiden zu tratschen – gleich platzt mir der Kragen.
Hund Dixon ist brav
09.45 Uhr Missmutig schwinge ich mich aus der Wanne und erkläre Dixon, dass wir nun das Frühstück einnehmen werden. Der lustige Rüde folgt mir spornstreichs in die Küche und freut sich, als ich ihm eine Scheibe Virginiaschinken abgebe. Nebenher nehme ich meine in die Jahre gekommene Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) in Augenschein und komme zu dem Ergebnis, dass mir dieses Telefon seit mittlerweile 3 Jahren gute Dienste leistet. Trotzdem entschliesse ich mich, den Vormittag auszunutzen, um mich im WAL MART über neue Telefone schlau zu machen – man gönnt sich ja sonst nichts.
Meine Schwarzbeere ist in die Jahre gekommen
10.30 Uhr Nach der wichtigsten Mahlzeit des Tages eile ich mit Hund Dixon im Schlepptau zum frischgewaschenen Chevrolet und schicke mich an, mit quietschenden Pneus vom Grundstück zu brettern. Während im Radio Frau Loretta Lynn ihre Kindheit in der Kleinstadt Butcher Hollow, KY besingt, gleite ich am “Kensington Golf & Country Club” vorbei und spiele mit der Idee, im WAL MART auch nach Geschenken für meine bayerischen Freunde Ausschau zu halten.
11.15 Uhr Am Ziel angekommen, schlendere ich entspannt durch das klimatisierte Geschäft und statten der Elektronikabteilung einen Besuch ab. Ich werfe prüfende Blicke auf die Apfel (unlöblich: Apple) iPhone Geräte und lerne, dass diese Schnurlostelefone nicht unter 800 Dollars zu haben sind. Weil ich keinen Goldesel im Vorgarten stehen habe, wende ich mich vogelzeigend ab und nehme die aktuellen BLACKBERRY Modelle ins Visier. Leider komme ich prompt zu dem Schluss, dass auch die Erzeugnisse des kanadischen Elektronikunternehmens nicht meinen Erwartungen entsprechen. Augenrollend mache ich kehrt und laufe in die Kleiderabteilung, um 5 T-Hemden mit FLORIDA STATE UNIVERSITY Aufdruck zu je 8,49 Dollars zu erwerben – da kommt Freude auf.
Ich beisse kraftvoll zu
12.15 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten bin ich wieder am Auto und ringe mich dazu durch, in die benachbarte “Chili’s Grill & Bar” Wirtschaft einzukehren. Natürlich nehme ich Dixon an die Leine und stelle ihm eine Brotzeit in Aussicht. Um nicht vom Fleisch zu fallen, werde ich an der Essensausgabe vorstellig und ordere einen saftigen Cheeseburger mit Kartoffelstäben und Krautsalat – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
13.00 Uhr Nachdem ich den Waschraum aufgesucht habe, trete ich redlichst gestärkt die Heimreise an und habe während der kurzweiligen Ausfahrt das Vergnügen, das stimmungsvolle Waylon Jennings Lied “Luckenbach Texas” auf der Frequenz von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) zu hören.
13.45 Uhr Zurück in der kleinen Villa, mache ich es mir auf der Terrasse gemütlich und lege die Beine hoch. Bereits nach wenigen Sekunden döse ich ein und träume von meinem anstehenden Urlaub in der alten Heimat.
14.45 Uhr Um die Nachmittagsstunden nicht sinnlos verstreichen zu lassen, nehme ich am Schreibtisch Platz und rufe Depeschen besorgter Erziehungsberechtigter ab. Auch heute schufte ich hart und registriere, dass bei der jungen Generation Hopfen und Malz verloren sind – das ist ja allerhand.
Bald bin ich in Bayern
15.30 Uhr Nachdem ich einem alleinerziehenden Vater geraten habe, seinen frechen Sohn ins Heim zu stecken, gehe ich von der Leine und unternehme mit dem Vierbeiner einen Spaziergang. Unter anderem schlendere ich am Zuhause der ehemaligen Olympiateilnehmerin Frau Crane vorbei und berichte der Dame, dass ich in drei Wochen ausser Landes reisen werde. Die kleine Frau macht grosse Augen und möchte wissen, ob ich Dixon mitnehmen werde. Ich nicke eifrig und entgegne, dass es der Rüde kaum noch erwarten kann, acht Stunden in einer engen Transportbox zuzubringen und über den grossen Teich zu fliegen – das wird eine Gaudi.
16.30 Uhr Wieder zurück in meinem bescheidenen Heim, mache ich mich in der Küche nützlich und bereite vitaminreiche Bratkartoffeln mit Ei zu. Ausserdem versorge ich Dixon mit ROYAL CANIN Trockenfutter und H²O.
18.00 Uhr Endlich beginnt der ruhige Teil des langen Tages. Ich mache es mir weissweinschlürfend vor der Glotze bequem und informiere mich auf FOX über die politischen Geschehnisse in der Welt.
19.00 Uhr Zur Hauptfernsehzeit wechsle ich auf NETFLIX und fröne der Seifensendung “The Ranch” (löblich: Der Bauernhof), die von einem ehemaligen Sportprofi erzählt, der nach 15 langen Jahren auf den heimischen Bauernhof zurückkehrt.
21.00 Uhr Als nach der vierten Episode der Abspann über den Flachbildschirm flimmert, schalte ich das Farbfernsehgerät ab und rufe Dixon ins Haus. Danach lösche ich das Licht und gehe ins Bett. Gute Nacht.