07.45 Uhr Der Wecker klingelt und läutet den letzten Freitag des Heumonats Juli ein. Ich strecke mich ausgiebig und entschliesse mich, heute keinen Finger zu rühren. Stattdessen werde ich mir einen faulen Lenz machen und auf Amazon.com nach hörenswerter Musik suchen – wie aufregend.
08.15 Uhr Nach der Morgengymnastik entspanne ich mich bei einem Wirbelbad. Ich wasche mich ordentlich und rufe bei Prof. Kuhn an, um ihn zum Frühstück einzuladen. Edelbert freut sich und verspricht, gegen halb 10 Uhr vorbeizukommen. Anschliessend kontaktiere ich die Kinder und lasse James wissen, dass ich wegen der grossen Hitze keinen Schritt vor die Türe machen werde. Mein löblicher Neffe lacht frech und mutmasst, dass ich bestimmt Edelbert erwarte und mir einen Rausch ansaufen werde – papperlapapp.
09.15 Uhr Wenig später klingelt es an der Pforte und ich kann den Professor herzlich begrüssen. Wie es sich gehört, führe ich meinen Bekannten in die gute Stube und serviere im Ofen aufgebackene Hörnchen (unlöblich: Croissants) sowie brühfrischen Bohnentrunk. Dazu gibt es vitaminreiche Wurstspezialitäten aus dem PUBLIX Supermarkt und saftige Pfirsiche aus dem Nachbarstaat Georgia.
09.45 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse, deute ich zum Heimrechner und lasse Edelbert wissen, dass mein Autoradio nach neuem Material verlangt. Edelbert überlegt ganz genau und schlägt vor, dass ich mir den neuen Silberling der schwedischen Opernsängerin Barbara Hendricks herunterladen könnte. Ich schüttle seufzend den Kopf und entgegne, dass es prima wäre, alle Lieder des amerikanischen Gesangsduos “Carpenters” zu besitzen.
Richard Nixon mit Karen und Richard Carpenter, 1972
10.30 Uhr Bevor Edelbert antworten kann, nehme ich den Heimrechner in Betrieb und lerne auf Wikipedia, dass die aus New Haven in Connecticut stammenden Geschwister Richard und Karen Carpenter lediglich 14 Studioalben veröffentlicht haben. Ich fackle nicht lange und wähle die Scheiben auf Amazon.com aus. Danach betätige ich den “Add to Cart” (löblich: Zum Einkaufskorb) Knopf und bezahle die Musikstücke mit meiner Meisterkarte – das klappt wieder wie am Schnürchen.
The Carpenters – The Singles 1969 – 1981
11.00 Uhr Nachdem ich die 156 EmPe3 Dateien auf meiner Festplatte gespeichert habe, beschalle die kleine Villa mit “We’ve Only Just Begun” (löblich: Wir haben erst gerade angefangen). Bei dieser Gelegenheit versorge ich Edelbert mit Infos und stelle klar, dass die Carpenters während ihrer Karriere 80 Millionen Alben verkauft haben. Ich erzähle weiter, dass Frau Karen Carpenter Ende der 1970er Jahren an Depressionen und Magersucht litt. Letztendlich starb die erfolgreiche Sängerin am 4. Februar 1983 an einem Herzinfarkt. Edelbert blickt skeptisch drein und unkt, dass die Künstlerin wahrscheinlich am Erfolg zerbrochen ist – wie wahr.
12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit heize ich den Backofen vor und schiebe zwei Fertigpizzas unters Ofenlicht. Ausserdem kredenze ich eiskaltes Budweiser und vergesse auch nicht, Dixons Napf mit Trockenfutter aufzufüllen.
13.00 Uhr Nach dem Essen brechen wir zu einem Spaziergang auf. Mit dem Vierbeiner im Schlepptau schlendern wir durchs Wohngebiet und plaudern über Dies und Das. Unter anderem komme ich auf die “Pelican Larry’s Raw Bar & Grill” Gastwirtschaft zu sprechen und erwähne, dass am Samstag auf der Sonnenterrasse die Combo “Wiggins Park Band” für gute Laune sorgen wird. Edelbert reibt sich die Hände und meint, dass wir uns dieses Spektakel nicht entgehen lassen dürfen – wie schön.
14.00 Uhr Nachdem sich Prof. Kuhn verabschiedet hat, bette ich mich auf dem Wohnzimmerkanapee zur Ruhe und döse schnell ein.
Meine Schwarzbeere
15.00 Uhr Leider wird mein Nickerchen bald durch das Schellen der Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) gestört. Zu allem Überfluss meldet sich Sandra und erinnert, dass sie mir in 8 Tagen einen Besuch abstatten wird. Ich rolle demonstrativ mit den Augen und antworte, dass meine kleine Villa abgebrannt ist und sie deswegen nicht im Lowbank Drive logieren kann. Meine Mieterin lässt nicht locker und fordert mich auf, trotzdem am 3. August pünktlich um 15.30 Uhr am Flughafen zu sein – das kann ja heiter werden.
16.00 Uhr Nachdem ich das Telefonat beendet und den Kaffeebecher aufgefüllt habe, komme ich meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Ich rufe Depeschen besorgter Erziehungsberechtigter ab und sehe mich gezwungen, einer Rentnerin aus Würzburg zu helfen. Frau Apollonia K. (87) schreibt, dass ihr Sohn (50) seit 32 Jahren arbeitslos ist und ihr immer noch auf der Tasche liegt. Ich schlage die Hände über dem Kopf zusammen und rate dazu, den Faulpelz aus der gemeinsamen Wohnung zu werfen – wo kämen wir denn da hin.
17.00 Uhr Nachdem ich weitere elektronische Briefe über den grossen Teich gesendet habe, gehe ich von der Leine und bereite das Abendessen vor. Heute gibt es eine italienische Gemüsesuppe (unlöblich: Minestrone) aus der Dose. Nebenher blättere ich in der Tageszeitung und löse das Kreuzworträtsel auf der letzten Seite.
17.45 Uhr Im Anschluss stelle ich die Geschirrspülmaschine an und animiere Dixon, mir nach draussen zu folgen. Während der Rüde mit Nachbarshund Joey spielt, giesse ich das Petersilienbeet und zupfe Unkraut.
18.30 Uhr Endlich beginnt der wohlverdiente Feierabend. Ich lege im Wohnzimmer die Beine hoch und schaue mir die FOX Nachrichten an. Da ausnahmsweise keine brechenden Neuigkeiten (unlöblich: Breaking News) vorliegen, schalte ich um und fröne auf AMC der spannenden Westernserie “Hell on Wheels” (löblich: Hölle auf Rädern).
19.30 Uhr Zur besten Sendezeit gebe ich mich einem Spielfilm hin und lasse bei der seichten Komödie “Runaway Bride” (auf deutsch: Die Braut, die sich nichts traut) die Seele baumeln. Ich amüsiere mich köstlich und knabbere lustige LAYS Kartoffelchips – das schmeckt.
21.00 Uhr Nach zweistündiger Spitzenunterhaltung schalte ich die Glotze aus und unternehme mit Dixon einen kleinen Rundgang durch den Garten. Danach lösche ich sämtliche Lichter und gehe ins Bett. Gute Nacht.