07.45 Uhr Ich öffne die Augen und bemerke, dass Hund Dixon während der Nacht ins Bett gehüpft ist. Weil ich den Rüden sehr gerne habe, streichle ich ihm über den Kopf und erzähle, dass wir am Abend bei James und Amanda eingeladen sind. Der Vierbeiner freut sich und springt elegant von der Matratze.
08.15 Uhr Nachdem ich die Tageszeitung hereingeholt und den Frühsport absolviert habe, entspanne ich mich bei einem Wirbelbad. Ferner telefoniere ich mit Amanda und höre, dass die jungen Leute gestern gegen 22 Uhr aus Orlando zurückgekommen sind. Die Maid ist begeistert und behauptet, dass das “Walt Disney World Resort” für jeden Floridaurlauber zu empfehlen ist – wie wahr.
09.15 Uhr Kurz nach dem Neunuhrläuten setze ich mich bei angenehmen 76°F (24°C) an den Terrassentisch und lasse mir in Gesellschaft meines Haustieres ein kleines Frühstück munden. Unterdessen mache ich mir meine eigenen Gedanken und entschliesse mich, im Supermarkt abzuschoppen und einen Blumenstrauss für Amanda zu besorgen – immerhin kann man auf einer Feier nicht mit leeren Händen erscheinen.
10.00 Uhr Redlichst gestärkt steige ich in den Chevrolet Suburban ein und presche mit durchdrehenden Pneus von der Einfahrt. Obgleich ich stets vorsichtig fahre, übersehe ich einen von Emily achtlos auf dem Bürgersteig abgestellten Plastikroller. Ich seufze laut und lasse Dixon wissen, dass dem Nachbarskind nicht mehr zu helfen ist.
Löbliche Menschen schoppen bei PUBLIX
10.30 Uhr Während das Haustier bei laufendem Motor im Auto wartet, schiebe ich einen klapprigen Einkaufswagen durch die breiten Gänge des PUBLIX und lade A1 Grillsauce, Salatkopf, Dose Baked Beans (löblich: Gebackene Bohnen) sowie weitere Produkte des täglichen Bedarfs ein. Ausserdem sehe ich mich im angeschlossenen Blumenladen um und investiere 18 Dollars in einen Strauss Zwergrosen.
Gebackene Bohnen aus dem Hause HEINZ
11.30 Uhr Nach einer geschlagenen Stunde werde ich an der Kasse vorstellig und sehe mich gezwungen, knapp 90 Dollars zu bezahlen. Ich krame meine Geldbörse aus der Hosentasche und überreiche der übergewichtigen Kassenkraft meine praktische Meisterkarte – was muss ich denn noch alles ertragen.
12.15 Uhr Als nächstes steuere ich den PS-strotzenden SUV zu “Bob’s Liquor Store” und nehme mir das Recht heraus, eine Kiste Löwenbräu Vollbier sowie zwei Flaschen Veuve Clicquot Schaumwein zu erwerben. Der Ladeninhaber präsentiert ebenfalls eine gesalzene Rechnung und bittet mich, 110 grüne Scheine herauszurücken.
13.00 Uhr Endlich bin ich wieder zu Hause und kann den Eiskasten mit gesunden Lebensmittel auffüllen. Danach belege ich zwei Scheiben Weissbrot mit vitaminreichem Capocollo und beisse kraftvoll zu – das schmeckt.
13.45 Uhr Weil ich mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten kann, falle ich gähnend aufs Kanapee und entspanne mich redlichst. Schon nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume von meiner unterbelichteten Mieterin Sandra, die mir in 10 Tagen einen Besuch abstatten wird – das wird die reinste Hölle.
14.45 Uhr Wenig später werde ich durch lautes Telefonschellen aus dem schrecklichen Alptraum befreit. Ich melde mich mit zitternder Stimme und werde von James begrüsst. Der Bube kommt auf die anstehende Grillfeier zu sprechen und sagt, dass er mich pünktlich um halb Sechs Uhr erwartet – das soll mir Recht sein.
15.15 Uhr Um die Nachmittagsstunden sinnvoll zu gestalten, nehme ich den Heimrechner in Betrieb und arbeite Hilferufe besorgter Heimseitenbesucher ab. Unter anderem werde ich auf die Depesche eines 37jährigen Vaters aufmerksam, dessen verlotterter Sohn sich strikt weigert, zum Frisör zu gehen. Ich lege meine Stirn in Falten und rate dem Münchner, selbst zur Schere zu greifen und dem Gammler die Zotteln abzuschneiden.
16.00 Uhr Nachdem ich die neuen Einträge im Gästebuch überflogen habe, gehe ich von der Leine und dusche mich kalt ab. Darüber hinaus wasche ich mir die Haare und rasiere mir die Bartstoppeln ab – Ordnung muss einfach sein.
16.45 Uhr Just als ich einen weissen Sommeranzug aus dem Kleiderschrank hole, stapft Dixon mit verschmutzen Pfoten durchs Wohnzimmer. Ich rolle mit den Augen und mache es mir zur Aufgabe, den Holzboden zu wischen. Anschliessend scheuche ich den Hund zum Auto und rase ohne Umwege zu den Kindern.
17.30 Uhr Am Ziel angekommen, schüttle ich James Hand und erfahre, dass er vor wenigen Minuten köstliche T Bone Steaks (löblich: T Knochen Schnitzel) auf den Grillrost gelegt hat. Da ich bekanntlich ein begnadeter Koch bin, eile ich mit schnellen Schritten in den Garten und wünsche David sowie Amanda einen schönen Abend. Im Anschluss träufle ich etwas Hopfensaft über die Köstlichkeiten und registriere, dass wir zu den Steaks Nudelsalat und würzige Kartoffelspalten essen werden – schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
Eine kühle Hopfenkaltschale
18.30 Uhr Als Amanda die Teller auffüllt, bringt mein Grossneffe die Ausfahrt nach Orlando zur Sprache und erläutert, dass er im “Walt Disney Resort” nicht nur Micky Maus, sondern auch Onkel Dagobert gesehen hat. Ich freue mich und entgegne, dass Dagobert Duck über ein stattliches Vermögen verfügt und täglich in Gold badet. David macht grosse Augen und sagt, dass er irgendwann auch eine Million Taler besitzen wird – jaja.
19.15 Uhr Nach dem zweiten Nachschlag fährt Amanda köstlichen Schokoladenpudding auf. Ich öffne meinen Hosenknopf und gebe zu Protokoll, dass ich bald platzen werde.
20.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, nach Hause zu fahren. Ich bedanke mich artig für die Einladung und sichere zu, mich am Wochenende zu revanchieren. James begleitet mich zur Türe und sagt, dass er Morgen Herrn Wang in dessen Motel besuchen wird. Ich werde sogleich hellhörig und erwidere, dass ich mitkommen werde.
20.45 Uhr Zurück in der kleinen Villa, schlüpfe ich aus dem Anzug und ziehe es vor, augenblicklich ins Bett zu gehen. Dixon folgt meinem Beispiel und rollt sich in seinem Bastkorb ein. Gute Nacht.