22. Juli 2013 – Am Golf entlang …

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07.45 Uhr Während die Strand Jungs (unlöblich: Beach Boys) im Radio ihren Weltschlag “Surfin’ USA” pörformen, hüpfe ich aus dem Bett. Wie es sich gehört, ziehe ich mich ins Badezimmer zurück, um mich bei einem erfrischenden Wirbelbad zu entspannen – Sauberkeit und Hygiene sind gerade in der heutigen Zeit sehr wichtig.
08.15 Uhr Nebenher tippe ich Amandas Handtelefonnummer in die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und lerne, dass sie Kinder in Kürze nach Orlando fahren werden. Weil die Maid kurzangebunden ist, spreche ich mit meinem löblichen Neffen und höre, dass die jungen Leute über Nacht bleiben werden. James redet ohne Unterlass auf mich ein und bestätigt, dass es David kaum noch erwarten kann, sich im “Walt Disney World Resort” zu vergnügen.

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WALT DISNEY WORLD in Orlando, FL

09.15 Uhr Laut seufzend beende ich das Badevergnügen und ärgere mich, von den Kindern nicht eingeladen worden zu sein. Obgleich ich nicht mehr der Jüngste bin, hätte mir ein Ausflug ebenfalls grossen Spass bereitet.
09.45 Uhr Just als ich das Kaffeehaferl auffülle, pocht der kleine Francis an die Terrassentüre und setzt mich darüber in Kenntnis, dass sein Tennisball auf meinem Hausdach gelandet ist. Ich mustere den Zwölfjährigen skeptisch und entgegne, dass ich nicht der Depp vom Dienst bin. Bevor der Nachbarsbube antworten kann, schubse ich ihn zur Seite und hole die Leiter aus der Garage. Danach steige ich aufs Dach und händige Francis die gelbe Filzkugel aus – was muss ich denn noch alles ertragen.
10.30 Uhr Nachdem endlich Ruhe und Frieden eingekehrt sind, verzehre ich die wichtigste Mahlzeit des Tages. Ausserdem werfe ich prüfende Blicke in die “Naples Daily News” (löblich: Naples tägliche Neuigkeiten) und finde im Lokalteil einen aufschlussreichen Artikel über die Bull Riding Veranstaltung, die ich am Wochenende besucht habe. Ich überfliege den Bericht mit grosser Freude und erfahre, dass der Sieger nicht nur mit einem goldenen Pokal, sondern auch mit 15.000 Dollars belohnt wurde – wie aufregend.
11.15 Uhr Weil die Nachbarskinder unentwegt lärmen, entschliesse ich mich, Hund Dixon zum Auto zu scheuchen und durch die Stadt zu krusen. Unterdessen lausche ich der wunderschönen Clint Black Kompaktscheibe “Put Yourself In My Shoes” (löblich: Setze dich in meine Schuhe) – das macht Spass.

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Clint Black – Put Yourself in My Shoes

12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit tut sich der Golf von Mexiko vor mir auf. Ich drossle die Geschwindigkeit und lasse den Vierbeiner wissen, dass der tiefste Punkt dieser Bucht auf 5.800 Meter unter dem Meeresspiegel liegt. Darüber hinaus verweise ich auf die in diesen Gefilden heimischen Meeresschildkröten und erzähle, dass es entlang der Golfküste unzählige Schutzgebiete gibt, in denen die Kiefermäuler ihre Eier ablegen können.
12.30 Uhr Nach weiteren 5 Meilen parke ich das KFZ vor dem “Club of Barefoot Beach” Hotelkomplex und gönne mir an der Strandbar eine eisgekühlte Dr. Pepper Brause sowie ein “Diablo Sandwich”. Um auch meinem Begleiter etwas Gutes zu tun, halte ich Wirt an, eine Schale Wasser zu kredenzen. Ferner schaue ich auf das azurblaue Wasser und erinnere mich, dass meine Mieterin in 12 Tagen im Rentnerparadies ankommen und meine Gastfreundschaft in Anspruch nehmen wird – das kann ja heiter werden.
13.15 Uhr Zu guter Letzt bestelle ich einen grossen Eisbecher mit Sahne und nehme mir das Recht heraus, bei Edelbert anzurufen. Mein Bekannter gibt sich wortkarg und behauptet, dass er bei Familie Satesh zum Kaffeekränzchen eingeladen ist – das ist wieder typisch.
14.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, nach Hause zu fahren. Ich steuere den PS-strotzenden SUV zufrieden nach Süden und erfreue mich weiter an stimmungsvollen Clint Black Kompositionen.
14.45 Uhr Zurück in meinem bescheidenden Heim, schlüpfe ich aus den Kuhjungenstiefel und bette mich auf dem Kanapee zur Ruhe – das tut gut.
15.45 Uhr Nach der wohlverdienten Pause nehme ich am Schreibtisch Platz und komme meinen Pflichten als Anschnurseelsorger nach. Als ich Depeschen besorgter Heimseitenbesucher lese, trudelt eine Mitteilung auf der Schwarzbeere ein. Ich lese die Zeilen ganz genau und bringe heraus, dass die Kinder wohlbehalten in Orlando angekommen sind – wie beruhigend.

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Meine Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry)

16.30 Uhr Nachdem ich einer verzweifelten Mutter aus Lörrach geraten habe, ihrer Tochter Patricia den Gang zum Tätowierstudio zu untersagen, nehme ich die neuen Einträge im Gästebuch in Augenschein. Auch heute ernte ich von allen Seiten Lob und werde von Herrn Ernst E. (84) aus München gebeten, Amerika Lebewohl zu sagen und nach München zurückzukehren. Ich lacht laut und bin mir sicher, dass ich meinen Lebensmittelpunkt unter keinen Umständen nach Deutschland verlegen werden.
17.15 Uhr Kurz nach dem Fünfuhrläuten laufe ich in die Küche und koche Nudelwasser auf. Dixon weicht mir nicht von der Seite und fordert mich auf, seinen Napf ebenfalls aufzufüllen – das ist doch eine Selbstverständlichkeit.
18.00 Uhr Nach dem Abendessen mache ich es mir in der klimatisierten Wohnstube bequem und fröne den FOX NEWS (löblich: Fuchs Nachrichten). Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und vernehme, dass just heute vor 79 Jahren der berüchtigte Bankräuber John Dillinger in Chicago, IL erschossen wurde. Wie jedes Kind weiss, wurde Herr Dillinger jahrelang vom FBI gesucht und sogar als “Staatsfeind Nummer 1” bezeichnet.

19.00 Uhr Zur besten Sendezeit gebe ich mich einem Kriegsfilm hin und erfreue mich an der Hollywoodproduktion “Flight of the Intruder” (auf deutsch: Flug durch die Hölle). Der preisgekrönte Film aus dem Jahre 1991 erzählt die Geschichte eines Piloten, der während des Vietnamkriegs in Fernost seinen Dienst tut – da kommt Spannung auf.
21.00 Uhr Ein schöner Fernsehabend geht zu Ende und ich unternehme mit dem Haustier einen kleinen Rundgang durch den Garten. Anschliessend lösche ich sämtliche Lichter und falle erschöpft ins Bett. Gute Nacht.