29. Oktober 2012 – Hurrican Sandy

07.30 Uhr Die letzte Oktoberwoche beginnt und ich treffe Sandra zigarettepaffend auf der Terrasse an. Das unterbelichtete Kind zieht genüsslich am Glimmstängel und macht auf den Umstand aufmerksam, dass am Mittwoch Halloween gefeiert wird. Ich schlage entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen und unke, dass in zwei Tagen randalierende Kinder klingeln und um Süssigkeiten betteln werden. Meine Mieterin nickt eifrig und kündigt an, dass wir heute zum WAL MART fahren und Halloweenartikel besorgen werden – papperlapapp.
09.00 Uhr Nach dem Badevergnügen statten wir Frau Pontecorvo einen Besuch ab und laben uns an einem deftigen Frühstück. Während ich kraftvoll zubeisse, kommt Sandra erneut auf das anstehende Fest zu sprechen und erkundigt sich, ob meine Nachbarin ihr Haus ebenfalls schmücken wird. Frau Pontecorvo stimmt zu und unterbreitet, dass sie Lichterketten in die Fenster hängen und einen beleuchteten Kürbis vor die Haustüre legen wird. Um weitere Diskussionen zu vermeiden, zucke ich mit den Schultern und erkläre mich bereit, im Supermarkt preiswerte Dekorationsartikel zu besorgen.
11.00 Uhr Redlichst gestärkt scheuchen wir Hund Dixon zum PS-strotzenden SUV und rasen zum 2 Meilen entfernten MAL MART, um die feilgebotenen Halloweenschnäppchen in Augenschein zu nehmen. Sandra ist von dem ausgestellten Schrott sichtlich angetan und schlüpft freudig in ein schwarzes Batgirl (löblich: Fledermausmädchen) Kostüm. Frau Pontecorvo schmunzelt in einer Tour und animiert mich, Sandras Beispiel zu folgen und eine Batman (löblich: Fledermausmann) Verkleidung zu erwerben – das hätte gerade noch gefehlt.
11.30 Uhr Missmutig rolle ich den Einkaufswagen zum nächsten Regal und wähle farbenfrohe Girlanden aus, die den Eingangsbereich meiner kleinen Villa schmücken sollen. Dummerweise reden die beiden Damen immer weiter auf mich ein und ermutigen mich, über meinen Schatten zu springen und eine Maskierung auszusuchen.
12.00 Uhr Nachdem wir einen Plastikkürbis in den Einkaufswagen verladen haben, wende ich mich seufzend den Kostümen zu und ringe mich dazu durch, 30 Dollars für eine Polizeiuniform auszugeben. Frau Pontecorvo ist begeistert und meint, dass die Nachbarn aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommen werden.
13.15 Uhr Um insgesamt 60 Dollars erleichtert, laufen wir zum Auto und fassen den Entschluss, das Mittagessen auswärts einzunehmen. Ich steuere das KFZ kurzerhand zu Julies Restaurant und lasse es mir nicht nehmen, meine Begleiter zu einer reichhaltigen Mahlzeit einzuladen. Währenddessen tausche ich mich mit Sandra aus und höre, dass die junge Frau den Abend nutzen möchte, um mit Frau Carol abzuschoppen. Ich beäuge meine Mieterin argwöhnisch und beauftrage sie, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und Zuckerstangen, Bonbons, Pralinen sowie andere Leckereien einzukaufen.
14.30 Uhr Endlich bin ich wieder zu Hause und kann dem Vierbeiner eine nahrhafte Trockenfuttermahlzeit vorsetzen. Danach bette ich mich im Wohnzimmer zur Ruhe und träume von meiner letzten Kulturreise in den grossen Apfel.
15.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und werde Zeuge, wie Sandra die Girlanden auf die fliegenvergitterte Terrasse schleppt. Da es draussen viel zu warm ist, bleibe ich in der klimatisierten Stube und probiere die dunkelblaue Polizeiuniform an. Im Anschluss nehme ich am Schreibtisch platz und rufe Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter ab. Natürlich quillt der elektronische Postkasten wieder einmal über und ich sehe mich genötigt, verzweifelten Heimseitenbesuchern bei schwerwiegenden Problemen zu helfen.
16.15 Uhr Just als ich die Depesche eines 41jährigen Dresdners lese, dessen Tochter gefährlichen Drogen verfallen ist, stösst Sandra die Terrassentüre auf und macht grosse Augen. Mein Gast klopft sich lachend auf die Schenkel und sagt, dass die Uniform wie angegossen passt. Ich schlage in die gleiche Kerbe und entgegne, dass mich Scherriff Bradfort womöglich bald in den Polizeidienst aufnehmen wird.
17.00 Uhr Nachdem wir die Haustüre geschmückt haben, kehre ich in die kleine Villa zurück und bereite das Abendessen vor. Fachmännisch schwenke ich Butter in einer Pfanne und lasse Dixon wissen, dass wir heute ein vitaminreiches T-Bone Steak (löblich: T Knochen Schnitzel) essen werden. Als ich Sandra aufrufe, mir Gesellschaft zu leisten, lehnt sie dankend ab und erinnert daran, dass sie Carol in der Stadt treffen wird – das ist wieder typisch.
18.30 Uhr Nach dem Abendessen mache ich es mir im Wohnzimmer bequem und fröne in Gesellschaft meines braven Haustieres den Abendnachrichten auf FOX. Unter anderem lerne ich, dass ein gewaltiger Sturm die Millionenmetropolen New York und Washington DC bedroht. Der Hurrikan “Sandy” wirbelt sogar den Wahlkampf von (Noch-)Präsident Barack Obama ordentlich durcheinander. Weiter erfahre ich, dass der Mann einige Reden ersatzlos streichen musste – das soll mir auch Recht sein.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit erfreue ich mich an neuen Episoden der Kriminalserie “Dexter” auf dem Bezahlsender SHOWTIME – da kommt Freude auf.
21.00 Uhr Zum Abschluss des anstrengenden Tages unternehme ich einen Spaziergang und fordere den Vierbeiner auf, Familie Booths Rosenstauden zu bewässern. Zu guter Letzt lösche ich das Licht und gehe müde ins Bett. Gute Nacht.

Hurricane Sandy:


Foto: National Hurricane Center 
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