26. Oktober 2012 – Sandra schaut zu tief ins Glas

07.30 Uhr Ich werde durch Chris Cagles Hitparadenerfolg “Laredo” geweckt und rolle aus dem Wasserbett, um den sonnigen Morgen mit dem Frühsport zu beginnen. Als ich meine eingerosteten Muskeln stähle, kommt Frau Pontecorvo daher und bringt ein gemeinsames Frühstück zur Sprache. Weil das gar keine dumme Idee ist, stimme ich zu und verspreche, gegen 10 Uhr vorbeizukommen.
09.00 Uhr Just als ich aus der Wirbelbadewanne steige und meine Haut mit Sonnencreme einöle, klopft Sandra an die Türe und lotet aus, ob sie Kaffee kochen soll. Ich falle der Maid spornstreichs ins Wort und informiere, dass wir bei Frau Pontecorvo eingeladen sind.
10.00 Uhr Pünktlich auf die Minute klingeln wir am Nachbaranwesen und erfreuen uns an frischen Früchten, Rühreiern mit Speckstreifen und hausgemachtem Käsekuchen. Während sich Sandra über das Backwerk hermacht, lade ich eine stattliche Portion Eier auf meinen Teller und erwähne, dass in der kommenden Woche mein ehemaliger Studienkollege Thomas Kronach zu Besuch kommen wird. Sandra ist hellhörig und sagt, dass der gute Mann höchstwahrscheinlich über Nacht bleiben wird – das kann ja heiter werden.
11.00 Uhr Nachdem wir uns gestärkt haben, leine ich Dixon an und breche in Sandras Beisein zu einem Spaziergang durchs Wohngebiet auf. Das Kind wirft dem Haustier Stöckchen zu und behauptet, dass die Gegend sehr schön ist. Ich nicke eifrig und gebe der Maid zu verstehen, dass es mir in Florida an nichts fehlt. Um meinen Aussagen Nachdruck zu verleihen, lotse ich meine Mieterin zur Immokalee Road und gebe zu Protokoll, dass wir uns nun in der “Pelican Larry’s Raw Bar & Grill” Gastwirtschaft amüsieren werden.
12.00 Uhr Völlig verschwitzt betreten wir die Biertränke und ordern einen Pitcher (löblich: Krug) Budweiser. Weil das kulinarische Wohl nicht zu kurz kommen darf, beauftrage ich Herrn Larry, panierte Zwiebelringe mit deftiger Sauce aufzutischen. Während ich kraftvoll zubeisse, steckt Sandra zwei funkelnde Münzen in die Jukebox und wählt etliche Bruce Springstein Kompositionen aus. Ich strafe das unterbelichtete Kind mit bösen Blicken und stelle klar, dass der aus New Jersey stammende Rocker im Süden der USA kaum Anhänger hat. Meine Tischnachbarin zuckt mit den Schultern und entgegnet, dass “No Surrender” (löblich: Keine Kapitulation) trotzdem ein super Lied ist – papperlapapp.
14.00 Uhr Nach zwei Stunden verlassen wir die Bar und torkeln nach Hause. Sandra kommt aus dem Lallen gar nicht mehr heraus und macht mich darauf aufmerksam, dass sie etwas zu tief ins Glas geschaut hat und alles doppelt sieht – das ist typisch.
15.00 Uhr Zurück im Willoughby Drive serviere ich Dixon eine Trockenfuttermahlzeit. Danach schlüpfe ich aus den Kuhjungenstiefeln und gönne mir im Wohnzimmer eine kleine Pause. Schon bald döse ich ein und träume von meiner nervenaufreibenden Autofahrt quer durch den Kontinent – das waren noch bessere Zeiten.
16.00 Uhr Als ich es mir kaffeegeniessend am Schreibtisch bequem mache und Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter abrufe, meldet sich Sandra zu Wort und sagt, dass sie am Abend mit Carol ins Lichtspielhaus gehen wird. Ich seufze laut und rate der Maid, das Auto in der Garage zu lassen.
17.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 5 deutet, klingelt es an der Türe und wir können Herrn Wangs Tochter herzlich begrüssen. Sandra wünscht mir einen schönen Abend und sagt, dass sie sich einen Gruselfilm ansehen wird – wie unlöblich. Kopfschüttelnd schalte ich den Heimrechner aus und schiebe eine Fertigpizza ins Ofenrohr. Nebenbei schneide ich eine Tomate auf und zaubere einen leckeren Salat.
18.30 Uhr Nach der Mahlzeit rufe ich Edelbert an und frage ihn, ob wir uns morgen in Julies Restaurant treffen wollen. Der Professor nimmt die Einladung prompt an und sagt, dass er um 10 Uhr im Frühstücksgasthaus unseres Vertrauens sein wird – wie schön.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit nehme ich den Farbfernseher in Betrieb und fröne den Abendnachrichten auf FOX. Im Anschluss wähle ich das Qualitätsprogramm von HBO aus und gebe mich dem abendfüllenden Spielfilm “The Imaginarium of Dr. Parnassus” (auf Deutsch: Das Kabinett des Dr. Parnassus) hin. Die englische Produktion erzählt die Lebensgeschichte des Magiers Dr. Parnassus, der mit seiner Theatergruppe durch die Lande zieht. HEUREKA – diesen Schwachsinn muss man gesehen haben.
21.00 Uhr Als endlich der Abspann über die Mattscheibe flimmert, betätige ich den “OFF” (löblich: AUS) Knopf und ziehe mich ins Schlafzimmer zurück. Gute Nacht.

Bruce Springstein pörformt “No Surrender”: