24. Oktober 2012 – Rentner sind in Tanzlokalen nicht gerne gesehen

07.30 Uhr Der Radiowecker springt an und ich renne wie der Wind ins Gästezimmer, um nachzusehen, ob Sandra die Nacht im Willoughby Drive verbracht hat. Ich finde das Mädchen schlafend vor und registriere, dass die Klamotten achtlos auf dem Boden verteilt sind. HEUREKA – an diesem Beispiel sieht man anschaulich, dass die junge Generation keine Ordnung kennt.
08.45 Uhr Kurz vor dem Neunuhrläuten steige ich aus der Wirbelbadewanne und werfe mich in Schale. Danach eile ich in die Küche und freue mich auf eine reichhaltige Mahlzeit. Leider sehe ich mich mit meiner Zugehfrau konfrontiert und erfahre, dass das Abflussrohr verstopft ist – wie unlöblich. Ich nehme den Schaden spornstreichs in Augenschein und lasse Frau Gomez wissen, dass mein Gast womöglich Essensreste ins Spülbecken geworfen hat. Um schlimmeres Unheil abzuwenden, nehme ich den Pümpel zur Hand und sorge für einen reibungslosen Abfluss.
09.30 Uhr Wenig später kommt Sandra gähnend dazu und leistet mir beim wichtigsten Mahl des Tages Gesellschaft. Die Maid kommt aus dem Plappern gar nicht mehr heraus und berichtet, dass der gestrige Ausflug nach Marco Island super war – das soll mir auch Recht sein.
10.30 Uhr Weil heute Mittwoch ist, lasse ich den Autoschlüssel in meine Hosentasche wandern und mache Sandra auf die Tatsache aufmerksam, dass nun der Wocheneinkauf ansteht. Meine Mieterin reibt sich die Hände und sagt, dass sie mich zum Supermarkt begleiten wird – was muss ich denn noch alles ertragen.
11.00 Uhr Endlich sind wir am Ziel und können einer unterbelichteten Hausfrau mit Lockenwicklern in den Haaren einen Einkaufswagen streitig machen. Während meine Begleiterin aus dem Plappern gar nicht mehr herauskommt, laufe ich pfeifend in den PUBLIX Supermarkt und lade Produkte des täglichen Bedarfs ein. Unterdessen schlendert Sandra beeindruckt durch die breiten Gänge und nimmt ein Haarwaschmittel aus dem Hause KingKey ins Visier. Da das besagte Schampu aus China stammt, deute ich zu den amerikanischen Erzeugnissen und rate dem Kind, auf kommunistische Waren zu verzichten.
12.00 Uhr Nach einer geschlagenen Stunde können wir den PUBLIX verlassen und mit Hund Dixon im Schlepptau ins Dairy Queen (löblich: Molkerei Königin) Gasthaus einkehren. Weil ich heute die Spendierhosen angezogen habe, schnippe ich mit den Fingern und lade Sandra zu Speis und Trank ein.
13.00 Uhr Daheim angekommen, schlüpfe ich aus den Kuhjungenstiefeln und frage Sandra bezüglich ihrer Nachmittagsaktivitäten aus. Die Maid streckt mir die Hand entgegen und sagt, dass sie Carol im Naples Manor Motel besuchen möchte. Ich seufze laut und händige dem Fräulein die Schlüssel für den Zweitwagen aus. Danach falle ich aufs Kanapee und schliesse die Augen.
14.30 Uhr Ich werde durch lautes Klingeln geweckt und treffe Frau Pontecorvo vor der Villa an. Wie es sich gehört, winke ich die Gute herein und serviere lustige Muffins aus dem PUBLIX Markt. Ausserdem versorge ich meine Nachbarin mit Infos und rechne vor, dass ich ein kleines Vermögen für Lebensmittel ausgeben musste.
16.00 Uhr Nachdem Frau Pontecorvo nach Hause gegangen ist, komme ich meinen Pflichten als staatlich anerkannter Anschnurseelsorger nach. Auch heute rufe ich Anfragen besorgter Erziehungsberechtigter ab und komme zu dem Schluss, dass es die Jugend in Deutschland derzeit besonders bunt treibt.
17.00 Uhr Um auf andere Gedanken zu kommen, fahre ich den Heimrechner mausdrückend herunter und bereite das Abendessen vor. Just als ich Wasser aufsetze, kommt Sandra von ihrem Ausflug zurück. Meine Mieterin präsentiert nagelneue Flip Flops und behauptet, dass sie grossen Hunger hat. Ich fackle nicht lange und kredenze ihr eine Portion Teigwaren mit Tomatensauce. Während wir kraftvoll zubeissen, bringe ich einen gemeinsamen Fernsehabend zur Sprache und erzähle, dass auf AMC ein romantischer Liebesfilm gezeigt wird. Sandra rollt demonstrativ mit den Augen und entgegnet, dass sie ausgehen und in einem Tanzlokal Frau Carol und Herrn Avanzatti treffen wird – wie unlöblich.
18.30 Uhr Nach der Hausarbeit setze ich mich zu Hund Dixon ins klimatisierte Wohnzimmer und erkläre dem Rüden, dass Senioren in Tanzlokalen nicht gerne gesehen werden. Trotzdem lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und erfreue mich an hunde- und rentnergerechten Fernsehformaten.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit wähle ich das Qualitätsprogramm von AMC aus und widme mich dem Filmklassiker “An Officer and a Gentleman” (auf deutsch: Ein Offizier und Gentleman) – da bleibt kein Auge trocken.
21.00 Uhr Zum Abschluss des Tages unternehme ich mit dem Vierbeiner einen Rundgang durch den Garten. Im Anschluss reguliere ich die Klimaanlage und gehe ins Bett. Gute Nacht.

Tanzlokale sind unlöblich:


Bild: Club A, Bucharest, Romania