23. Oktober 2012 – Immer Ärger mit Sandra

07.15 Uhr Ich werde durch aggressive Hartfelsenklänge geweckt und treffe meine leichtbekleidete Mieterin in der Küche an. Sandra rückt ihr rotes Bikinioberteil zurecht und behauptet, dass sie hervorragend geschlafen hat. Ich nicke eifrig und erfahre weiter, dass Herr Avanzatti gegen 13 Uhr vorbeikommen wird, um das Kind zum Essen auszuführen. Natürlich beäuge ich die junge Frau argwöhnisch und stelle klar, dass es sich nicht gehört, im Bikini ein Fischrestaurant zu besuchen. Sandra schenkt mir ein Lächeln und erwidert, dass sie im Garten Sonne tanken wird – das kann ja heiter werden.
09.00 Uhr Nach der Morgenwäsche leiste ich meinem vorlauten Hausgast Gesellschaft und lasse mir im Ofen aufgebackene Croissants (löblich: französische Hörnchen) sowie brühfrischen Bohnenkaffee munden Nebenher tratsche ich mit Sandra und bringe heraus, dass Herr Avanzatti nach Marco Island fahren und ins “Sale e Pepe” Sternerestaurant einkehren möchte. Ich schnalze demonstrativ mit der Zunge und vermute, dass der Italo-Amerikaner im Lotto gewonnen haben muss. Immerhin zählt die besagte Wirtschaft zu den angesagtesten Adressen des Staates.
10.30 Uhr Wenig später stösst Frau Pontecorvo zu uns und wünscht einen guten Morgen. Die Dame von nebenan freut sich, Sandra wiederzusehen und macht es sich zur Aufgabe, ihr ein modisches Strandkleid zu überreichen. Meine Mieterin ist begeistert und probiert die neue Garderobe prompt an. Bei dieser Gelegenheit bringt Frau Pontecorvo für morgen einen Ausflug zur Sprache und meint, dass es sich anbieten würde, am Donnerstag einen Spaziergang durch den “Caribbean Garden” (löblich: karibischen Garten) zu unternehmen – das hat gerade noch gefehlt.
11.15 Uhr Während Sandra im Badezimmer verschwindet, serviere ich vitaminreiche Sandwiches und spritzigen Schaumwein aus dem Hause Veuve Clicquot. Als ich kraftvoll zubeisse, klingelt es an der Türe und wir können Prof. Kuhn herzlich begrüssen. Der schlaue Mann wischt sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn und lotet aus, wo Sandra abgeblieben ist. Ich deute nörgelnd in Richtung Badezimmer und informiere, dass das unterbelichtete Kind seit Stunden vor dem Spiegel steht und sich Schminke ins Gesicht schmiert.
12.45 Uhr Just als ich die zweite Flasche Schaumwein köpfe, fährt John Avanzattis dunkelgrüner VOLVO vor. Sandra ist kaum zu bändigen und sagt, dass es am Abend später werden kann – das ist wieder typisch.
13.30 Uhr Nachdem sich Frau Pontecorvo winkend verabschiedet hat, nehme ich Hund Dixon an die Leine und breche in Edelberts Beisein zu einem Spaziergang auf. Wir schlendern plaudernd zum zwei Meilen entfernten “La Playa” Golfplatz und erfreuen uns an den wärmenden Sonnenstrahlen. Unter anderem komme ich auf mein gestriges Telefonat mit Amanda zu sprechen und lege anschaulich dar, dass mein Bruder mitsamt der Kinder im Dezember nach Naples kommen wird. Edelbert macht grosse Augen und schlägt vor, dass wir Weihnachten gemütlich in meinem Eigenheim feiern könnten – das ist eine hervorragende Idee.
15.00 Uhr Wieder zurück in der klimatisierten Villa, falle ich völlig erschöpft aufs Wohnzimmerkanapee und strecke genüsslich die Beine aus. Schon bald döse ich ein und sehe mich im Traum in den Waldweg versetzt.
17.00 Uhr Nach der Anschnurseelsorge greife ich zum NOKIA Handtelefon und lasse es mir nicht nehmen, Sandras Nummer einzutippen. Das Mädchen meldet sich nach dem zweiten Klingeln und teilt mir auf Anfrage mit, dass sie einen super Tag in Marco Island verbringt und am Abend mit John Avanzatti ins Lichtspielhaus gehen wird. Ich mache mir sogleich die grössten Sorgen und rate meiner Gesprächspartnerin, vor Einbruch der Nacht zu Hause zu sein.
18.30 Uhr Ein anstrengender Tag neigt sich seinem Ende zu und ich verzehre das Abendessen vor dem Fernseher. Während ich mir eine TOMBSTONE Pizza schmecken lasse, fröne ich den Nachrichten auf FOX und lerne, dass das Apfel (unlöblich: Apple) iPod Musikabspielgerät just heute seinen 11. Geburtstag feiert.
19.00 Uhr Im Anschluss verfrachte ich das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine und entspanne mich bei einem sehenswerten Spielfilm auf HBO. Ich gebe mich der Hollywoodproduktion “Misery” aus dem Jahre 2000 hin und werde Zeuge, wie der erfolgreiche Autor Paul von der geisteskranken Annie Wilkes entführt wird – wie unlöblich.
21.00 Uhr Nach zwei spannungsgeladenen Stunden schalte ich die Glotze ab und stelle eine Kerze ins Küchenfenster. Danach lösche ich das Licht und lege mich schlafen. Gute Nacht.

Meine Villa unter Palmen: