18. Oktober 2012 – Billard und Wahlkampf

07.45 Uhr Ein neuer Tag beginnt und ich bemerke beim Blick zum Radiowecker, dass meine Putzfrau schon wieder am Frequenzrad gedreht hat. Seufzend steige ich aus dem Bett und laufe zielstrebig in die Nasszelle, um mich bei einem Wirbelbad zu entspannen. Nebenher mache ich mir meine eigenen Gedanken und komme zu dem Schluss, dass ich Sandra in vier Tagen im Sonnenscheinstaat begrüssen werde – das kann ja heiter werden.
09.15 Uhr Just als der Minutenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf Viertel nach 9 zeigt, beende ich das wichtigste Mahl des Tages und mache es mir zur Aufgabe, im Gästezimmer Staub zu wischen. Unterdessen nehme ich den Billardtisch in Augenschein und lasse Dixon wissen, dass ich seit mindestens sechs Monaten kein Spielchen mehr gewagt habe. Um das Sportgerät nicht ungenutzt herumstehen zu lassen, lege ich mir die 15 Objektkugeln zurecht und lasse die weisse Spielkugel über das grüne Filz sausen. Als der Vierbeiner grosse Augen macht, nehme ich den Queue in Anschlag und gebe vor, in jungen Jahren ein begeisterter Spieler gewesen zu sein – das waren noch Zeiten.
11.00 Uhr Nachdem ich das Gästebett frisch bezogen und die Fenster geputzt habe, gönne ich mir ein eiskaltes Budweiser auf der Terrasse. Leider kommt wenig später Frau Pontecorvo dazu und plappert davon, dass sie bei Frau Vhynalek zum Frühstück eingeladen war. Die Dame leistet mir auf der schattigen Veranda Gesellschaft und erzählt, dass die neue Nachbarin auch Frau Booth zu Gast hatte und eine polnische Spezialität namens “Racuchy” servierte. Ich gebe mich skeptisch und erfahre auf Anfrage, dass es sich hierbei um einen Pfannkuchen handelt, der mit Pflaumenmus gereicht wird – das soll mir auch Recht sein.
11.30 Uhr Wenig später tippe ich auf meine goldene Armbanduhr und verkünde, dass ich nun das Mittagessen vorbereiten werde. Frau Pontecorvo schüttelt jedoch den Kopf und meint, dass sie mich ins nahegelegene “Moe’s Southwest Grill” Gasthaus einladen wird – das ist phantastisch.
12.15 Uhr In der Wirtschaft unseres Vertrauens angekommen, setzen wir uns an einen Fenstertisch mit Ausblick und ordern bei einer brünetten Kellnerin köstliche Burritos mit Fleischfüllung. Dazu gibt es hausgemachte Kartoffelstäbe sowie mexikanischen Krautsalat – das schmeckt. Während wir kraftvoll zubeissen, komme ich auf Sandra zu sprechen und lege anschaulich dar, dass ich das Kind am Montag vom Flughafen abholen muss. Ferner gebe ich zu Protokoll, dass meine Mieterin diesmal nicht mit AIR BERLIN, sondern mit einem DELTA Flugzeug über den grossen Teich kommen wird.
13.30 Uhr Nach der reichhaltigen Mahlzeit kutschiere ich meine Bekannte sicher in den Willoughby Drive zurück und bringe einen gemeinsamen Spaziergang zur Sprache. Wir schlendern stöckchenwerfend zum LaPlaya Golfplatz und animieren Dixon, die frechen Wildenten zu jagen, die derzeit in Schwärmen über Florida hereinfallen. Meine Begleiterin nörgelt in einer Tour und macht mich darauf aufmerksam, dass die Viecher die weite Reise aus Kanada auf sich nehmen, um die Wintermonate im Süden zu verbringen – wo soll das noch hinführen.
15.00 Uhr Wieder zurück in der kleinen Villa, falle ich erschöpft aufs Sofa und lasse die Seele baumeln. Bereits nach wenigen Augenblicken döse ich ein und träume von meiner spannenden Romreise im Jahre 2008.
16.00 Uhr Im Anschluss nehme ich kaffeetrinkend am Heimrechner Platz und helfe leidgeprüften Erziehungsberechtigten aus scheinbar ausweglosen Lebenssituationen. Während der Anschnurseelsorge stosse ich auf die elektronische Depesche eines unterbelichteten Ostdeutschen und erfahre, dass der alleinerziehende Vater grosse Probleme mit seinem Sohn Mario (16) hat. Da der Junge harten Drogen verfallen ist, spreche ich Herrn E. aus Chemnitz Mut zu und ermutige ihn, Anzeige bei der Polizei zu erstatten.
17.00 Uhr Nachdem ich zu guter Letzt die neuesten Einträge im Gästebuch überflogen habe, gehe ich von der Leine und verfrachte eine TOMBSTONE Tiefkühlpizza ins Ofenrohr. Zudem fülle ich Dixons Napf mit gesundem Trockenfutter auf und vergesse auch nicht, ihn mit Leitungswasser zu versorgen.
18.15 Uhr Redlich gestärkt lasse ich den Tag bei hunde- und rentnergerechten Fernsehformaten ausklingen. Wie es sich gehört, folge ich gespannt den Abendnachrichten auf FOX und mache mich über den Präsidentschaftswahlkampf schlau. Unter anderem lerne ich, dass die beiden Politiker derzeit durch die Lande tingeln, um Reden in den sogenannten “Swing States” (löblich: Wechselstaaten) zu halten. Dabei wird Barack Obama nicht nur von Ex-Präsident Bill Clinton, sondern auch vom Felsenmusikant Bruce Springstein unterstützt – wie unlöblich.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit gebe ich mich der preisgekrönten Komödie “Meet the Fockers” (auf deutsch: Meine Frau, ihre Schwiegereltern und ich) auf HBO hin – da kommt Stimmung auf.
21.00 Uhr Nach zwei unterhaltsamen Stunden schalte ich das Farbfernsehgerät ab und lege mich schlafen. Gute Nacht.