07.30 Uhr Admiral a.D. Bürstenbinder klopft nörgelnd an die Schlafzimmertüre und behauptet, dass der neumoderne DeLonghi Kaffeeautomat defekt ist. Seufzend schlage ich die Bettdecke beiseite und erwidere, dass die Maschine lediglich entkalkt werden muss. Um weiteren Diskussionen aus dem Weg zu gehen, eile ich in die Küche und stelle den Wählhebel auf “DESCALE” (löblich: Entkalken).
08.30 Uhr Während sich betörender Kaffeeduft in der Villa ausbreitet, entspanne ich mich bei einem Wirbelbad. Unterdessen telefoniere ich mit Sandra und vernehme, dass derzeit ein Oktoberfestbesucher aus dem hohen Norden in der “Pension Waldblick” logiert. Meine Mieterin kommt aus dem Schimpfen gar nicht mehr heraus und sagt, dass der aus Kiel stammende Junggeselle (39) gestern sturzbetrunken heimgekommen ist und sich im Treppenhaus übergeben hat – wie schrecklich.
10.00 Uhr Nach dem wichtigsten Mahl des Tages mache ich mich im Garten nützlich und zeige dem ehemaligen Seefahrer voller Stolz mein Petersilienbeet. Friedbert macht grosse Augen und meint, dass es angebracht wäre, Familie Booth ein Sträusschen abzugeben. Ich nicke eifrig und erinnere daran, dass wir bei den netten Leuten zum Mittagessen eingeladen sind.
11.15 Uhr Just als ich allerlei Geröll von der Einfahrt fege, kommt Frau Pontecorvo dazu und setzt mich darüber in Kenntnis, dass sie am Abend ins Lichtspielhaus gehen wird. Admiral Bürstenbinder wird sogleich hellhörig und meint, dass es ihm eine Ehre wäre, sie zu begleiten. Meine Nachbarin zeigt sich prompt einverstanden und verspricht, gegen 18 Uhr abfahrbereit zu sein.
12.00 Uhr Pünktlich zur Mittagszeit schellen wir am Nachbarhaus und werden von General a.D. Kenneth Booth händeschüttelnd begrüsst. Der hochdekorierte Vietnamveteran lotst uns ins Esszimmer und verwöhnt mit hausgemachtem Eistee. Darüber hinaus serviert die Frau des Hauses eine selbst zubereitete Maissuppe mit Fladenbrot. Obgleich ich kein grosser Suppenfreund bin, greife ich zum Löffel und bemerke, dass diese Vorspeise prima schmeckt.
13.00 Uhr Während ich mich über den Hauptgang hermache und frittierte Fischfilets mit Kartoffelstäben verzehre, schwelgt Friedbert in Erinnerungen und berichtet, dass er zwischen den Jahren 1953 und 1987 der Handelsmarine angehörte und auf der Fregatte Husum auf den Weltmeeren unterwegs war. Mein Bekannter reibt sich die Hände und legt anschaulich dar, dass er in den grossen Hafenstädten der Welt Freundinnen hatte – wie unlöblich. Da Herr und Frau Booth gottesfürchtige Leute sind, stosse ich Friedbert in die Seite und fordere ihn auf, augenblicklich das Thema zu wechseln. HEUREKA – was muss ich denn noch alles ertragen.
15.00 Uhr Nachdem wir das opulente Essen mit Schaumkaffees und Eiscremetorte abgeschlossen haben, bedanke ich mich und spreche für das Wochenende eine Gegeneinladung aus. Danach kehre ich in meine bescheidene Villa zurück und bette mich auf dem Sofa zur Ruhe.
16.30 Uhr Um die Nachmittagsstunden nicht ungenutzt verstreichen zu lassen, nehme ich am Schreibtisch Platz und beginne mit der wichtigen Anschnurarbeit. Während sich Friedbert im Garten vergnügt und Hund Dixon lustige Kunststücke beibringt, rufe ich Anfragen besorgter Heimseitenbesucher ab und registriere, dass es die Jugend derzeit besonders bunt treibt. Eine kleine Frau aus München (57) klagt mir ihr Leid und schreibt, dass ihre 17jährige Tochter Carla täglich auf dem Oktoberfest unterwegs ist. Ich spende der Dame Trost und rate ihr, mit der Minderjährigen hart ins Gericht zu gehen und ihr mit Stubenarrest zu drohen.
18.00 Uhr Als sich Friedbert in seine Lederhose zwängt, bereite ich das Abendessen zu und merke an, dass es nicht angebracht ist, in bayerischer Tracht ins Kino zu gehen. Der einstige Seefahrer zuckt gelangweilt mit den Schultern und wirft ein, dass er zur Krachledernen seinen modischen Tirolerhut mit Gamsbart aufsetzen wird – wo soll das noch hinführen.
19.00 Uhr Zur besten Sendezeit mache ich es mir neben Hund Dixon im klimatisierten Wohnzimmer bequem, um den Abendnachrichten auf FOX zu frönen. Neben den üblichen Schreckensmeldungen aus der Welt der Politik, erfahre ich ausserdem, dass ein Schweinezüchter aus Oregon von seinen eigenen Zuchtschweinen aufgefressen wurde. Der 70jährige soll nach Angaben der Ermittelnden Behörden eine Herzattacke erlitten und anschliessend von den bis zu 300 Kilogramm schweren Nutztieren verspeist worden sein – wie furchtbar. Als nächstes wähle ich das Qualitätsprogramm von HBO aus und schaue mir den Gruselfilm “Frozen” (löblich: Gefroren) an – da kommt Spannung auf.
22.00 Uhr Nach 90 nervenaufreibenden Minuten schalte ich den Flachbildschirm ab und begleite den Vierbeiner in den Garten. Zu guter Letzt lösche ich das Licht und gehe müde ins Bett. Gute Nacht.