25. September 2012 – Professor Kuhns 70. Geburtstag

07.30 Uhr Die Sonne lacht vom Himmel und ich erfahre beim Blick auf den Wandkalender, dass Edelbert heute seinen 70. Geburtstag feiert. Wie es sich gehört, rufe ich spornstreichs bei meinem Bekannten an und übermittle ihm die besten Glückwünsche. Darüber hinaus stelle ich kostspielige Geschenke in Aussicht und schlage ein gemeinsames Frühstück in Julies Restaurant vor. Edelbert freut sich und sagt, dass er gegen 10 Uhr in der Wirtschaft unseres Vertrauens sein wird.
09.30 Uhr Nachdem ich mich bei einem Wirbelbad entspannt habe, klingle ich an Frau Pontecorvos Haustüre und lade auch meine Nachbarin zum Geburtstagsfrühstück ein. Die Gute nimmt die Einladung prompt an und sagt, dass sie Edelbert einen Bildband mit Photografien aus dem Sonnenscheinstaat überreichen wird – wie schön.
10.00 Uhr Pünktlich auf die Minute betreten wir Julies Restaurant und treffen Edelbert handtelefonierend an einem Fenstertisch an. Der schlaue Mann bietet uns Plätze an und erzählt, dass er gerade mit seinem Sohn telefoniert hat. Ausserdem lernen wir, dass Sohn Peter sein Kommen für Dezember angekündigt und zudem eine seltene Schallplatte mit Aufnahmen des Jazzpianisten Duke Ellington geschickt hat. Mein Tischnachbar wischt sich die Tränen aus den Augen und mutmasst, dass die Vinylausgabe von “Duke Ellington at Fargo 1940 Live” mindestens 500 EUROS gekostet haben muss. Ich blicke skeptisch drein und händige Edelbert mein Geschenk aus. Prof. Kuhn nimmt die Komplettausgabe der beliebten HBO Fernsehserie “Deadwood” freudig an und meint, dass er selten einen schöneren Geburtstag hatte. Ich rede dem 70jährigen gut zu und lasse ihn wissen, dass er am späten Nachmittag mit einer weiteren Überraschung rechnen kann. Immerhin wird am Abend Admiral a.D. Friedbert Bürstenbinder in Naples ankommen.
12.00 Uhr Nachdem wir das Frühstück in vollen Zügen genossen und einen ausgedehnten Spaziergang entlang der Vanderbilt Beach Road unternommen haben, reiche ich Edelbert die Hand und erfahre, dass er für 18.00 Uhr einen Tisch in der “Truluck’s” Fischwirtschaft reserviert hat. Ich bin entzückt und entgegne, dass ich grossen Hunger mitbringen werde. Danach helfe ich Frau Pontecorvo und Hund Dixon in den frisch aufpolierten Chevrolet Suburban und rase ruckzuck in Richtung Willoughby Drive davon.
14.00 Uhr Just als ich von meiner nervenaufreibenden Reise quer durch den nordamerikanischen Kontinent träume, wird die Ruhe durch lautes Telefonbimmeln unterbrochen. Zu allem Überfluss habe ich Friedberts Stimme im Ohr und höre, dass der Reisebus aus Miami gerade die letzten Ausläufer der Everglades passiert. Friedbert ist ganz aus dem Häuschen und bittet mich, ihn gegen 16 Uhr vom Busbahnhof in der Mercantile Avenue abzuholen. HEUREKA – diesen Stress hält nicht einmal der stärkste Rentner aus.
15.15 Uhr Nachdem ich Hilferufe besorgter Erziehungsberechtigter abgearbeitet habe, schlüpfe ich in die bequemen Flip Flops und kruse zum 9 Meilen entfernten Bahnhof. Zu meiner Freude wartet Friedbert bereits am Strassenrand und wuchtet seinen Seesack auf die Ladefläche des SUV. Im Anschluss fahre ich gemächlich in den Willoughby Drive zurück und erkläre dem Urlauber, dass wir Edelbert in zwei Stunden in einem Fischrestaurant treffen werden. Friedbert zieht genüsslich an seiner dampfenden Meerschaumpfeife und sagt, dass er die Nacht zum Tag machen und sich auf Edelberts Kosten betrinken wird – das kann ja heiter werden.
16.00 Uhr Zuhause angekommen, führe ich den Admiral ins Gästezimmer und bitte ihn, wegen den gefährlichen Insekten stets das Fenster geschlossen zu halten. Friedbert nickt eifrig und macht es sich zur Aufgabe, farbenfrohe Freizeitkleidung in den Schrank zu hängen.
17.30 Uhr Um nicht zu spät zu kommen, tippe ich auf meine wertvolle ROLEX und rufe Friedbert auf, die Bierflasche weg zu stellen und endlich in den PS strotzenden Geländewagen einzusteigen. Der ehemalige Seefahrer lässt sich nicht zweimal bitten und nimmt neben Hund Dixon und Frau Pontecorvo auf dem Rücksitz Platz. Schwitzend lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der “D” Stellung einrasten und gleite zu stimmungsvoller WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) Radiomusik davon.
18.15 Uhr Mit kurzer Verspätung finden wir uns im “Truluck’s” wieder und bemerken, dass das Geburtstagskind auch schon da ist. Edelbert kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und zögert nicht, Friedbert in die Arme zu schliessen. Anschliessend beauftragen wir den Ober, eine Flasche Schaumwein der Nobelmarke “Veuve Clicquot” zu köpfen und den “Catch of the Day” (löblich: Fang des Tages) zu kredenzen. Während wir kraftvoll zubeissen und ausgelassen feiern, kommt Friedbert auf seinen Floridaurlaub zu sprechen und sagt, dass er uns bis zum 9. Oktober Gesellschaft leisten wird.
21.00 Uhr Gegen 9 Uhr verlassen wir das schöne Restaurant und verabreden, dass wir uns morgen im Bistro 821 zum Frühstück treffen sollten. Anschliessend lasse ich den Motor aufheulen und kruse mit meinen Bekannten nach Hause.
21.30 Uhr Während es sich der Seebär in der klimatisierten Wohnstube gemütlich macht und sich einen Schlummertrunk gönnt, falle ich erschöpft ins Bett und schliesse die Augen. Gute Nacht.