Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

07.10.2010

07.30 Uhr Der letzte Tag in San Franzisko beginnt und ich hüpfe voller Elan aus dem Bett, um die Morgengymnastik am Fenster zu absolvieren. Just als ich Kniebeugen mache, wird die himmlische Ruhe durch ohrenbetäubendes Türklopfen unterbrochen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, öffne ich die Pforte und sehe mich mit dem Hotelmenetscher und einem uniformierten Heini konfrontiert, der sich mir als Leiter des "San Francisco Fire Department" (löblich: San Franzisko Feuer Dezernat) vorstellt. Die beiden Herren kommen sogleich auf den Grund ihres Besuchs zu sprechen und fragen, ob mir der JEEP gehört, der in der Tiefgarage auf Platz Nummer 1107 abgestellt war. Ich nicke eifrig und bringe in Erfahrung, dass das Auto letzte Nacht in Flammen aufgegangen ist. 
08.00 Uhr Dreissig Minuten später erwache ich aus der Ohnmacht und werde Zeuge, wie eine eilig herbeigerufene Ärztin eine Spritze in meinen Arm sticht. Die blonde Maid beruhigt mich redlichst und informiert, dass ich einen leichten Kreislaufkollaps hatte und mir keine Sorgen machen muss - wie unlöblich. Zu allem Überfluss kommt auch noch Prof. Kuhn ans Bett und stellt klar, dass er sich um alles kümmern und während der Vormittagsstunden auf Hund Dixon aufpassen wird - wie schön. 
08.30 Uhr Nachdem mir Edelbert gute Besserung gewünscht und mit dem Vierbeiner das luxuriöse Zimmer verlassen hat, wende ich mich dem Hotelmitarbeiter zu und frage nach dem Rechten. Herr Harris (47) schenkt mir ein Lächeln und erläutert, dass mein Fahrzeug gegen halb Fünf Uhr unter noch ungeklärten Umständen Feuer gefangen hat. Obwohl mir schwarz vor Augen wird, richte ich mich auf und löchere den Mann mit Fragen. Herr Harris steht mir Rede und Antwort und berichtet, dass zwar die Sprinkleranlage durch die Hitzeeinwirkung ausgelöst wurde, aber das Löschwasser die Explosion des Benzintanks nicht mehr verhindern konnte – wie schrecklich. Ferner lerne ich, dass die Detonation weitere Fahrzeuge in Mitleidenschaft gezogen und für einen hohen Schaden an der Bausubstanz gesorgt hat. Herr Harris fährt sich durchs schüttere Haar und fragt, ob ich versichert bin. Selbstverständlich nicke ich eifrig und erwidere, dass ich stets meine Beiträge bezahlt habe und bei 21CENTURY gegen Schäden aller Art versichert bin. Der Hotelheini notiert sich die Angaben und verspricht, mit dem Unternehmen in Verbindung zu treten und den entstandenen Schaden von einem Fachmann schätzen zu lassen. Des weiteren sichert der Mann zu, dass ich während meines Aufenthalts auf ein kostenloses Leihauto zurückgreifen kann.
09.00 Uhr Wenig später kommt Edelbert vom Gassigang zurück und lässt mich wissen, dass er sich soeben in der Tiefgarage umgesehen hat. Der Professor räuspert sich unter den skeptischen Blicken der Ärztin und behauptet, dass Feuerwehrleute damit beschäftigt sind, das Fahrzeugwrack zu bergen und nach Verletzten Ausschau zu halten. Zudem höre ich, dass auch die Polizei vor Ort ist und Photos knipst. HEUREKA - was muss ich denn noch alles ertragen. 
09.30 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag normalisiert hat, schlüpfe ich in modische Freizeitkleidung und schnappe mir ein eiskaltes Budweiser aus der Minibar. Obwohl die Ärztin Einspruch erhebt und mich auffordert, Saft zu trinken, öle ich meine ausgetrocknete Kehle mit kräftigen Schlucken und erwidere, dass ich nun nach unten gehen und mir selbst ein Bild machen möchte. Mit Hund Dixon im Schlepptau eile ich zum Lift und fahre in die Hotelhalle hinab. 
10.00 Uhr Danach laufen wir mit schnellen Schritten in die Tiefgarage und finden uns in einem Schlachtfeld wieder. Meine Reisebegleitung deutet in Richtung des Parkplatzes und erklärt, dass der dampfende Klumpen einst unser JEEP war. Während ich mir die Haare raufe, gesellt sich Herr Harris an unsere Seite und sagt, dass er mittlerweile Nägel mit Köpfen gemacht und mit 21CENTURY telefoniert hat. Der freundliche Zeitgenosse gibt sich erleichtert und erklärt, dass der Versicherungsträger im Laufe des Nachmittags einen Sachverständigten vorbeischicken und sämtliche Schäden zu 100% übernehmen wird. Ich atme tief durch und bin heilfroh, mit einem blauen Auge davongekommen zu sein.
10.45 Uhr Kurz nach dem Zehnuhrläuten fahren wir mit dem Lift nach oben und kehren in die hauseigene Frühstückswirtschaft ein, um in Herrn Harris Gesellschaft wässrigen Kaffee zu trinken und Käsekuchen zu verzehren. Der Hotelmitarbeiter präsentiert währenddessen einen Heimrechnerausdruck und zitiert, dass die Feuerwehr aktuell davon ausgeht, dass die Autobatterie des JEEPS defekt war - das ist wieder typisch. Ich erhebe nörgelnd den Zeigefinger und entgegne, dass ich umgehend einen erfahrenen Anwalt einschalten und die Herstellerfirma verklagen werde. Edelbert nickt eifrig und zückt sein strahlendes Handtelefon, um meinen ehemaligen Studienkollegen Thomas Kronach im grossen Apfel zu kontaktieren. Nach wenigen Augenblicken habe ich den Rechtsanwalt an der Strippe und lasse die Geschehnisse in allen Einzelheiten Revue passieren. Thomas freut sich und bestätigt, dass er gleich das Partnerbüro der Rechtsanwaltkanzlei "Pruzansky & Besunder" in Los Angeles anrufen wird - das ist phantastisch. 
11.30 Uhr Redlichst gestärkt verabschieden wir uns vom Menetscher und ziehen es vor, bei einem ausgedehnten Spaziergang zur Ruhe zu kommen. Wir schlendern plaudernd zur Hafenanlage und kommen zu dem Schluss, dass es wohl nicht möglich ist, mit dem Auto nach Naples zurück zu fahren. Ich blicke traurig zu Boden und gebe zu verstehen, dass wir uns schnellstmöglich um einen Flug bemühen und am Samstag nach Florida ausfliegen sollten. Edelbert gibt mir Recht und lotst mich ins Italienlokal "Alioto's" an der Fisherman's Wharf. 
12.00 Uhr Wir lassen uns an einem Tisch mit Ausblick nieder und ordern bei einem beschürzten Kellner vitaminreiche Biere sowie "Swordfish Steaks" (löblich: Schwertfisch Schnitzel) mit Gemüse und Knoblauchbrot. Nebenbei streichle ich Dixon übers Köpfchen und bitte den Italiener, etwas angebratenen Speck sowie frisches H²O für meinen treuen Begleiter aufzufahren - immerhin soll das Haustier nicht zu kurz kommen. 
12.30 Uhr Als die Mahlzeit endlich serviert wird, beissen wir kraftvoll zu und schauen auf das glitzernde Wasser. Trotz der prima Aussicht gebe ich mich deprimiert und erkläre, dass ich mir den Aufenthalt an der Westküste der Vereinigten Staaten etwas anders vorgestellt habe. Der Professor winkt demonstrativ ab und antwortet, dass wir für den Brand in der Tiefgarage Gott sei Dank nicht zur Rechenschaft gezogen werden können - wie wahr. Ferner verspricht mein Bekannter, dass Thomas Kronach die richtigen Schritte in die Wege leiten und uns ab Morgen behilflich sein wird.
13.15 Uhr Nachdem wir aufgegessen haben, laufen wir auf Schustern Rappen zum Hotelkomplex zurück. Als wir die Hotellobby betreten und den Lift rufen, winkt uns Herr Harris plötzlich in sein Büro. Wir kommen der Einladung anstandslos nach und werden von zwei sonnenbebrillten Anzugträgern begrüsst, die sich uns als FBI Agenten aus der Zweigstelle Oakland vorstellen. Der Wortführer hält mir seinen Ausweis unter die Nase und möchte wissen, ob ich Sprengstoffe, leicht brennbare, chemische und toxische Stoffe oder sogar giftige Substanzen im ausgebrannten JEEP mitgeführt habe. Ich wische mir den Angstschweiss von der Stirn und gebe wahrheitsgemäss zu Protokoll, dass ich ein seriöser Rentner mit Prinzipien bin und keiner kriminellen Terrorgruppe angehöre. Mein Gegenüber macht sich am laufenden Band Notizen und erkundigt sich, ob ich während der letzten Wochen Kontakt zu arabischstämmigen und/oder afrikanischen Immigranten hatte. Auch diese Frage verneine ich und merke an, dass ich mit dem Scherriff des Collier County bestens befreundet bin.
14.00 Uhr Nach einer Dreiviertelstunde reicht mir der Beamte die Hand und teilt mir auf Anfrage mit, dass seine Behörde weitere Ermittlungen gegen meine Person mit sofortiger Wirkung einstellt. Zu guter Letzt sehe ich mich genötigt, ein Schriftstück zu unterzeichnen und meine Adresse samt Telefonnummer im Sonnenscheinstaat Florida preiszugeben. 
14.30 Uhr Nachdem die FBI Leute verschwunden sind, überreicht mir der Menetscher ein weiteres Dokument und animiert mich, das Pamphlet abzusegnen. Weil ich stets über alles informiert sein will, lese ich das Kleingedruckte wissbegierig durch und bemerke, dass ich mit meiner Unterschrift der Rechtsabteilung der "Sheraton Hotelgruppe" die Erlaubnis erteile, mit meinem Versicherungsträger über die Schadensregulierung zu verhandeln - das soll mir auch Recht sein. 
15.15 Uhr Völlig mit den Nerven am Ende fahren wir mit dem Aufzug nach oben und freuen uns auf eine kleine Pause in den Hotelzimmern. Edelbert wünscht mir einen angenehmen Nachmittag und kündigt an, dass er mich gegen 17 Uhr zum Abendessen abholen wird - wie schön. Ich lasse die Türe krachend ins Schloss fallen und lege mich neben Dixon aufs Bett, um mich von den Strapazen zu erholen - das tut gut. 
16.15 Uhr Ich öffne die Augen und mache mich daran, die Festnetznummer der Kinder ins Tastenfeld der Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) einzutippen. James nimmt das Telefonat nach dem vierten Klingeln an und schimpft, weil es in Deutschland bereits 1 Uhr geschlagen hat. Weil ich mich um alles kümmern kann, falle ich dem Buben ins Wort und erzähle, dass ich gerade einen Albtraum erlebt habe. Mein löblicher Verwandter kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus und erkundigt sich, ob bei der Explosion auch Menschen zu Schaden gekommen sind. Ich beruhige den jungen Mann und berichte, dass nach Aussagen der Brandermittler lediglich vier geparkte PKW und der verrostete Drahtesel des Hausmeisters zerstört wurden. James ist froh und sagt, dass ich sicherheitshalber einen erfahrenen Anwalt zu Rate ziehen sollte. 
17.00 Uhr Just als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 5 zugeht, klopft Edelbert an die Türe und lädt mich zu einem opulenten Abendessen ein. Ich folge meinem Bekannten an die frische Luft und vernehme, dass wir den stressigen Tag im "Hollywood Cafe" ausklingen lassen und einen über den Durst trinken werden - das ist die beste Nachricht überhaupt. Zufrieden unternehmen wir einen Spaziergang entlang der North Point Strasse und fassen den Entschluss, unseren Aufenthalt in San Franzisko bis zum Samstag auszudehnen und dann nach Florida zurückzufliegen. Der Professor hat sich bereits im Internetz schlau gemacht und sagt, dass wir die Nachmittagsmaschine nehmen und innerhalb von nur 6 Stunden im Sonnenscheinstaat sein werden. HEUREKA - ich kann es kaum noch erwarten, mich im Willoughby Drive zu erholen. 
17.30 Uhr Kurze Zeit später werden wir von einem freundlichen Kellner begrüsst, der uns zu einem einladenden Tisch im hinteren Teil der Gaststätte führt. Wir bestellen köstliche Hamburger mit Kartoffelstäben und Krautsalat und entscheiden uns zudem für einen Pitcher (löblich: Krug) Budweiser. Während der Vierbeiner unter dem Tisch alle Viere von sich streckt, stossen wir mit den Gläsern an und bestaunen die Photografien an der Wand, die wertbekannte Persönlichkeiten wie Marilyn Monroe, James Dean und Elvis Presley zeigen - da kommt Freude auf. 
18.15 Uhr Als wir einen weiteren Krug in Auftrag geben, schellt die Schwarzbeere und ich habe Thomas Kronach dran. Mein Bekannter aus New York begrüsst mich überschwänglich und sagt, dass er soeben mit 21CENTURY telefoniert und einen Kollegen beauftragt hat, morgen im "Sheraton Fisherman's Wharf Hotel" vorstellig zu werden. Weiter höre ich, dass mich ein gewisser Herr Balakrishnan gegen 10 Uhr zum Frühstück treffen möchte. Ich stimme prompt zu und gebe das Versprechen ab, selbstverständlich für alle anfallenden Kosten aufzukommen. Der Rechtsanwalt will von alledem nichts wissen und wirft ein, dass wir am Wochenende Klage gegen den Batteriehersteller bzw. den Chrysler Konzern einreichen und womöglich bald im Geld schwimmen werden - wie aufregend. 
19.00 Uhr Nachdem wir den Abend mit hausgemachtem Kirschkuchen abgerundet haben, machen wir uns auf den Heimweg. Erheitert laufen wir durch das nächtliche San Franzisko und registrieren, dass im Parkhaus des Hotels immer noch fleissige Arbeiter damit beschäftigt sind, Wasserlachen aufzuwischen und Dreck in einen bereitgestellten Container zu verfrachten. Seufzend inspiziere ich den Schrott und erkenne in der schwarzen Asche mein ehemaliges KFZ Kennzeichen - wie traurig. 
19.30 Uhr Ich wünsche dem Professor eine gute Nacht und schliesse dann die Türe. Danach entspanne ich mich bei einer heissen Dusche und gehe zeitig ins Bett, um beim Fernsehschauen auf andere Gedanken zu kommen. Nach kurzer Suche bleibe ich auf dem Bezahlsender HBO hängen und folge dem nervenaufreibenden Kriminalfilm "The Italian Job" (löblich: Die italienische Arbeit) mit Mark Wahlberg und Scharlies Tieron in den Hauptrollen - da kommt Spannung auf. 
21.00 Uhr Als nach neunzig Filmminuten der Abspann läuft, betätige ich den "OFF" (löblich: AUS) Knopf und schlafe bald ein. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 07.10.2010
© Reinhard Pfaffenberg