Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

01.10.2010

07.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und habe gar keine Orientierung. Um einen Überblick zu erlangen, ziehe ich die Vorhänge auf und bestaune die prächtigen Rocky Mountains. Seufzend streiche ich Hund Dixon übers krause Fell und gebe bekannt, dass wir heute das Gebirge hinter uns lassen und nach Nevada weiterfahren werden.
08.00 Uhr Nachdem ich Edelbert kontaktiert und klargestellt habe, dass wir uns gegen 9 Uhr am Auto treffen sollten, nehme ich ein löbliches Vollbad. Unterdessen stelle ich Dank neuer Bluetooth (löblich: Blauzahn) Technik die Internetzverbindung her und segle mit dem Netzbuch (unlöblich: Netbook) auf maps.google.com. Mit flinken Fingern tippe ich den Begriff "Salt Lake City" in die Auswahlzeile und bemerke, dass es uns wohl nicht möglich sein wird, bis zum Abend nach Reno zu gelangen. Ich überlege kurz und fasse den Entschluss, dass wir heute bis nach Winnemucca fahren sollten. Ausserdem lerne ich, dass die Stadt im Humboldt County einst Schauplatz eines Banküberfalls war, der als "Wild Bunch" (löblich: Wilder Haufen) in die Geschichte einging. Als Westernfilmexperte weiss ich, dass die Revolverhelden Butch Cassidy und Sundance Kid am 19. September 1900 nach Winnemucca kamen, um die örtliche Bank um viel Geld zu erleichtern.
09.00 Uhr Pünktlich auf die Minute treffe ich am JEEP ein und werde Zeuge, wie der Professor eine Öllache neben dem Auto inspiziert. Meine Reisebegleitung macht grosse Augen und unkt, dass möglicherweise die Ölwanne ein Leck hat. Um auf Nummer sicher zu gehen, hüpfe ich hinters Lenkrad und steuere spornstreichs eine CHEVRON Tankstelle an. Der freundliche Tankwart nimmt sich unserer Probleme an und kommt prompt zu dem Schluss, dass das KFZ bestens in Schuss ist - das will ich hoffen.
09.30 Uhr Als nächstes kehren wir in eine Denny's Gaststätte am West Temple Boulevard ein und laben uns an vitaminreichen Spezialitäten. Dazu trinken wir köstlichen Bohnentrunk und kommen ganz spontan mit einem Geschäftsreisenden aus Detroit, MI ins Gespräch. Der nette Mann am Nebentisch stellt sich uns als Herr William Cook (55) vor und erzählt, dass er am Nachmittag mit einem einflussreichen Mormonenführer zusammentreffen wird, um ein Bauvorhaben am Nordufer des "Great Salt Lake" (löblich: grosser Salzsee) in trockene Tücher zu bringen. Ich schnalze demonstrativ mit der Zunge und berichte, dass mein Bruder ebenfalls in der Baubranche tätig ist. Als ich den Namen Georg Pfaffenberg ins Spiel bringe, klopft sich mein Nebenmann lachend auf die Schenkel und berichtet, dass er meinen Bruder gut kennt - das ist ja kaum zu glauben.
10.15 Uhr Nachdem wir aufgegessen und Herrn Cook gute Geschäfte gewünscht haben, machen wir uns auf den Weg in den goldenen Westen. Ich trete das Gaspedal bis zum Anschlag durch und höre, dass wir in zwei Stunden die Staatsgrenze nach Nevada überqueren und unsere Uhren um eine Stunde zurückstellen müssen - wie aufregend. Edelbert tippt auf seine TIMEX Armbanduhr und meldet, dass Nevada genauso wie Kalifornien, Oregon und Washington in der sogenannten "Pacific Time Zone" (löblich: Pazifische Zeitzone) liegt.
11.00 Uhr Just als wir auf der Interstate 80 unterwegs sind und unsere Blicke über die Wüstenlandschaft schweifen lassen, stockt plötzlich der Motor. Um schlimmeres Unheil abzuwenden, fahre ich rechts ran und mache es mir zur Aufgabe, die Motorhaube zu öffnen und nach dem Rechten zu sehen. Bei angenehmen 77°F (25°C) nehme ich den Ölstab sowie die Kühlflüssigkeit in Augenschein und erkenne, dass weder Schmierstoff noch Wasser nachgefüllt werden müssen - wie merkwürdig. Weil wir in der Steppe keine Hilfe erwarten können, fahren wir trotz des stotternden Motors weiter und halten nach einer Tankstelle Ausschau.
11.45 Uhr Kurz vor der Staatsgrenze werden wir endlich fündig und bitten den Tankstellenbetreiber, uns behilflich zu sein. Der schmächtige Mann legt seine Zeitung beiseite und kriecht unter den JEEP, um die Ölwanne auf Schäden zu überprüfen. Ferner inspiziert der Fachmann die elektronischen Leitungen und ersetzt sicherheitshalber die Zündkerzen. Nach wenigen Minuten ist das Werk vollbracht und wir sehen uns genötigt, 70 Dollars zu blechen. HEUREKA - wenn das so weitergeht, werde ich bald ins Armenhaus umziehen müssen.
12.15 Uhr Kurz nach dem Mittagsläuten lasse ich den PS-strotzenden Motor aufheulen und stelle fest, dass das Auto wie ein Kätzchen schnurrt - wie schön. In einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt rasen wir am Willkommensschild des "Silver States" (löblich: Silberstaat) vorbei und freuen uns, ein Drittel der heutigen Tagesetappe geschafft zu haben. Edelbert knipst Photos am laufendem Band und sagt, dass wir uns glücklich schätzen können, einen erfahrenen Mechaniker getroffen zu haben - wie wahr.
12.00 Uhr Während ich mir ein Thunfischsandwich zu Gemüte führe und dem Radioprogramm von K-BULL 98,1 aus Reno, NV lausche, prescht plötzlich eine schwarze CORVETTE mit überhöher Geschwindigkeit an uns vorbei. Edelbert pfeift laut und erzählt, dass am Steuer ein super Hase sass. Ich werfe dem Professor skeptische Blicke zu und weise darauf hin, dass ich mir aus wasserstoffblonden Flittchen nichts mache. Der schlaue Mann schwärmt in den höchsten Tönen und sagt, dass wir in der Spielerstadt Reno ein Oben-Ohne-Lokal besuchen und ordentlich abfeiern könnten - wie unlöblich.
13.00 Uhr Während das Thermometer immer weiter steigt, kommen wir an der Kleinstadt Wells vorbei und lesen auf einer überdimensionalen Werbetafel, dass interessierte Reisende in der Gemeindehalle die Möglichkeit haben, an einem Vorsingwettbewerb teilzunehmen. Ich komme aus dem Kopfschütteln gar nicht mehr heraus und erkläre, dass wir viel zu alt sind, um im Schaugeschäft Fuss zu fassen. Edelbert vertritt die gleiche Meinung und sagt, dass es gescheiter wäre, uns bei der nächsten Ausgabe von "American Idol" (löblich: Amerikanisches Idol) zu bewerben und im landesweiten Fernsehen ein zünftiges Gstanzl vorzutragen - wie aufregend.
13.45 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, eine Pause einzulegen und Dixon etwas Auslauf zu verschaffen. Ich drossle die Geschwindigkeit und komme unweit des "Elko Regionalflughafens" auf einem Rastplatz zum Stehen. Während Prof. Kuhn im Auto verweilt, um einen elektronischen Brief an Admiral a.D. Bürstenbinder zu verfassen, vertrete ich mir die Füsse und schaue auf die verstaubte Landebahn des angrenzenden Kleinflughafens. Hund Dixon steckt währenddessen seine Nase in den trockenen Sand und macht sich ausserdem daran, einen gefährlichen Skorpion aufzuschrecken - wie unlöblich. Um nicht ins Bein gebissen zu werden, zerre ich den Vierbeiner zum Auto und lasse Edelbert wissen, dass man hier seines Lebens nicht sicher ist. Missmutig lasse ich den Wählhebel der Automatikschaltung in der "D" Stellung einrasten und fahre mit durchdrehenden Reifen davon. 
14.30 Uhr Während die Sonne für Rekordtemperaturen sorgt, macht sich mein Bekannter im Internetz schlau und bestätigt, dass wir am Abend in Winnemucca übernachten und morgen nach Reno weiterfahren könnten. Bei dieser Gelegenheit ruft der gute Mann die Heimseite der renommierten "Harrah's" Hotelkette auf und sagt, dass dies Unternehmen mit günstigen Wochenendpauschalen wirbt. Weil etwas Ruhe nicht schaden kann, frage ich genauer nach und vernehme, dass ein schickes Doppelzimmer vom Samstag bis Montag lediglich 99 Dollars kosten soll. Mein Bekannter macht sogleich Nägel mit Köpfen und verspricht, mich zu zwei Übernachtungen einzuladen - wie schön.
15.30 Uhr Kurz vor dem Ziel schellt meine Schwarzbeere besonders aggressiv und ich habe Sandras Stimme im Ohr. Das Kind kommt augenblicklich auf den Grund seines Anrufs zu sprechen und sagt, dass derzeit ein trunksüchtiger Italiener (29) im Gästezimmer logiert. Meine Mieterin will sich gar nicht mehr beruhigen und schimpft, weil der Heini sehr frech ist und sogar meiner Katze Jenny auf den Schwanz getreten ist. Stinksauer falle ich Sandra ins Wort und fordere sie mit Nachdruck auf, den Gammler sofort vor die Türe zu setzen. Die Maid meldet jedoch Bedenken an und behauptet, dass es kein leichtes Unterfangen wird, den übergewichtigen Mann zur Abreise zu bewegen. Um weiteres Unheil abzuwenden, beende ich das Telefonat und rufe bei James im Nachbarhaus an. Mein löblicher Neffe nimmt das Gespräch nach dem zweite Klingeln an und sichert zu, sofort nach dem Rechten zu sehen und Sandra beizustehen - wie beruhigend.
16.15 Uhr Wenig später passieren wir das Willkommensschild der 8.000 Einwohner zählenden Gemeinde Winnemucca. Edelbert hat sich im Internetz über das örtliche Motelangebot informiert und lotst mich gekonnt zum DAYS INN. Dort angekommen, hüpfe ich vom Ledersitz und zögere nicht, meine Reisetasche zur Rezeption zu schleppen und die praktische Kreditkarte vorzuzeigen. Die kleine Frau am Empfang heisst uns herzlich Willkommen und möchte wissen, ob wir länger bleiben wollen. Ich schüttle entschieden den Kopf und antworte, dass wir ihre Gastfreundschaft für eine Nacht in Anspruch nehmen und morgen früh nach Reno weiterfahren werden. Frau Linda schenkt mir ein Lächeln und überreicht mir freundlicherweise zwei Schlüsselkarten - das klappt wieder wie am Schnürchen. 
16.45 Uhr Ich stosse die Türe zu meinem Zimmer auf und falle sogleich aufs bequeme Bett. Leider zerrt mich Hund Dixon am Hosenbein und bettelt um eine Trockenfuttermahlzeit. Selbstverständlich komme ich meinen Pflichten anstandslos nach und vergesse auch nicht, frisches H²O bereitzustellen. Während sich das Haustier auf die wohlverdiente Jause stürzt, schliesse ich die Augen und schlummere bald ein, um von meiner Reise nach Las Vegas Im Mai 2003 zu träumen. 
17.45 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und fühle mich blendend. Um nicht noch mehr Zeit zu vergeuden, klopfe ich am Nebenzimmer an und gebe dem Professor zu verstehen, dass es viel zu erleben gibt. Edelbert öffnet zuvorkommend die Pforte und präsentiert sich in einer modischen WRANGLER Tschiens und einem karierten Holzfällerhemd. Zudem setzt der schlaue Mann seinen schwarzen Cowboyhut aus der STETSON Manufaktur auf und sagt, dass er jetzt einem echten Kuhjungen zum verwechseln ähnlich sieht. Ich stimme zu und gebe zu Protokoll, dass nur noch Pferd und Lasso fehlen. Wir verlassen lachend das Motel und eilen mit schnellen Schritten zur benachbarten "Griddle" (löblich: Schüttelsieb) Wirtschaft, um Spezialitäten vom Grill und kühle Biere zu bestellen. 
18.15 Uhr Während wir an einem Holztisch sitzen und kraftvoll zubeissen, plaudern wir mit einer Kellnerin namens Stacy und bringen heraus, dass Winnemucca viele Sehenswürdigkeiten bereithält. Die 23jährige reibt sich die Hände und sagt, dass es hier nicht nur Casinos, sondern auch ein Automuseum gibt, das an der Westküste seines gleichen sucht. Ausserdem kommt das Mädchen auf das "Humboldt County Museum" zu sprechen und betont, dass man dort sogar ein Mammut Skelett aus nächster Nähe bestaunen kann - wie langweilig. Im Gegenzug frage ich nach dem "Wild Bunch" und erkundige mich, ob man die Bank besichtigen kann, die einst von Butch Cassidy und Sundance Kid überfallen wurde. Fräulein Stacy blickt traurig zu Boden und erzählt, dass besagtes Gebäude vor vielen Jahren einem Möbelgeschäft weichen musste - das ist wieder typisch. 
19.00 Uhr Nachdem wir uns gestärkt haben, unternehmen wir einen ausgedehnten Gassigang durch das historische Zentrum. Wir schlendern bei angenehmen Temperaturen durch die Strassen der Stadt und animieren Dixon, sein Beinchen zu heben und die Blumenkübeln zu bewässern - da kommt Freude auf. 
20.00 Uhr Gegen 8 Uhr Abends sind wir endlich wieder im Motel und freuen uns auf eine ruhige Nacht. Ich reiche dem Professor zum Abschied die Hand und ziehe mich dann auf mein Zimmer zurück, um den Tag bei hunde- und rentnergerechten Fernsehformaten ausklingen zu lassen. Weil ich stets über alles informiert sein will, fröne ich einer Nachrichtenschau auf CNN und erfahre Neuigkeiten aus der Welt der Politik. Danach wähle ich den Bezahlsender HBO aus und folge dem nervenaufreibenden Kriminalfilm "Psycho". Die Alfred Hitchcock Verfilmung aus dem Jahre 1960 erzählt aus dem Leben des Motelbesitzers Norman Bates, der augenscheinlich nicht alles Tassen im Schrank hat.
21.30 Uhr Ein anstrengender Tag geht zu Ende und ich verschliesse die Türe besonders sicher. Nachdem ich auch im Badezimmer nach dem Rechten gesehen und den Duschvorhang zur Seite gezogen habe, lege ich mich schlafen. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 01.10.2010
© Reinhard Pfaffenberg