21.09.2010
07.15 Uhr Mein lustiges Haustier hüpft ausgelassen ins Bett
und begrüsst mich überschwänglich. Ich öffne die Augen und erkläre dem
Mischling, dass wir es heute etwas ruhiger angehen lassen werden. Dixon
wendet sich ab und rennt spornstreichs zur Türe, um an der
rustikalen Holzeinfassung zu kratzen - da kommt Freude auf.
07.30 Uhr Bevor wir einen Spaziergang unternehmen, entspanne ich
mich bei einer Dusche. Während ich mich ordentlich wasche und rasiere,
lausche ich der Radiomusik eines ortsansässigen Senders und bemerke,
dass man in diesen Breitengraden von moderner Landmusik nicht viel hält.
Anstatt
Kenny Chesney oder
George Strait
zu spielen, ziehen es die Moderatoren vor, Schellackplatten aus den
1950er Jahren aufzulegen und die Zuhörer mit Patsy Cline, Tex Ritter und
Grandpa Jones Schlägen (unlöblich: Hits) zu verwöhnen.
08.15 Uhr Nachdem ich meinen Cowboyhut aufgesetzt habe und in
die Kuhjungenstiefel aus echtem Schlangenleder geschlüpft bin, werfe ich
meine Habseligkeiten in die Reisetasche. Weil wir vor der Weiterfahrt
einen Bummel durch Nashville machen wollen, klopfe ich an Edelberts
Zimmertüre und bitte um Einlass. Der Professor öffnet laut gähnend und
erklärt, dass er sich wegen der lärmenden Nachbarn Watte in die Ohren
gestopft hat - wie unlöblich. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln,
tippe ich auf meine wertvolle ROLEX und animiere Edelbert, endlich in
die Gänge zu kommen.
08.45 Uhr Während mein Bekannter ausgiebig duscht, vertrete ich
mir auf dem Hof die Füsse. Ausserdem ermutige ich Dixon, sein Beinchen
an einem parkenden Lastkraftwagen zu heben. Der Hund kommt meinem
Vorschlag mit grosser Freude nach und hinterlässt am monströsen
Vorderreifen eine ansehnliche Lache.
09.15 Uhr Endlich schleppt Edelbert seinen Koffer aus der
Motelanlage. Wie es sich gehört, verfrachten wir das Gepäck auf die
Ladefläche des JEEPS und vereinbaren, dass wir das Frühstück in der
Innenstadt einnehmen sollten.
09.30 Uhr Nachdem wir die Schlüsselkarten zum Empfang gebracht
haben, krusen wir hupend vom Parkplatz und schlängeln uns durch den
dichten Vormittagsverkehr. Da ich Nashville in der Vergangenheit bereits
mehrmals besucht habe, fällt es mir nicht schwer, auf den Highway 40
aufzufahren und meine Begleiter in Windeseile zum "Parthenon" am
Cenntential Park zu kutschieren. Unterdessen plaudere ich aus den
Nähkästchen und zeige auf, dass
James im November ebenfalls nach Nashville kommen wird, um ein neues Studioalbum mit seiner Combo "Northstar" einzuspielen.
10.00 Uhr Wir kommen mit quietschenden Bremsen vor dem Prachtbau
im Herzen der Metropole zum Stehen und freuen uns, die einzigen
Touristen zu sein, die sich das Parthenon aus nächster Nähe anschauen
wollen. Voller Vorfreude lotse ich Edelbert durch die gepflegte
Grünanlage und belehre, dass die Stadt seit 1897 eine massstabsgetreue
Replik des Athener Tempels für die Stadtgöttin Pallas Athena besitzt.
Der Professor macht grosse Augen und zückt prompt seine Digitalkamera,
um das Gebäude abzulichten.
10.30 Uhr Um nicht verhungern zu müssen, kehren wir zum Auto
zurück und schicken uns an, nach einer einladenden Gaststätte Ausschau
zu halten. Nach kurzer Suche werden wir fündig und kehren in ein Deli
namens "Hog Heaven" (löblich: Schweine Himmel) ein. Während Dixon im
JEEP zurückbleibt und mit einer Portion Trockenfutter Vorlieb nehmen
muss, laben wir uns an gegrillten Schweinelenden, brühfrischem
Bohnentrunk und hausgemachtem Cornbread (löblich: Maisbrot) - das
schmeckt. Edelbert ist jedoch gar nicht begeistert und behauptet, dass
er auf seinen Cholesterinspiegel achten und nicht zu fett essen sollte -
papperlapapp. Als Gesundheitsexperte falle ich dem Mann ins Wort und
entgegne, dass Fleisch sehr gesund ist.
11.00 Uhr Nach der reichhaltigen Mahlzeit hüpfen wir in den
PS-strotzenden Geländewagen und fahren gemächlich in Richtung Norden
davon. Unter anderem passieren wir die "Tennessee State University" und
werden Zeugen, wie unzählige Studenten auf dem Campus herumlungern.
Edelbert greift sich demonstrativ an die Stirn und gibt zu Protokoll,
dass die
langhaarigen Gammler nur Unzucht und Drogen im Kopf haben – wie wahr.
11.45 Uhr Kurz vor der Mittagszeit lassen wir die
Musikhauptstadt der USA hinter uns und preschen gen St. Louis weiter.
Prof. Kuhn programmiert fachmännisch das GARMIN
Navigationssystem und lässt mich wissen, dass wir bis zum Abend
300 Meilen schaffen müssen. Ich winke demonstrativ ab und gebe vor, dass
wir die Strecke in fünf Stunden zurücklegen werden. Um für gute
Stimmung zu Sorgen, aktiviere ich das Radiogerät und stelle die Frequenz
eines in Murray, KY beheimateten Landmusiksenders ein. Auf
"Froggy 103"
erfahren wir Interessantes und hören, dass das Hitparadensternchen
Miranda Lambert morgen in besagter Kleinstadt einen Zwischenstopp
einlegen und auf Mr. Earls Bauernhof ein freies Konzert (unlöblich: Free
Concert) spielen wird. Ferner ruft der Radiosprecher alle Landwirte
auf, die Gelegenheit beim Schopf zu packen und der jährlich
stattfindenden Schweinemastausstellung im Gemeindesaal beizuwohnen. Ich
komme aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und gebe Edelbert zu
verstehen, dass die Leute hier im Süden offensichtlich gerne
Schweinefleisch essen.
12.30 Uhr Wenig später überqueren wir die Staatsgrenze nach
Kentucky und haben das grosse Glück, direkt durch einen wunderschönen
Staatspark namens "Land between the Lakes" fahren zu dürfen. Der
Professor deutet fasziniert auf die mit Wildem Wein umwucherten Bäume
und unterbreitet, dass das "Land zwischen den Seen" zu den schönsten
Jagdrevieren der Vereinigten Staaten zählt - das soll mir auch Recht
sein. Ausserdem erläutert der schlaue Mann, dass im Osten das "Fort
Campbell" zu finden ist. Um mir einen genaueren Einblick zu gewähren,
tippt Edelbert den Begriff ins Netzbuch (unlöblich: Netbook) ein und
zitiert, dass auf besagtem Militärstützpunkt die 101. Luftlandedivision
der United States Army beheimatet ist. Wie jedes Kind weiss, landete
diese Brigade am 5. Juni 1944 in der Normandie, um Süddeutschland und
den Obersalzberg einzunehmen - das ist phantastisch.
13.30 Uhr Nach einer eineinhalbstündigen
Hochgeschwindigkeitsfahrt verlasse ich die Interstate 24 und steuere
eine MOBIL Tankstelle an. Während Edelbert in die Hände spuckt und 20
Gallonen Premiumbenzin in den Tank laufen lässt, drehe ich eine Runde
mit dem Vierbeiner. Hund Dixon streift durchs hohe Gras und zerrt mich
zur angeschlossenen KFZ Werkstatt. Ein ölverschmierter Heini heisst mich
herzlich Willkommen und lotet aus, ob mein Auto defekt ist. Ich
schüttle entschieden mit dem Kopf und antworte, dass ich lediglich das
Haustier Gassi führe. Mein Gegenüber streicht dem Racker übers Köpfchen
und erkundigt sich, wohin mich die Reise führt. Selbstverständlich stehe
ich dem Arbeiter Rede und Antwort und berichte, dass wir am Wochenende
in Vermillion, SD erwartet werden. Herr Christopher (44) zieht die
Augenbrauen hoch und meint, dass noch ein langer Weg vor uns liegt - wie
wahr.
14.00 Uhr Gutgelaunt setzen wir die Reise fort und rasen mit 65
Meilen pro Stunde am "Shawnee National Forest" (löblich: Shawnee
Nationalforst) vorbei, der für seine üppige Vegetation bekannt ist und
von den Menschen als "Garden Of The Gods Wilderness" (löblich: Garten
der Götter) bezeichnet wird. HEUREKA - diese Idylle muss man gesehen
haben.
15.00 Uhr Nachdem wir den "Rend Lake" hinter uns gelassen haben,
fahre ich auf die Interstate 64 und kann es gar nicht mehr erwarten, in
90 Minuten in St. Louis anzukommen. Der Professor streift derweil
durchs weltweite Internetz und schlägt vor, dass wir im
"Comfort Inn & Suites"
am Flughafen unser Nachtlager aufschlagen könnten. Weil diese Herberge
mit unschlagbaren Rabatten lockt, zeige ich mich einverstanden und bitte
meinen Beifahrer, sofort anzurufen und zwei Zimmer zu buchen - das
klappt wieder wie am Schnürchen.
16.00 Uhr Sechzig Minuten später schieben sich plötzlich dunkle
Regenwolken vor die Sonne und ein ergiebiger Schauer geht nieder. Ich
sehe mich genötigt, die Nebelscheinwerfer einzuschalten und die
Scheibenwischanlage auf die höchste Stufe einzustellen. Ferner moniere
ich mehrmals, dass es kein Vergnügen ist, bei diesem Sauwetter auf einer
starkbefahrenen Autobahn unterwegs zu sein.
16.30 Uhr Just als es auch noch zu blitzen anfängt, kommen wir
vor dem "Comfort Inn & Suites" am Pontiac Drive zum Halten und
erkennen anhand des Anschlags an der Rezeption, dass wir uns hier im
Bundesstaat Illinois befinden. Der nette Mann hinter dem Tresen wünscht
uns einen guten Abend und bestätigt, dass wir das Zentrum innerhalb
weniger Autominuten erreichen können – wie schön. Weil ich mich vor
Müdigkeit kaum mehr auf den Beinen halten kann, überreiche ich dem
Knecht meinen Führerschein und lasse verlauten,
dass wir zwei Zimmer reserviert haben. Der freundliche Herr schenkt uns
ein Lächeln und rückt auch gleich zwei Schlüsselkarten heraus.
17.00 Uhr Da man bei diesem Wetter nicht einmal einen Hund vor
die Türe jagt, ziehen wir uns in unsere Juniorsuiten zurück und fassen
den Entschluss, in einer Stunde zum Wahrzeichen der Stadt, dem "Gateway
Arch" (löblich: Ausfallbogen), zu krusen. Um endlich etwas Ruhe zu
bekommen, schleudere ich meine Kuhjungenstiefel in die Ecke und gönne
mir eine wohlverdiente Pause auf dem bequemen Bett. Hund Dixon leistet
mir Gesellschaft und rollt sich brav auf der Federkernmatratze ein.
18.00 Uhr Ich werde durch ohrenbetäubendes Klopfen geweckt und
finde den Professor an der Pforte vor. Meine Reisebegleitung strahlt wie
ein Honigkuchenpferd und sagt, dass er Hunger hat und eine warme
Mahlzeit vertragen könnte. In freudiger Erwartung eilen wir zum JEEP und
preschen in Richtung Innenstadt davon. Als sich nach wenigen Meilen das
imposante "Tor zum Westen" vor uns auftut, staunen wir nicht schlecht
und parken direkt am mächtigen Mississippi River. Mit Hund Dixon im
Schlepptau spazieren wir zum "Jefferson National Expansion Memorial"
(löblich: Gedenkstelle zur nationalen Erweiterung durch Jefferson) und
bringen heraus, dass es Thomas Jefferson im Jahre 1803 gelang, 2,1
Millionen Quadratkilometer Land für 15 Millionen Dollars den Franzosen
abzuluchsen. Dieses Grundstückgeschäft verdoppelte die damalige Fläche
der USA und sorge dafür, dass viele Farmer gen Westen zogen und in
Louisiana oder in Missouri ihr Glück versuchten. Um diesen geschickten
Schachzug nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, beschloss Präsident
Franklin D. Roosevelt im Jahre 1933, ein Denkmal namens "Gateway Arch"
errichten zu lassen - das ist super.
18.45 Uhr Nachdem wir unzählige Photos geknipst haben,
schlendern wir zum Robert E. Lee Steamboat (löblich: Dampfer) und kehren
in die schiffseigene Gaststätte ein. Wir lassen uns entspannt an einem
Tisch mit Ausblick auf den Fluss nieder und ordern bei einem Kellner
süffige Budweiser sowie eine Schüssel H²O für Dixon. Ausserdem laben wir
uns an gegrillten Flusskrebsen mit vitaminreichen Bandnudeln, die nach
Auskunft des Obers sogar hausgemacht sind - schmeckt gar nicht
schlecht.
19.45 Uhr Nach Kaffe und Käsekuchen bezahlen wir die Zeche in
Bar und verabschieden uns redlichst. Bei angenehmen Temperaturen kehren
wir zum Motel zurück und freuen uns auf einen
rentnergerechten Fernsehabend. Ich wünsche Edelbert eine angenehme Nacht und werfe dann die Zimmertüre ins Schloss.
20.30 Uhr Frisch geduscht lege ich mich ins Bett und drücke auf
den "ON" (löblich: AN) Knopf der neumodernen Fernbedienung, um einer
Nachrichtenschau auf FOX beizuwohnen. Weil ausnahmsweise keine
brechenden Neuigkeiten (unlöblich: Breaking News) vorliegen, schalte ich
auf ABC um und lasse bei der Seifensendung "General Hospital" (löblich:
Allgemeinkrankenhaus) die Seele baumeln.
21.15 Uhr Nach fünfundvierzig Minuten habe ich genug gesehen und
lösche das Licht. Ich ziehe mir die Bettdecke über die Nasenspitze und
schlummere bald ein, um von weiteren Abenteuern auf dem Weg nach Westen
zu träumen. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 21.09.2010
©
Reinhard Pfaffenberg |
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