Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

18.07.2008

07.00 Uhr Mein praktischer Weltempfänger geht an und weckt mit wunderschöner Waylon Jennings Musik. Während der bekannte Vertreter der amerikanischen Landmusik seinen Nummer 1 Hit "Good Ol' Boys" (löblich: Gute Alte Burschen) aus dem Jahre 1975 vorträgt, springe ich aus dem Bett und stelle fest, dass mein siebenwöchiger Floridaaufenthalt wie im Flug vergangen ist. Laut seufzend reibe ich mir den Schlaf aus den Augen und beginne den Tag mit der Gymnastik auf der Veranda - wer rastet, der rostet. 
07.30 Uhr Nachdem ich meine Muskeln gestählt und ein Glas Orangensaft getrunken habe, verfrachte ich meine Habseligkeiten in den DELSEY Rollkoffer und beziehe das Bett mit einem frischen Laken. Just als ich die Bettdecke aufschüttle, klingelt plötzlich meine Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry). In Erwartung eines Werbeanrufs greife ich zum Hörer und staune nicht schlecht, als ich die Stimme meines Bruders höre. Georg kommt aus dem Plappern gar nicht mehr heraus und erzählt, dass er gerade am "Lester B. Pearson Flughafen" sitzt und um halb neun von Toronto nach Boston ausfliegen wird. Als ich mir weiterführende Infos erbete, teilt mir der Gute mit, dass er sich mit Geschäftsleuten treffen und einen Vorvertrag über den Bau mehrerer Einfamilienhäuser am Lake Ontario unterzeichnen wird - wie aufregend. Zudem möchte Georg wissen, wann ich heute nach Deutschland abreisen werde. Entnervt krame ich meine Reisedokumente hervor und erwidere, dass ich mit Herrn Wang gegen 15 Uhr nach Fort Myers fahren und um 18.25 Uhr eine LTU Maschine besteigen werde. 
08.00 Uhr Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, wünsche ich meinem Bruder alles Gute und ziehe es vor, das letzte Wirbelbad im Sonnenscheinstaat zu geniessen. Während ich mich ordentlich wasche und rasiere, lausche ich dem Radioprogramm von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) und erfreue mich an stimmungsvollen Hochlichtern (unlöblich: Highlights) von George Strait, Josh Gracin und Montgomery Gentry. HEUREKA - diese Musik werden ich in Deutschland wirklich vermissen. 
09.00 Uhr Laut seufzend beende ich das Badevergnügen und schleppe meine Gepäckstücke ins Wohnzimmer. Danach hüpfe ich sportlich über den Gartenzaun und finde Herrn Wang kaffeeaufbrühend in der Küche des Nachbaranwesens vor. Mein Bekannter legt beste Laune an den Tag und bittet mich, am reich gedeckten Tisch platz zu nehmen. Während ich mir ein vitaminreiches Frühstück, bestehend aus schmackhaften Rühreiern mit Speckstreifen, Pfannkuchen mit Ahornsirup und gebutterten Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast) zu Gemüte führe, klopft mir Herr Wang aufmunternd auf die Schulter und behauptet, dass es zum Trübsal blasen keinen Grund gibt. Ferner erinnert der gute Mann daran, dass wir uns spätestens in zwei Monaten anlässlich des Münchner Oktoberfests wiedersehen werden - wie schön. Ausserdem bringt Herr Wang meinen Abschied aus Bayern zur Sprache und rechnet vor, dass ich schon in fünfzehn Wochen mein altes Leben hinter mir lassen und im Willoughby Drive ein neues Kapitel aufschlagen werde - wie wahr.
09.30 Uhr Just als mein Nachbar etwas Bohnentrunk nachschenkt, fällt mir ein, dass ich unbedingt einige Präsente für meine Liebsten erwerben muss. Da ich bisher nur Muscheln für den kleinen David (2) aufgesammelt sowie ein T-Hemd für Sandra erworben habe, fasse ich den Entschluss, gleich zum WAL MART zu fahren und mein letztes Bargeld für schöne Andenken auszugeben. Als ich Herrn Wang zu diesem Ausflug einladen möchte, windet er sich aus der Verantwortung und weist mich darauf hin, dass er bis 14 Uhr die Vormittagsschicht im Old Town Hotel leiten muss - das ist typisch. 
10.00 Uhr Nachdem ich meinen Teller geleert habe, verabschiede ich mich redlichst und erinnere daran, dass ich spätestens um 15 Uhr zum Flughafen gebracht werden muss. Herr Wang nickt eifrig und verspricht, dass er mich selbstverständlich begleiten wird. Ich hüpfe hinter das Lenkrad des JEEP Patriots und bringe den Wagen vorsichtig aus der Garage. Bei annähernd 33°C (91°F) kruse ich auf der Vanderbilt Beach Road gen Westen und komme zum letzten Mal in den Genuss, mir den Wind durch die Haare wehen zu lassen - das nenne ich Lebensqualität. 
10.30 Uhr Mit quietschenden Bremsen komme ich vor dem WAL MART SUPERSTORE am Juliet Boulevard zum Halten und kann den PS-strotzenden Geländewagen ohne Probleme auf einem Parkplatz gegenüber des Haupteingangs abstellen. Zufrieden betrete ich das Gebäude und sehe als erstes in der Kompaktscheiben und DVD Abteilung nach dem Rechten. Um James eine kleine Freude zu bereiten, lege ich die Randy Travis Neuveröffentlichung "Around the Bend" (löblich: Um die Kurve) sowie die nagelneue Jimmy Buffett DVD "Scenes You Know By Heart" (löblich: Szenen, die du von Herzen kennst) in meinen Einkaufswagen. 
11.00 Uhr Anschliessend schlendere ich durch den Kleidermarkt und wähle für meinen Grossneffen zwei farbenfrohe T-Hemden mit dem Symbol von Herrn Batman (löblich: Fledermausmann) und Supermann aus - der Bube wird Augen machen. Da auch Amanda nicht zu kurz kommen soll, besuche ich zu guter Letzt die hervorragend ausgestattete Elektronikabteilung und erkundige mich bei einem Verkäufer nach den neuesten Dingen aus der Welt der Heimunterhaltung. Der gestriegelte Mitarbeiter ist bestens informiert und präsentiert mir den neuen ZEN Empe3 Spieler aus dem Hause Creative. Als ich das Teil in Augenschein nehme, bringt der Heini wissenswerte Fakten auf den Tisch und sagt, dass dieses hochwertige Gerät mit 16 Gigabyte daherkommt und bei der jüngeren Käuferschicht grossen Anklang findet - das ist genau das richtige. Ich lasse mir das Spielzeug einpacken und renne als nächstes zur Kasse, um die Rechnung über 128 Dollars mit mehreren grünen Scheinen zu begleichen. 
11.30 Uhr Nach dem Abschoppen fahre ich ziellos durch das Stadtgebiet und finde mich wenig später auf einem öffentlichen Parkplatz am "Delnor Wiggins State Park" wieder. Gutgelaunt stelle ich den Motor ab und werfe einen prüfenden Blick auf das azurblaue Wasser. HEUREKA - dieses Panorama muss man gesehen haben. 
12.00 Uhr Als meine wertvolle ROLEX zwölf Uhr anzeigt, kehre ich in den Lowbank Drive zurück und finde Herrn Wongler cadillacaufpolierend auf dem Nachbarsgrundstück vor. Natürlich geselle ich mich prompt an die Seite meines netten Nachbarn und gebe ihm zu verstehen, dass ich heute leider meine Zelte im Rentnerparadies abbrechen und die Heimreise antreten werde. Der freundliche Zeitgenosse blickt traurig drein und kann gar nicht glauben, wie schnell die letzten Wochen vergangen sind - wie wahr. 
12.30 Uhr Im Ferienhaus meines Bruders angekommen, finde ich Frau Gomez bodenwischend in der Küche vor. Die fleissige Dame streckt mir freundschaftlich die Hand entgegen und gibt in einem unverständlichen Kauderwelsch zu Protokoll, dass sie seit 10 Uhr damit beschäftigt ist, das Haus auf Vordermann zu bringen. Um der Haushälterin auch etwas Gutes zu tun, brühe ich frischen Bohnenkaffee auf und richte mehrere Cookies (löblich: Plätzchen) auf einem Porzellanteller an. Danach rufe ich die gute Seele an den Tisch und erkläre, dass ich ab November eine helfende Hand in meinem neuen Zuhause benötige. Die Putzperle ist hellauf begeistert und schlägt vor, dass sie für kleines Geld auch für mich den Putzlappen schwingen würde - das hört sich verlockend an. Wenig später werden wir handelseinig und verabreden, dass mich die fleissige Frau ab November zweimal pro Woche besuchen und sich um den gesamten Hausputz und die Wäsche kümmern wird - das klappt wieder wie am Schnürchen. 
13.30 Uhr Nachdem ich mich mit den feinen Keksen aus dem WIN DIXIE Einkaufsmarkt und einem selbstzubereiteten Sandwich (löblich: belegtes Brot) mit Schinken, Salatblatt, Majonäse und lustigen Gurkenscheiben gestärkt habe, ziehe ich mich verschwitzt ins redlichst gekühlte Gästezimmer zurück und lege eine kurze Verschnaufpause ein - das tut gut.
14.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und bemerke mit geschultem Auge, dass Frau Gomez die Hausarbeiten in der Zwischenzeit beendet und das Anwesen verlassen hat. Um für gute Stimmung zu sorgen, schiebe ich die neuerworbene Randy Travis Kompaktscheibe in die multifunktionale Unterhaltungsanlage und lasse meine Hüften zu "Love is a Gamble" (löblich: Liebe ist ein Spiel) kreisen - da kommt Freude auf. 
15.00 Uhr Als ich den letzten Rundgang durchs Haus unternehme und traurig die Verandatüre verriegle, klopft Herr Wang an und sagt, dass wir jetzt aufbrechen können. Missmutig schleppe ich meinen Delsey Rollkoffer sowie die Reisetasche zum BMW und überreiche meinem Bekannten die Hausschlüssel. Danach steigen wir in den bayerischen Luxuswagen ein und krusen gemächlich auf der Interstate 75 gen Norden. 
15.45 Uhr Nach einer dreiviertel Stunde erreichen wir den "Southwest Florida International Airport" (löblich: Südwest Florida Internationaler Flughafen) vor den Toren Fort Myers und können das KFZ in einem Parkhaus abstellen. Da es bis zu meinem Abflug noch etwas dauert, lade ich meinen guten Freund zu einem Kaffeekränzchen ein. Herr Wang folgt mir plaudernd in eine "Starbucks" Filiale und lässt es sich nicht nehmen, zwei köstliche Cappuchinos zu ordern. Während ich mir einen kräftigen Schluck gönne und dem hektischen Treiben zuschaue, unterrichte ich Herrn Wang, dass ich heute Mittag Nägel mit Köpfen gemacht und Frau Gomez eine Putzstelle in meinem neuen Eigenheim verschafft habe. Herr Wang ist hellauf begeistert und sagt, dass ich diese Entscheidung bestimmt nicht bereuen werde - das will ich auch hoffen. 
16.30 Uhr Nach unserem kleinen Kaffeekränzchen spazieren wir zu einem Gemeinschaftsschalter der AIR BERLIN und LTU und überreichen einer zuvorkommenden Mitarbeiterin (35) die Reisedokumente. Fräulein Madlein begrüsst mich mit Namen und bittet mich, die Gepäckstücke auf das Förderband zu stellen und in einer Stunde vor dem Tor (unlöblich: Gate) 12 zu erscheinen. 
17.00 Uhr Nun heisst es Abschied nehmen. Ich schüttle Herrn Wangs Hand ein letztes Mal und gebe ihm zu verstehen, dass ich die letzten Wochen wirklich genossen habe. Mein Gegenüber nickt eifrig und verspricht, dass unser nächstes Wiedersehen nicht allzu lange auf sich warten lassen wird - wie schön. Nachdem mein Bekannter in der Menge verschwunden ist, dränge ich mich durch die Menschenmassen und laufe kurzerhand in ein SBARRO Filiale, um mir eine kleine Brotzeit zu genehmigen. Da man einen zehnstündigen Langstreckenflug nicht mit leerem Magen überstehen kann, bestelle ich ein Stück Pizza mit frischen Pilzen und trinke dazu einen grossen Becher Dr. Pepper Brause - das schmeckt prima. 
17.45 Uhr Da mein Flug mit der Nummer 1927 bereits mehrmals aufgerufen wurde, flitze ich wie der Wind zum Abflugtor und kann mich nach einer nervenaufreibenden Sicherheitskontrolle erschöpft auf einen engen Platz in der Touristenklasse fallen lassen.
18.30 Uhr Mit kurzer Verspätung setzt sich die LTU Maschine in Bewegung und rollt gemächlich zur Startbahn. Während der Flugkapitän die A330-200 in die Luft bringt, erhasche ich einen letzten Blick auf den Golf von Mexiko und freue mich schon, im November wiederzukommen.
19.30 Uhr Als mir schon die Augen zufallen, stösst mich eine Flugbegleiterin in die Seite und erkundigt sich, ob ich zum Abendessen eine vegetarische Gemüselasagne oder ein Steak bevorzuge. HEUREKA - da ich von fleischloser Ernährung gar nichts halte, entscheide ich mich für das saftige Steak in exotischer Sauce und wähle dazu ein süffiges Heinecken Bier. Während ich kraftvoll zubeisse, wende ich mich meiner wortkargen Nachbarin (39) zu und bringe in Erfahrung, dass die Frau für ein Reiseunternehmen in Deutschland arbeitet und mehrere Hotels in Florida besucht hat - wie aufregend. 
20.15 Uhr Nachdem ich als Nachspeise einen abscheulichen Himbeerkuchen mit Sahne verzehrt und meinen Durst mit einem wässrigen Kaffee gestillt habe, unternehme ich einen Spaziergang durch das Flugzeug und stosse im hinteren Teil auf eine fünfköpfige Familie aus Freising. Da etwas Abwechslung nicht schaden kann, begrüsse ich die Herrschaften in Reihe 38 und teile ihnen mit, dass ich auch aus dem Grossraum München stamme und nach sieben Wochen in Florida nun wieder nach Hause fliege. Anstatt mir Rede und Antwort zu stehen, wimmelt mich der Familienvater frech ab und sagt, dass er während des Fluges nicht gestört werden will - wie unlöblich. Vogelzeugend kehre ich auf meinen Platz zurück und flüstere einer Flugbegleiterin zu, dass der garstige Herr in Reihe 38 heimlich eine Zigarette geraucht hat. Danach widme ich mich dem Unterhaltungsprogramm und erkenne, dass man neben einigen Spielfilmen auch die aufgezeichneten Nachrichtensendungen der ARD und des Zweiten Programms ansehen und sich über die politischen Geschehnisse in Deutschland schlau machen kann - das hat gerade noch gefehlt. Da ich keine Lust habe, mir die neuesten Aussagen von Kurt Beck oder Angela Merkel anzuhören, stelle ich meine wertvolle Armbanduhr auf die mitteleuropäische Sommerzeit um und entschliesse mich, etwas zu schlafen - immerhin ist es in meiner weissblauen Heimat mittlerweile fast 3 Uhr. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 18.07.2008
© Reinhard Pfaffenberg