Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

05.07.2008

07.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und stehe unverzüglich auf. Da ich meinen löblichen Neffen um 9 Uhr nach Miami kutschieren muss, lasse ich die Morgengymnastik ausnahmsweise sausen und begebe mich zügig in die Nasszelle, um mir ein Vollbad mit Schaum einlaufen zu lassen. 
07.15 Uhr Während ich mit dem Schwamm hantiere, lausche ich dem Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks und vernehme, dass die PRO 7 Fernsehsendung "Gülcan und Collien ziehen aufs Land" in meiner alten Heimat für viel Unmut sorgt. Interessiert lausche ich der Berichterstattung und lerne, dass der Münchner Privatsender vor zwei Wochen eine 8-teilige Sendereihe mit Gülcan Kamps und Collien Fernandez ins Programm genommen hat. Die beiden Protagonistinnen zogen in Stöckelschuhen und mit 13 Koffern kurzerhand aufs Land und müssen sich nun für drei Wochen im Kuhstall, in der Küche und auf dem Misthaufen beweisen. Selbstverständlich haben sich gleich wieder schlaue Medienkritiker zu Wort gemeldet und verlauten lassen, dass diese Art von Fernsehunterhaltung kaum mehr zu ertragen sei - wie unlöblich. Leider vergessen diese Gutmenschen in diesem Zusammenhang ganz, dass PRO 7 eine unabhängige und privat finanzierte Fernsehanstalt ist, die niemandem Rechenschaft schuldig ist. Anstatt auf die Barrikaden zu gehen und das "Ende der Fernsehkultur" auszurufen, sollten sich die Schlauberger lieber dem öffentlich rechtlichen Fernsehen zuwenden und erkennen, dass die Gosse längst bei ARD und ZDF eine neue Heimat gefunden hat. Gott sei Dank werde ich bald dauerhaft in Florida leben und muss mich dann nicht mehr über peinliche Anne-Will-Diskussionsrunden oder lächerliche Politmagazine wie "Frontal 21" ärgern. 
08.15 Uhr Ich beende das Badevergnügen und werfe mich ordentlich in Schale. Da eine 130 Meilen lange Autofahrt vor mir liegt, lasse ich die praktischen Flip Flops links liegen und schlüpfe pflichtbewusst in meine bequemen Kuhjungenstiefel aus echtem Schlangenleder. Anschliessend schlendere ich in die Küche und sehe, dass James bereits seinen Koffer neben die Türe gestellt und ein schmackhaftes Frühstück vorbereitet hat - wie schön. Zungeschnalzend leiste ich dem Buben Gesellschaft und höre, dass wir nach dem wichtigsten Mahl des Tages gleich losfahren sollten. Um keine Hektik aufkommen zu lassen, falle ich James ins Wort und merke an, dass wir die Reise ohne Zeitdruck in zwei Stunden schaffen werden. Mein Neffe ist kaum zu beruhigen und erinnert daran, dass er sein Flugzeug um 12.40 Uhr unbedingt erreichen muss. Laut seufzend verfrachte ich zwei Weissbrotscheiben in den Röster und gebe zu Protokoll, dass die letzten Tage viel zu schnell vergangen sind. James ist der gleichen Meinung und freut sich aber sehr, morgen seine kleine Familie endlich wieder in die Arme schliessen zu können - wie schön. 
08.45 Uhr Nachdem wir den Tisch abgeräumt und mehrere Getränkeflaschen in eine Kühltasche verfrachtet haben, verlassen wir das Ferienhaus und machen uns radiohörend auf den Weg. Um schneller voranzukommen, übernimmt James das Steuer und schickt sich an, mit quietschenden Reifen auf die Interstate 75 zu fahren. Währenddessen studiere ich den Rand McNally Strassenatlas und mache meinem Neffen klar, dass wir der Schnellstrasse bis zur Abzweigung 869 folgen sollten. Ferner bringe ich in Erfahrung, dass die I 75 im Jahre 1952 eröffnet wurde und Miami mit Detroit im US-Bundesstaat Michigan verbindet - wie aufregend. 
09.30 Uhr Nach dreissig Minuten überqueren wir eine Kreuzung und lesen auf einer Informationstafel, dass in dieser Gegend zwei Ortschaften namens Sunniland und Rock Island gegründet werden sollen. James ist bestens informiert und sagt, dass ein Bauunternehmer aus Marco Island die Ländereien für kleines Geld gekauft hat und nun ein Paradies für Reiche anlegen möchte - kaum zu glauben. Ausserdem deutet der gute Junge über die künstlich angelegten Seen zu meiner Rechten und plappert davon, dass hier in wenigen Jahren luxuriöse Eigenheime und Villen entstehen werden - das ist phantastisch. 
10.00 Uhr Als wir durch das "Big Cypress Seminole" Indianer Reservat rasen und die merkwürdige Vegetation am Strassenrand betrachten, schiebt James plötzlich eine Kompaktscheibe in die Musikanlage und berichtet, dass die aus Oregon stammende Musikcombo "Reckless Kelly" ein neues Werk veröffentlicht hat. Neugierig lausche ich den Landmusikklängen und komme schnell zu dem Schluss, dass diese Musik für meinen Geschmack viel zu modern ist. Mein Nebenmann schüttelt jedoch den Kopf und erwidert, dass das Album "Bulletproof" zu den besten Scheiben der letzten Monate zählt - das soll mir auch Recht sein. 
10.45 Uhr Endlich erreichen wir die Stadtgrenze der grössten Gemeinde Floridas und können entspannt auf der Autobahn 869 nach Süden fahren. Dank unserer glasklaren LASIK Blicke, schaffen wir es ohne weitere Probleme, die Abfahrt zum Flughafen zu finden und das richtige Abflugterminal anzusteuern - das klappt wie am Schnürchen. 
11.15 Uhr Nach wenigen Minuten können wir den PS-strotzenden JEEP sicher im Parkhaus abstellen und James schweres Reisegepäck aus dem Wagen wuchten. Als ich auf die hochwertigen Instrumente zu sprechen komme, winkt James demonstrativ ab und behauptet, dass er seine Gitarren bereits in Fort Myers aufgegeben hat und sie morgen am Franz Josef Strauss Flughafen in Empfang nehmen wird - wie praktisch. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, eilen wir mit schnellen Schritten zum American Airlines (löblich: Amerikanische Luftwege) Schalter und überreichen dem gelangweilten Heini hinter dem Tresen James Ausweispapiere sowie den Flugschein nach New York bzw. weiter nach London. Der Mitarbeiter hackt kurz auf seine Heimrechnertastatur ein und teilt uns nach wenigen Augenblicken mit, wo James das richtige Gate (löblich: Tor) finden kann. 
11.45 Uhr Bevor James in die Maschine einsteigt, kehren wir kurzerhand in eine Burger King (löblich: Burger König) Schnellessgaststätte ein und genehmigen uns zwei "Loaded Steakhouse Burger" (löblich: Geladene Schnitzelhaus Burger) sowie eisgekühlte Dr. Pepper Brause aus grossen Bechern - das schmeckt. Während wir kraftvoll zubeissen, wippt James auf seinem Stuhl hin und her und erzählt, dass er bald wieder verreisen und mit Amanda und David (2) nach Italien fahren wird. Als ich genauer nachfrage, erzählt der gute Junge, dass er seiner Familie versprochen hat, nach den Plattenaufnahmen nach Chioggia zu fahren und einen zweiwöchigen Strandurlaub einzulegen. HEUREKA - solche Luxusausflüge kann ich mir beim besten Willen nicht leisten. Selbstverständlich bringe ich Kerstins Bandscheibenvorfall ins Spiel und unke, dass aus dem Abstecher nach Italien womöglich nichts wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass Amanda den armen James als Handlanger im Donutladen einspannen und ihn mit Arbeit überhäufen wird. 
12.15 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit. Ich drücke James zum Abschied an mich und fordere ihn eindringlich auf, sich nach der Ankunft in Bayern telefonisch zu melden. Mein Neffe nickt eifrig und läuft dann schnell durch die Personenkontrolle. Nachdem der Gute in der Menschenmenge untergetaucht ist, flitze ich zum Fahrzeug und bezahle die Parkgebühr mit meiner Kreditkarte. Danach fahre ich gekonnt aus dem Parkhaus aus und mache mich daran, den MacArthur Causeway zu überqueren. Während der kurzweiligen Ausfahrt lausche ich dem Radioprogramm von WKIS KISS COUNTRY (löblich: Kuss Land) und komme sogar in den Genuss, den Montgomery Gentry Nummer 1 Schlag "Something To Be Proud Of" aus dem Jahre 2004 lauschen zu dürfen - was kann es schöneres geben. 
13.15 Uhr Gutgelaunt treffe ich in Miami Beach ein und parke den Wagen direkt vor einer irischen Biertränke namens "Finnegans Way". Da mein Magen mittlerweile knurrt, nehme ich umgehend auf der überdachten und klimatisierten Veranda platz und ordere bei einer rothaarigen Maid mit lustigen Sommersprossen ein Budweiser Light (löblich: Leicht) sowie Chicken Wings (löblich: Hühner Flügel) mit deftiger Sauce - eine kleine Stärkung kann nach dem aufregenden Vormittag nicht schaden. 
13.45 Uhr Während ich mir die wohlverdiente Brotzeit munden lasse und meine ausgetrocknete Kehle mit kräftigen Schlucken öle, gesellt sich eine leichtbekleidete Maid an meine Seite und präsentiert mir stolz ihr neues Tattoo auf dem Schulterblatt. Als ich die Frau (23) zur Rede stelle, gibt sie mir zu verstehen, dass sie aus Omaha stammt und nur nach Miami gekommen ist, um sich vom weltbesten Tattoo-Künstler Ami James in dessen Laden behandeln zu lassen - das ist ja allerhand. Kopfschüttelnd zeige ich dem Kind den Vogel und erkläre, dass ich ein Gegner besagter Körperverunstaltungen bin und dieses Handeln unter keinen Umständen gut heissen kann - wo soll das noch alles hinführen. 
14.15 Uhr Nachdem ich die Rechnung in Bar beglichen und ein stattliches Trinkgeld gegeben habe, spaziere ich am Boardwalk entlang und lasse meinen Blick über den weissen Sandstrand und das azurblaue Wasser des atlantischen Ozeans wandern. HEUREKA - diesen Ausblick muss man erlebt haben. Bei dieser Gelegenheit besichtige ich das weltbekannte Art Dèco Stadtviertel und bestaune unzählige Häuser, die in den 30er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts erbaut wurden - das ist phantastisch. 
15.00 Uhr Just als ich das "Colony Hotel" beäuge und anhand einer Bronzetafel erfahre, dass hier der amerikanische Mafiafilm "Scarface" (löblich: Narbengesicht) gedreht wurde, klingelt plötzlich meine Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry). Misstrauisch nehme ich das Gespräch entgegen und freue mich sehr, Amandas Stimme zu hören. Das Kind wünscht mir einen schönen Tag und erkundigt sich, ob James schon abgeflogen ist. Natürlich bejahe ich die Frage und betone mit erhobenem Zeigefinger, dass ich den guten Jungen vor drei Stunden am Flughafen von Miami abgeliefert habe. Meine ehemalige Untermieterin zeigt sich erleichtert und freut sich schon auf das morgige Wiedersehen - wie schön. Da ich mich nicht auch noch um die Probleme von Amanda kümmern kann, beende ich das Gespräch und setze meine Stadtbesichtung fort. 
15.45 Uhr Nach einem kurzen Abstecher zur "Casa Casuarina" Wohnanlage, vor der der bekannte Modemacher Gianni Versace am 15. Juli 1997 hinterrücks erschossen wurde, kehre ich zum Wagen zurück und trete erschöpft die Heimreise an. Geschickt steuere ich den JEEP Patriot gen Norden und entschliesse mich, auf dem Highway 41 nach Naples zurückzufahren. Ich stelle die Klimaanlage auf angenehme 68°F ein und erfreue mich während der Fahrt an den Ausläufern des Everglades Nationalparks. Unter anderem erblicke ich am Strassenrand mehrere Gürteltiere sowie zähnefletschende Alligatoren - wie unlöblich. Trotz allem lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und greife ganz spontan zu meiner Schwarzbeere, um Prof. Kuhn anzurufen und ihn über meine Erlebnisse zu informieren. Edelbert meldet sich nach dem zweiten Klingeln und teilt mir auf Anfrage mit, dass er vor wenigen Minuten nach Hause gekommen ist. Neugierig frage ich genauer nach und höre, dass mein Bekannter den Biergarten des Wilden Esel besucht und ein Weissbier getrunken hat - wie schön. Um Edelbert einen kleinen Einblick zu gewähren, erzähle ich, dass ich gerade durch die Everglades kruse und am Nachmittag die schöne Gemeinde Miami Beach besucht habe. Mein Gesprächspartner staunt nicht schlecht und vermutet, dass ich meinen Aufenthalt anscheinend so richtig geniesse - da hat er gar nicht so unrecht. 
16.30 Uhr Nach knapp fünfundvierzig Minuten passiere ich den im Jahre 1970 erbauten "Dade Collier Training Airport" und habe plötzlich einen ganz trocknen Mund. HEUREKA - bei Rekordtemperaturen von über 35°C ist das auch kein Wunder. Nörgelnd aktiviere ich den Tempomaten und gönne mir zu stimmungsvoller Gary Allan Musik eine Flasche Diät Coca Cola - das tut richtig gut. 
17.15 Uhr Nach weiteren 40 Meilen passiere ich ein Werbeschild und lese, dass man in der nächsten Ortschaft gut und günstig essen kann - wie schön. In froher Erwartung drücke ich das Gaspedal bis zum Anschlag durch und komme wenig später vor einer neuen Motelanlage vor den Toren des "Collier-Seminole State Parks" zum Halten. Hungrig gleite ich vom Fahrersitz und lasse mich von einer netten Bedienung an einen Fenstertisch mit Ausblick auf die Strasse 41 führen. Die zuvorkommende Bedienung kredenzt mir ein Glas Eiswasser und munkelt, dass ich bestimmt aus Miami komme und grossen Hunger mitgebracht habe - wie recht das junge Ding doch hat. Da man als Rentner auf die genaue Einhaltung der Essenszeiten achten sollte, bestelle ich ruckzuck einen hausgemachten Käseburger mit Kartoffelstäben und Krautsalat. 
17.30 Uhr Als ich mein Abendessen vorgesetzt bekomme, traue ich meinen Augen nicht und bemerke, dass es sich die Gaststättenbetreiber zur Aufgabe gemacht haben, die Gäste mit besonders stattlichen Portionen zu verwöhnen - daran sollten sich andere Wirtschaften ein Beispiel nehmen. 
18.00 Uhr Nach meinem kurzen Zwischenstopp in den Sümpfen Südfloridas, setze ich die Fahrt fort und lege die letzten 26 Meilen bis zum Lowbank Drive in einer Rekordzeit von unter 30 Minuten zurück - das soll mir erst mal einer nachmachen. 
18.30 Uhr Zuhause angekommen, klingle ich unverzüglich am Eigenheim meines Nachbarn und teile Herrn Wang mit, dass ich James zum "Miami International Airport" gebracht und mir die vorgelagerten Inseln von Miami Beach angesehen habe. Mein Bekannter freut sich sehr und lädt mich zu einem gemeinsamen Abendessen in Julies Restaurant ein. Da ich bereits gegessen habe, winde ich mich aus der Verantwortung und erwidere, dass ich müde bin und zeitig ins Bett gehen will. Herr Wang nickt verständnisvoll und sagt, dass er mich morgen zum Frühstück abholen wird - wie schön. 
19.15 Uhr Nachdem ich eine kalte Dusche genossen und meine Kleider gewechselt habe, falle ich schaumweinschlürfend aufs Wohnzimmersofa und lasse den langen Tag mit einem gepflegten Fernsehabend ausklingen. Wie es sich für einen politikinteressierten Menschen gehört, verfolge ich als erstes eine Nachrichtensendung auf CNN und erfahre, dass Israel trotz der Friedensverhandlungen mit den Palästinensern immer noch mit Raketen beschossen wird - wo soll das noch hinführen mit dieser Welt. 
20.00 Uhr Im Anschluss drücke ich mich durch die vielen Programme und verweile letztendlich auf dem Sendeplatz von SHOE, um mir das von Kritikern hochgelobte englische Drama "Billy Elliott" anzusehen. Wie jedes Kind weiss, erzählt der Film die Lebensgeschichte des elfjährigen Billy, der unbedingt Tänzer werden möchte. Nach vielen Streitereien mit seiner Familie, verlässt der brave Bube das nordenglische Elterhaus und wird im fernen London ein gefeierter Bühnenstern - wie aufregend. 
21.30 Uhr Nachdem sich alles zum Guten gewendet hat, drücke ich laut gähnend auf den "OFF" (löblich: AUS) Knopf der neumodernen Fernbedienung und unternehme einen letzten Rundgang durchs Ferienhaus. Danach gehe ich zufrieden ins Bett und schlafe bald ein. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 05.07.2008
© Reinhard Pfaffenberg