13.06.2008
07.00
Uhr Ich mache die Augen auf und habe überhaupt keine Orientierung. Erst
als ich eine Hotelbroschüre des "Nashville Hilton Downtown" auf dem
Nachttisch erblicke, fällt mir ein, dass ich mich in der "Music City"
(löblich: Musik Stadt) am Cumberland Fluss befinde - wie aufregend.
Laut gähnend steige ich aus den Federn und führe die Morgengymnastik am
Fenster durch. Während ich meine Muskeln mit stetigem Auf und Abhüpfen
lockere, schaue ich neugierig hinaus und staune nicht schlecht, als ich
Herrn Sam Dietz zigaretterauchend vor dem Hotelgebäude stehen sehe - wie unlöblich.
07.30 Uhr Nachdem ich das Fernsehgerät eingeschaltet habe, gönne ich
mir ein Vollbad und fröne nebenbei dem Nachrichtenprogramm von CNN.
Unter anderem erfahre ich Wissenswertes über Alcatraz und lerne, dass
das Hochsicherheitsgefängnis vor 37 Jahren von schwerbewaffneten
Soldaten geräumt wurde. Wie jedes Kind weiss, siedelten sich nach der
Schliessung der Justizvollzugsanstalt im Jahre 1964 insgesamt 40
Indianer auf der Sandsteininsel in der Bucht von San Franzisko an und
unterbreiteten der kalifornischen Regierung den Vorschlag, die Insel
käuflich zu erwerben. Selbstverständlich schlugen die Stadtoberen den
lächerlichen Handel aus und forderten die Indianer im Gegenzug auf, das
Eiland sofort zu verlassen. Da die Heinis diesem Vorschlag nicht
nachkommen wollten, beschloss die Regierung, die Insel mit
Schnellbooten zu sichern und die garstigen Indianer zu vertreiben.
08.30 Uhr Düdeldü - redlich informiert beende ich die Morgenwäsche und
werfe mich standesgemäss in Schale. Da ich mich in der Hauptstadt der
Landmusik und der Cowboys (löblich: Kuhjungen) aufhalte, schlüpfe ich
in frisch aufgebügelte WRANGLER Tschiens, ein kariertes Kurzarmhemd
sowie meine repräsentativen Kuhjungenstiefel - sieht wirklich prima
aus. Anschliessend wähle ich die Handtelefonnummer meines löblichen Neffen
und bringe in Erfahrung, dass wir uns in dreissig Minuten zum
gemeinsamen Frühstück im hoteleigenen "Market Street Cafe" (löblich:
Marktstrasse Kaffeehaus) treffen werden. Um nicht noch mehr Zeit zu
vertrödeln, beende ich das Telefonat und ziehe es vor, mit dem Aufzug
nach unten zu fahren und es mir zeitungslesend auf einem Ledersofa
bequem zu machen. Wenig später klopfen mir James Musikerkollegen auf
die Schulter und freuen sich über das Wiedersehen - wie schön.
Gutgelaunt begleite ich die jungen Leute in die einladende Wirtschaft
und bediene mich sofort am reichhaltigen Büfett.
09.00
Uhr Während wir uns das wichtigste Mahl des ganzen Tages in Form von
gerösteten Weissbrotscheiben, gesundem Müsli, Rühreiern mit
Speckstreifen sowie Bohnen in Tomatensosse (unlöblich: Baked Beans)
munden lassen, halten wir ein Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) und
verabreden, um 15 Uhr zu den "Southern Tracks Studios" zu fahren. James
überlegt kurz und meint, dass wir die Wartezeit mit einem Besuch der "Country Music Hall of Fame"
(löblich: Landmusik Halle des Ruhmes) überbrücken könnten - das ist
eine hervorragende Idee. Natürlich zeige ich mich hocherfreut und
antworte, dass man sich diese Sehenswürdigkeit unter keinen Umständen
entgehen lassen darf. 09.15 Uhr Als eine rothaarige Kellnerin
unsere Kaffeebecher auffüllt und uns mit frisch gepresstem Orangensaft
verwöhnt, komme ich auf meine Immobiliensuche im Rentnerparadies zu
sprechen und verrate, dass ich bereits ein geeignetes Objekt gefunden
habe und am 20. Juni einen Termin bei einem Notar wahrnehmen werde.
James ist überrascht und vermutet, dass ich wohl bald meine Zelte in
Deutschland abbrechen und für immer nach Florida umziehen werde -
darauf freue ich mich jetzt schon.
09.45 Uhr Nachdem wir das Frühstück beendet und uns von den anderen
Musikanten verabschiedet haben, verlassen wir das Hotel und laufen bei
annähernd 35°C (94°F) zur 5th Avenue hinüber. Während des Spaziergangs
plaudere ich aus dem Nähkästchen und gebe zu Protokoll, dass Georg bis
zum Dienstag in Naples war und mich bei der Immobiliensuche redlichst
unterstützt hat. James kann sich ein Lachen nicht verkneifen und
erwidert, dass sein Vater in letzter Zeit immer häufiger im
Sonnenscheinstaat anzutreffen ist.
10.15 Uhr Da ich heute die Spendierhosen anhabe, lade ich James
kurzerhand zum Museumsbesuch ein und überreiche einer freundlichen
Billetverkäuferin einen 50 DOLLAR Schein. Danach schlendern wir durch
die hervorragend klimatisierte Ruhmeshalle und bestaunen goldene
Schallplatten diverser Interpreten wie Jimmie Rodgers, Hank Williams
und Fred Rose - da kommt Freude auf. James versorgt mich mit
wissenswerten Fakten und sagt, dass die Musiker zu den herausragendsten
Vertretern der Landmusikszene zählten und anno 1961 in die Ruhmeshalle
aufgenommen wurden.
10.45 Uhr Als nächstes betreten wir einen beeindruckenden
Ausstellungsraum und finden unzählige Musikinstrumente aus längst
vergangenen Tagen vor. Als ich eine viereckige Gitarre in Augenschein
nehme und mich sehr wundere, weist mich James darauf hin, dass es sich
hierbei um keine herkömmliche Gitarre, sondern um ein sogenanntes Dobro
handelt. Mein Neffe kennt sich ganz genau aus und fügt an, dass diese
Resonatorgitarren erstmals von den tschechischen Immigranten John und
Rudy Dopyera gebaut wurden. Interessiert lausche ich den Ausführungen
und höre weiter, dass dieses Zupfinstrument gewöhnlich auf den Knien
liegend gespielt wird - wie aufregend. 11.00 Uhr Fasziniert betrachte ich eine
Stahlgitarre von Waylon Jennings und komme sogar in den Genuss, anhand
einer Multimediaschau weiterführende Infos über den Lebensweg des
beliebten Musikers zu erlangen. Wissbegierig folge ich der
Berichterstattung und lerne, dass Herr Jennings in den frühen 1960er
Jahren erste Erfolge mit seiner Gesangsformation "The Waylors" feierte.
Trotz des grossen Ruhmes, der ihm Zeitlebens zuteil wurde, war der
gebürtige Texaner nie richtig zufrieden und zog es vor, mit frechen
Texten die gewählten Volksvertretern vor den Kopf zu stossen.
Letztendlich setze sich der begnadete Sänger und Komponist mit der
Bande "The Highwaymen" (löblich: Die Autobahnmänner) ein Denkmal für
die Ewigkeit. Diese Gruppe wurde 1985 von Waylon Jennings, Willie
Nelson, Johnny Cash und Kris Kristofferson gegründet und verkaufte weit
mehr als 80 Millionen Tonträger - das ist ja allerhand. Leider verstarb
Waylon Jennings am 13. Februar 2002 im Alter von 64 Jahren viel zu früh.
11.30 Uhr Nachdem wir uns ein mit Perlen besticktes Kleid von Dolly
Parton angesehen haben, führt mich mein Neffe zu einen weiteren
Schaukasten und deutet aufgeregt auf eine fesche Garderobe des kürzlich
verstorbenen Sängers Porter Wagoner. James kommt aus dem Schwärmen gar
nicht mehr heraus und sagt, dass Herr Wagoner in den 1950 Jahren seine
Karriere begonnen hat und bis in die 80er Jahre unzählige Lieder in den
Hitparaden platzieren konnte. Beeindruckt beäuge ich die ausgestellten
Fotografien und lese, dass der begnadete Künstler auch viele Jahre
durch seine eigene Fernsehschau führte.
12.15 Uhr Nun haben wir aber genug gesehen. Um nicht zu verhungern,
verlassen wir das schöne Museum und entschliessen uns, bei mittlerweile
39°C (102°F) nach einem Lokal Ausschau zu halten. Neben dem bekannten
Schallplattenladen "Ernest Tubb Record Shop" werden wir fündig und
kehren in "Rippy's Smokin Bar and Grill" (löblich: Herrn Rippes
Rauchendes Gasthaus und Grill) ein. Wir nehmen entspannt an einem
Fenstertisch platz und wählen von der Tageskarte zapffrische BECKS
Biere sowie Cheeseburger (löblich: Käseburger) mit hausgemachten
Kartoffelstäben und Krautsalat - schon jetzt läuft mir das Wasser im
Munde zusammen.
12.30 Uhr Während wir zu Mittag essen und schönen Landsmusikklängen
lauschen, bringt James seinen Aufenthalt in New York zur Sprache und
berichtet, dass er mehrere Gespräche mit den Verantwortlichen seiner
Plattenfirma "Throb Records" geführt hat. Weiter höre ich, dass das
neue "Northstar" Live Album auch schon veröffentlicht und bisher 21.000
mal verkauft wurde - das ist die beste Nachricht des ganzen Tages. Ich
bin mir ziemlich sicher, dass James in die Fussstapfen eines Johnny
Cash treten und Millionen DOLLARS scheffeln wird.
13.30 Uhr Nachdem James die Rechnung freundlicherweise mit seiner unlöblichen VISA Karte beglichen hat, kehren wir ohne Umwege zum Hilton zurück und ziehen es vor, ein Mittagsschläfchen einzulegen.
14.00 Uhr Laut gähnend fahre ich mit dem Aufzug in den fünften Stock
und falle auf mein Bett, um die Beine auszustrecken und etwas zur Ruhe
zu kommen. Wenig später schlummere ich ein und finde mich im Traum mit
Brenda Lee, Elvis Presley und Tammy Wynette auf der Bühne der "Grand
Ole' Opry" wieder - wie schön. 14.45Uhr Mein leistungsstarker Reisewecker
bimmelt und ich sehe, dass bis zur Abfahrt nur noch fünfzehn Minuten
bleiben. Um die Musikanten nicht warten zu lassen, schlüpfe ich
unverzüglich in meine Stiefel und renne wie der Wind nach unten, um
neben meinem Neffen, Herrn Dietz und den anderen in den
bereitgestellten FORD Bus einzusteigen. James legt beste Laune an den
Tag und erzählt, dass ich gleich Herrn Alan treffen werde, den ich
schon bei meinem letzten Aufenthalt in Nashville vor 3 Jahren kennen
gelernt habe - das soll mir Recht sein. 15.30 Uhr Im Studio werden wir
vom Aufnahmeleiter höchstpersönlich begrüsst und in den hinteren Teil
des Gebäudes geführt. Während James seine Gitarre stimmt, unterhalte
ich mich mit Herrn Alan und erfahre, dass die weltbekannte
Südstaatencombo "Lynrd Skynrd" im Nebenstudio aufspielt und an neuen
Kompositionen feilt - wie aufregend.
16.00 Uhr Obwohl mich der Studioleiter eindringlich gebeten hat, den
Raum unter keinen Umständen zu verlassen, schleiche ich mich in einem
unbeobachteten Augenblick nach nebenan und finde mehrere biertrinkende
Langhaarige vor. Als ich mich den alkoholisierten Männer vorstellen
möchte, sehe ich mich plötzlich mit Herrn Johnny Van Zant, seines
Zeichens Sänger von Lynrd Skynrd, konfrontiert. Anstatt mich zu einem
kühlen Bier einzuladen, ruft der Gammler laut schreiend nach dem
Sicherheitsdienst und wirft mich hochkant aus dem Aufnahmestudio - das
ist ja allerhand. Vogelzeigend kehre ich zu Herrn Alan zurück und gebe
dem Mann zu verstehen, dass mit diesen Verbrechern wirklich nicht gut
Kirschen essen ist.
16.30 Uhr Als ich meine ausgetrocknete Kehle mit einem Glas Coca Cola
öle, erscheint James endlich am Mikrofon und beginnt, die erste Strophe
von "A Love Like this" (löblich: Ein Liebe wie diese) einzusingen.
Neugierig lausche ich dem Vortrag und erkundige mich, warum die anderen
Musikanten nicht mitspielen. Herr Alan seufzt laut und erklärt, dass
heute lediglich das Schlagzeugspiel und der Gesang aufgenommen werden -
wie merkwürdig. Um mir einen kleinen Einblick zu gewähren, deutet der
Experte besserwisserisch auf sein Mischpult und meint, dass es dank der
Mehrspurtechnik möglich ist, sämtliche Instrumente einzeln aufzunehmen
und sie hinterher per Heimrechner zusammenzusetzen
- wie interessant.
17.00 Uhr Als mir die Decke auf den Kopf zu fallen droht, winkt mich
James zu sich in den Aufnahmeraum und bittet mich, eine Mundharmonika
auszuwählen und mein Bestes zu geben - das lasse ich mir natürlich
nicht zweimal sagen. Aufgeregt greife ich in Herrn Sam Dietz
Musiktasche und fische mir eine "Blues Harp" aus dem Hause Hohner
heraus. Laut räuspernd setze ich den Fotzenhobel an meine Lippen und
beginne, James redlichst zu begleiten und für gute Stimmung im Studio
zu sorgen. Herr Alan wippt kopfschüttelnd auf seinem Drehstuhl mit und
gibt uns per Lautsprecherdurchsage zu verstehen, dass das Titellied der
neuen Kompaktscheibe auf diese Weise bestimmt ein ganz grosser Hit
(löblich: Schlag) wird - das hat James nur mir zu verdanken.
17.30 Uhr Nach einigen Versuchen lege ich das Luftblasinstrument zur
Seite und klopfe James anerkennend auf die Schulter. Erschöpft verlasse
ich den Aufnahmeraum und ziehe es vor, an Herrn Alans Seite platz zu
nehmen und die Arbeiten ganz genau zu überwachen.
18.30 Uhr Nach langem Hin und Her ist Sam Dietz an der Reihe und
beginnt, seine Gitarre mit einem MARSHALL Verstärker zu verbinden und
etwas zu üben. Währenddessen geselle ich mich zu James Musikerkollegen
und lasse mir in Gesellschaft der jungen Leute ein süffiges Budweiser
direkt aus dem Kühlschrank schmecken. James Trommler beglückwünscht
mich zu meiner musikalischen Einlage und meint, dass ich im Winter
unbedingt mit auf Tournee kommen sollte - das kommt natürlich überhaupt
gar nicht in Frage.
19.15 Uhr Ich blicke gelangweilt auf meine wertvolle ROLEX und bemerke,
dass die Zeit schon weit fortgeschritten ist. Da mein Magen bereits
knurrt, frage ich bei Herrn Alan nach dem Rechten und erkundige mich,
wann die Aufnahmen abgeschlossen sein werden. Der Produzent gibt vor,
dass die Combo meistens bis spät in die Nacht musiziert und nicht vor 2
Uhr Morgens nach Hause fährt - wie unlöblich. Da ich unmöglich so lange
im Studio ausharren kann, gebe ich James unmissverständlich zu
verstehen, dass ich mich nun verabschieden und mit dem Taxi zum Hotel
fahren werde. Mein Neffe ist einverstanden und sagt, dass wir morgen
gemeinsam frühstücken könnten - wie schön. 19.45 Uhr Nachdem ich den Anwesenden einen
erfolgreichen Abend gewünscht habe, laufe ich schnurstracks auf die
Strasse und winke das erstbeste Taxi herbei. Übermüdet gebe ich dem
Fahrer mein Ziel bekannt und fordere ihn auf, ordentlich aufs Gaspedal
zu treten und mich schnellstmöglich zum Hilton in die Innenstadt zu
bringen.
20.15 Uhr Als meine Armbanduhr viertel nach acht anzeigt, treffe ich
endlich in meiner luxuriösen Herberge ein. Ohne Umwege renne ich ins
hauseigene Schnitzelgasthaus "The Palm" (löblich: Die Palme) und gebe
bei einem besonders dumm dreinblickenden Kellner mit Brille eine
ordentliche Portion Spare Rips (löblich: Reserve Rippen) mit
Ofenkartoffel und Kräutersauce in Auftrag.
20.45 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse und meinen Bärenhunger stille,
werfe ich einen Blick auf meine Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry)
und bemerke, dass heute Mittag ein Anruf eingegangen ist - wie
aufregend. Spornstreichs betätige ich die Rückruftaste und staune nicht
schlecht, als ich nach dem zweiten Klingeln meinen ehemaligen Studienkollegen Thomas Kronach
in der Leitung habe. Der gute Mann freut sich sehr und gibt zu
Protokoll, dass er morgen nach Atlanta fliegen wird, um dort bis zum
Mittwoch geschäftlichen Verpflichtungen nachzukommen. Bei dieser
Gelegenheit höre ich, dass wir uns eventuell in der kommenden Woche zum
Lunch (löblich: Mittagessen) treffen könnten. Ich nicke eifrig und
antworte, dass ich am Montag nach Naples zurückfahren werde und am
Nachmittag etwas Zeit für einen Zwischenstopp hätte. Thomas macht Nägel
mit Köpfen und sagt, dass ich um 14 Uhr im "Hilton Atlanta Towers"
erscheinen soll. Da ich besagte Herberge kenne, stimme ich ohne zu
zögern zu und verspreche, pünktlich auf der Matte zu stehen - da kommt
Freude auf. 21.30 Uhr Nach dem dritten Glas
Bier und einer phantastischen Kuchenkreation mit Sahne und Kirsche,
lasse ich die Rechnung aufs Zimmer schreiben und hinterlege ein
anständiges Trinkgeld. Danach fahre ich mit dem Aufzug nach oben und
genehmige mir zum Abschluss des anstrengenden Tages eine erfrischende
Dusche - das tut gut. Anschliessend gehe ich ins Bett und schlafe wenig
später ein. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 13.06.2008
©
Reinhard Pfaffenberg |
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