10.06.2008
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07.00 Uhr Ich öffne die Augen und fühle mich blendend.
Voller Elan hüpfe ich aus den Federn und sehe, dass sich schon wieder
ekelerregende Ajaja Vögel am Schwimmbecken tummeln - wie unlöblich. Da ich
diese Tiere nicht ausstehen kann, renne ich umgehend hinaus und sorge dafür,
dass die Schnabelträger das Weite suchen - wo soll das noch hinführen mit
dieser Welt.
07.15 Uhr Nachdem das Kreischen ein Ende gefunden hat, laufe ich mit schnellen
Schritten in die Nasszelle und läute den Tag mit einem Schaumbad ein. Während
ich mich einseife und rasiere, denke ich wehmütig an mein beschauliches
Eigenheim im Waldweg 11
und bin mir ziemlich sicher, dass Sandra die Hausarbeiten schleifen lässt - wie
unlöblich. Um auf Nummer sicher zu gehen, greife ich zu meiner Schwarzbeere
(unlöblich: Blackberry) und rufe kurzerhand bei Amanda
im Donutladen an. Meine Scheffin meldet sich nach dem zweiten Klingeln und
versichert, dass meine Untermieterin sämtliche Aufgaben brav erledigt und sogar
täglich den Garten bewässert - wie beruhigend. Um Amanda eine kleine Freude zu
bereiten, teile ich ihr mit, dass ich mittlerweile ein schönes Haus im
Sonnenscheinstaat entdeckt habe und in der nächsten Woche einen Termin bei
einem Notar wahrnehmen werde. Amanda ist hellauf begeistert und vermutet, dass
ich wohl bald meine Zelte in der alten Heimat abbrechen und für immer ins
Rentnerparadies übersiedeln werde.
08.00 Uhr Düdeldü - gutgelaunt beende ich das Badevergnügen und schlüpfe in
meine neue Westerntschiens aus dem Hause WRANGLER. Als ich meine Haare
mit BRISK steile, klopft mein Bruder an die Türe und ruft mich auf, in die Gänge
zu kommen und ihm beim wichtigsten Mahl des Tages Gesellschaft zu leisten. Natürlich
komme ich dieser Aufforderung nach und bringe in Erfahrung, dass wir nach dem Frühstück
zum Einkaufsparadies an der
venezianischen Bucht (unlöblich: Venetian Bay) fahren werden. Mein Bruder
ist bestens informiert und erzählt, dass dort während der Morgenstunden nur
wenige Touristen unterwegs sind. Voller Vorfreude fülle ich meinen Becher mit köstlichem
Bohnentrunk und labe mich an gebutterten Weissbrotscheiben, deftigem Käse und Rühreiern.
Nebenbei halte ich ein Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) mit meinem Bruder
und höre, dass er um 16.30 Uhr den US Airways (löblich: US Luftwege) Flug nach
Toronto erreichen muss. Georg blickt skeptisch auf seine TISSOT Armbanduhr und
sagt, dass wir spätestens um 14 Uhr zum "Southwest Florida International
Airport" aufbrechen sollten. Laut seufzend nippe ich am Orangensaft und
erwidere, dass der Besuch viel zu schnell vorüber gegangen ist. Georg schlägt
in die gleiche Kerbe und erneuert seine Ankündigung, eventuell in der übernächsten
Woche in Gesellschaft seiner Ehefrau noch einmal nach Naples zu kommen - das wäre
zu schön. HEUREKA - vielleicht sollte ich meinen Aufenthalt verlängern und
nicht wie geplant am 27. Juni, sondern erst einige Wochen später nach München
ausfliegen.
09.45 Uhr Nachdem wir die Geschirrspülmaschine befüllt haben, verlassen wir
erheitert das Haus und krusen im JEEP Patriot radiohörend gen Süden. Um für
gute Laune zu sorgen, wechsle ich fachmännisch die Frequenz und stelle das
Qualitätsprogramm von WCKT CAT
COUNTRY (löblich: Katze Land) direkt aus Fort Myers ein - da kommt Freude
auf.
10.15 Uhr Nach einer kurzweiligen Ausfahrt am Meer biegt Georg in die Tiefgarage
ein und parkt den Wagen gekonnt auf einem freien Stellplatz. Anschliessend
fahren wir mit dem Aufzug an die Oberfläche und finden uns in einem
farbenfrohen Schoppingparadies wieder. Wir laufen an vielen Schaufenstern vorbei
und kommen aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Als erstes betreten wir einen
edlen Kleiderladen namens "Mondo Uomo" und tauchen in die Welt der
italienischen Herrenmorde ein. Georg ist kaum mehr zu bändigen und behauptet,
dass er selten schönere Anzüge gesehen hat. Obwohl die feinen Zwirne nicht
gerade günstig sind, reisst Georg den erstbesten Versace Anzug vom Kleiderständer
und lässt es sich nicht nehmen, den schicken Zweireiher anzuprobieren. Währenddessen
schlendere ich an unzähligen Einzelstücken vorbei und entdecke unter anderem
eine Winterjacke mit Pelzkragen für 2.999 DOLLARS - wie unlöblich.
10.30 Uhr Während mein Bruder Nägel mit Köpfen macht und sich den Anzug in
eine edle Tüte einpacken lässt, verlasse ich entnervt den Saftladen und blicke
in das Schaufenster des benachbarten Sushilokals "Marie-Michelle's".
Ich werde Zeuge, wie ein wieselflinker Chinese gerade damit beschäftigt ist,
das Fleisch eines halben Thunfischs zu zerkleinern und daraus lustige Rollen
herzustellen. Als Georg endlich aus dem Gewandhaus kommt, deute ich fasziniert
auf den Koch und kann gar nicht glauben, wie geschickt man mit einem scharfen
Messer umgehend kann. Wie nicht anders zu erwarten, zeigt sich Georg hocherfreut
und schlägt vor, die asiatischen Köstlichkeiten zu probieren - wie unlöblich.
Um dem rohen Fisch aus dem Weg zu gehen, packe ich meinen Bruder am Kragen und führe
ihn kurzerhand zu "The Village Pub" (löblich: Die Dorf Biertränke)
an der Nordseite des Areals. Zungeschnalzend begutachte ich die
Informationstafel am Eingang und lese, dass es hier köstliches Bier und
landestypische Spezialitäten gibt - das ist phantastisch. Verschwitzt lassen
wir uns an einem Tisch mit Meerblick nieder und geben bei einem hochnäsigen
Kellner zwei spritzige Budweiser in Auftrag. Laut seufzend blicke ich auf den
nicht enden wollenden Ozean und kann kaum fassen, dass ich bald für immer im
Sonnenscheinstaat leben werde. Als ich meine gute Laune zum Ausdruck bringe,
winkt Georg ab und behauptet, dass ich mich nicht zu früh freuen sollte. Als
ich genauer nachfrage, erklärt mir Georg besserwisserisch, dass ich zuerst den
Kauf des Anwesen am Willoughby Drive unter Dach und Fach bringen muss und mich
dann bei der Stadtverwaltung über die Möglichkeit eines Daueraufenthalts
schlau machen sollte - das wird ein Kinderspiel.
11.15 Uhr Nachdem wir unsere ausgetrockneten Kehlen redlichst geölt haben,
spazieren wir weiter über das Gelände und lassen unsere aufregende Fahrt von Toronto
nach Naples im Juli 2007 noch einmal Revue passieren. Georg bringt lustige
Reiseanekdoten zur Sprache und erinnert an Herrn Warrenton (84), der uns in
einer DENNYS Gaststätte gebeten hatte, ihn von Richmond nach Henderson
mitzunehmen - das waren noch Zeiten. Mein Bruder kommt aus dem Lachen gar nicht
mehr heraus und meint, dass wir diese Tour irgendwann wiederholen sollten.
12.00 Uhr Nun wird es aber langsam Zeit, um Julies Restaurant aufzusuchen und
zum letzten Mal gemeinsam zu Mittag zu essen. Wir laufen zufrieden zum JEEP zurück
und rasen in einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt zu unserer
Stammgaststätte in die Vanderbilt Beach Road.
12.30 Uhr Als wir am Ziel ankommen, parke ich das KFZ gekonnt vor dem Eingang
und gebe meinem Bruder zu verstehen, dass ich heute die Spendierhosen anhabe und
ihn selbstverständlich einladen werde. Hungrig finden wir uns am Stammtisch ein
und bestellen bei der Frau Peggy (45) zwei Gläser Coca Cola sowie eine
gegrillte Hühnerbrust mit Tomatensauce, Gemüse und Reis für mich. Georg kann
sich nur schwer entscheiden und wählt letztendlich einen deftigen Käseburger
(unlöblich: Cheeseburger) mit Kartoffelstäben und Krautsalat - das schmeckt.
13.30 Uhr Nachdem wir das Essen verzehrt und uns von der freundlichen Bedienung
redlichst verabschiedet haben, krusen wir bei löblicher Jimmy Buffett
Musikuntermalung ins Wohngebiet zurück, um Georgs Habseligkeiten auf den
Rücksitz zu verfrachten. Danach bringe ich den Wagen erneut auf die Strasse und
presche in Richtung Norden davon. Da sich Georg während der Fahrt äusserst
wortkarg gibt, erzähle ich lustige Witze am laufenden Band und fordere meinen
Bruder auf, bessere Laune an den Tag zu legen. Anstatt meinem Ratschlag zu
folgen, winkt der Gute demonstrativ ab und antwortet, dass die Zeit im
Sonnenscheinstaat viel zu schnell vergangen ist - wie wahr.
15.00 Uhr Nach sechzig Minuten verlasse ich die Interstate 75 an der Ausfahrt
(unlöblich: EXIT) 128 und finde mich dank des Navigationssystems von GARMIN
bestens zurecht. Im Handumdrehen erreichen wir das Flughafengelände und können
den Wagen sicher auf einem kostenpflichtigen Stellplatz parken. Ich begleite
Georg zum US Airways Schalter und höre, das der Flug nach Philadelphia bzw.
Toronto in neunzig Minuten starten wird - nun heisst es wohl Abschied nehmen. Händeschüttelnd
verspreche ich, dass wir uns bestimmt bald wiedersehen werden. Georg stimmt
prompt zu und sagt, dass er spätestens am 20. Juni wieder einfliegen und mir
beim anstehenden Notartermin zur Seite stehen wird - das ist hervorragend.
15.30 Uhr Nachdem mein Bruder im Getümmel der Reisenden untergetaucht ist,
trete ich radiohörend die Heimfahrt an und komme in den Genuss, dem
stimmungsvollen Beitrag einer Musikcombo namens "Band Of Heathens"
lauschen zu dürfen. Der Radiomoderator geizt nicht mit wissenswerten Fakten und
berichtet, dass die fünfköpfige Gruppe aus Austin, Texas stammt und vor
wenigen Wochen eine nagelneue Kompaktscheibe veröffentlicht hat - hört sich
gar nicht schlecht an.
16.15 Uhr Bevor ich einen entspannten Nachmittag im kühlen Wohnzimmer einlege,
steuere ich zielsicher den "Drive Thru" (unlöblich: Fahr hindurch)
Schalter der "Dairy
Queen" (löblich: Molkerei Königin) Vertretung am Tamiami Trail an und
erwerbe bei einer übergewichtigen Mitarbeiterin einen Jumbobecher mit köstlichem
Schokoladeneis und Sahne. Danach kruse ich ruckzuck zum Lowbank Drive weiter und
erfreue mich am wunderschönen Wetter und der Landschaft Südfloridas - was kann
es schöneres geben.
16.45 Uhr Verschwitzt treffe ich im Ferienhaus meines Bruders ein und erkenne
beim Blick über den Gartenzaun, dass Herr Wang anscheinend ausgeflogen ist -
wie schade. Trotz allem lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und nehme
vor dem neumodischen Flachbildschirm im Wohnzimmer platz. Eisschleckend drücke
ich mich durch die vielen Fernsehprogramme und stosse nach kurzer Suche auf eine
alte Folge der Familiensendung "Little House on the Prairie" (in
Deutschland: Unsere kleine Farm) mit meinem Lieblingsschauspieler Michael Landon
in der Rolle des Charles Ingalls - wie schön.
17.00 Uhr Ich lehne mich genüsslich zurück und sehe, wie sich die Einwohner
der Gemeinde Walnut Grove auf die grosse Jahrhundertfeier vorbereiten. Doch die
Vorfreude erhält einen jähen Dämpfer, als bekannt wird, dass der russische
Immigrant Yuli Pyatakow seine Farm wegen Steuerschulden verlieren wird.
Selbstverständlich springt Charles sofort in die Bresche und verspricht seinem
Freund, ihm mit Geld und Muskelkraft auszuhelfen. Anstatt diesen
Freundschaftsdienst anzunehmen, schlägt Yuli das Angebot unverzüglich aus und
gibt James zu verstehen, dass er jahrelang unter dem russischen Regime leiden
musste und deswegen unter keinen Umständen wieder in eine Abhängigkeit geraten
möchte. Zu guter Letzt fügt der schlaue Mann an, dass er in den Vereinigten
Staaten von Amerika in Freiheit und unter Gott leben kann und ihm alle Möglichkeiten
offen stehen - welch weise Worte.
17.45 Uhr Laut seufzend schalte ich das Fernsehgerät aus und entscheide mich,
eine schmackhafte Fertigpizza ins Backrohr zu schieben und einen Tomatensalat
mit Zwiebelringen und Olivenöl zuzubereiten - wie gut das duftet.
18.30 Uhr Wenige Minuten später kann ich mich unter die schattenspendende Palme
in den Garten setzen und mir das italienische Schmankerl zur stimmungsvollen
Musikuntermalung einer Jimmy Buffett Kompaktscheibe schmecken lassen. Während
ich kraftvoll zubeisse und mir meine eigenen Gedanken mache, gesellt sich mein
Nachbar dazu und erzählt, dass er bis jetzt in seinem "Old Town
Hotel" (löblich: alte Stadt Hotel) arbeiten musste. Herr
Wang kommt aus dem Schimpfen gar nicht mehr heraus und berichtet, dass
Hausmeister Avanzatti (25) am Büroheimrechner herumgeschraubt und sämtliche
Vorreservierungen für die kommende Woche gelöscht hat - wie schrecklich. Um
Herrn Wang eine kleine Freude zu bereiten, köpfe ich ein Fläschchen Schaumwein
der Nobelmarke Louis Roederer und gebe zu Protokoll, dass ein kleines Schlückchen
nach dem ganzen Stress nicht schaden kann.
19.30 Uhr Nachdem wir gemeinsam die Küche auf Vordermann gebracht und die Spülmaschine
befüllt haben, nehmen wir entspannt am Schwimmbecken platz und vertreiben uns
den Abend mit Geschichten aus längst vergangenen Tagen. Herr Wang legt beste
Laune an den Tag und sagt, dass er mich morgen am liebsten nach Nashville
begleiten würde. Als ich schon eifrig nicke, windet sich der Gute jedoch aus
der Verantwortung und erwidert, dass er im Hotel leider unabkömmlich ist - wie
schade.
20.00 Uhr Just als ich etwas Schaumwein nachschenke und eine Packung
Kartoffelchips öffne, werden wir auf einen frechen Waschbären aufmerksam, der
sich am Terrassentisch tummelt und nach Essensresten Ausschau hält - wie
aufregend. Da ich ein grosses Herz für Tiere habe, kredenze ich dem am
weitesten verbreiteten Vertreter der Familie der Kleinbären ein
Kartoffelschmankerl aus der Tüte und komme aus dem Lachen gar nicht mehr
heraus. Herr Wang schüttelt nur den Kopf und erinnert daran, dass sich bald die
ganze Bärenfamilie im Garten versammeln wird - wie unlöblich.
21.15 Uhr Ein netter Abend geht zu Ende und ich verabschiede Herrn Wang
redlichst. Nachdem ich einen letzten Rundgang durchs Haus unternommen und sämtliche
Türen und Fenster sicher verschlossen habe, gehe ich zufrieden ins Bett und höre
noch etwas Radio. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 10.06.2008
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Reinhard Pfaffenberg |
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