Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

05.06.2008

07.00 Uhr Ich werde durch das laute Gezwitscher der Vögel geweckt und fühle mich blendend. Da auch heute wieder die Sonne vom Himmel lacht und für subtropische Temperaturen jenseits der 30°C (86°F) Marke sorgt, öffne ich gutgelaunt die Terrassentüre und absolviere die Morgengymnastik an der frischen Luft - wer rastet, der rostet. Während ich meine Muskeln ordentlich stähle, vernehme ich plötzlich lautes und sehr aggressives Telefonklingeln. Wie es sich gehört, nehme ich das Gespräch unverzüglich entgegen und freue mich sehr, als ich Sandras Stimme höre. Meine unterbelichtete Mitbewohnerin wünscht mir einen guten Morgen und berichtet, dass in meiner weissblauen Heimat gerade ein Regenschauer niedergeht - das interessiert mich nicht die Bohne. Schwitzend frage ich nach dem Grund des Anrufs und bringe in Erfahrung, dass Sandra just im Augenblick ihre Mittagspause angetreten hat und Amanda einen Besuch im Donutladen abstattet. Die Maid plappert wie ein Wasserfall und gibt ausserdem zu Protokoll, dass im Waldweg 11 alles in bester Ordnung ist - wie schön.
07.30 Uhr Nachdem ich den jungen Leuten Grüsse übermittelt habe, beende ich das kostspielige Telefonat und ziehe es vor, mich bei einem Wirbelbad zu entspannen und dem Radioprogramm zu lauschen. Unter anderem lerne ich, dass der beliebte amerikanische Präsident Ronald Reagan vor vier Jahren an den Folgen der Alzheimer Erkrankung verstorben ist - wie traurig. Wie jeder politikinteressierte Mensch weiss, trat der Hollywoodschauspieler im Jahre 1962 der Republikanischen Partei bei und machte sich daran, Geschichte zu schreiben und im Jahre 1980 als 40. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika ins Weisse Haus einzuziehen. Herr Reagan vereinfachte während seiner Präsidentschaft das Steuersystem der USA und schaffte es wie kein Zweiter, die hohe Arbeitslosenquote des Landes auf ein Minimum zu senken. In seiner zweiten Amtszeit bot er seinem russischen Gegenpart Michail Gorbatschow einen weitreichenden Abrüstungsvertrag an und sorgte dafür, dass der sogenannte "kalte Krieg" nach fast vierzig Jahren ein friedliches Ende fand.
08.30 Uhr Frisch in Schale geworfen begebe ich mich in die Küche und verzehre ein kleines Frühstück in Form von gerösteten Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast), zwei Spiegeleiern mit Speck sowie Hash Browns (löblich: Kartoffelröstis) - schmeckt nicht schlecht, Herr Specht. Während ich mich an den frischen Lebensmittel labe und den Immobilienteil in der "Naples Daily News" (löblich: Naples tägliche Neuigkeiten) überfliege, werde ich erneut durch unüberhörbares Telefonbimmeln unterbrochen. Diesmal meldet sich Scherriff Bradfort und teilt mir mit, dass seine Tante früher als erwartet von den "Internationalen Bingo Weltmeisterschaften" zurückgekehrt ist und mich gerne am Vormittag kennen lernen würde. Mein Bekannter geht noch weiter und berichtet, dass die 79jährige grundsätzlich bereit ist, ihr Häuschen zum Vorzugspreis von 380.000 DOLLARS an mich zu veräussern. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, notiere ich mir die Adresse und erfahre, dass ich gegen halb elf Uhr vorstellig werden soll - das ist die beste Nachricht des ganzen Tages.
09.00 Uhr Laut jauchzend werfe ich den Hörer auf die Gabel und renne zum Nachbarhaus, um Herrn Wang über diese Neuigkeit in Kenntnis zu setzen. Bei dieser Gelegenheit gebe ich meinem Bekannten auch zu verstehen, dass wir unseren geplanten Ausflug zu den Ten Thousand Islands (löblich: Zehntausend Inseln) leider verschieden müssen. Herr Wang ist begeistert und schlägt vor, dass ich der alten Schachtel unbedingt einen Blumenstrauss sowie ein Fläschchen Schaumwein mitbringen sollte - das ist eine hervorragende Idee. Spornstreichs mache ich kehrt und renne wie der Wind ins Schlafzimmer, um in einen modischen Anzug zu schlüpfen und mir eine Krawatte umzubinden - seht echt prima aus.
09.30 Uhr Nachdem ich sämtliche Fenster verriegelt und die zentrale TRANE Klimaanlage überprüft habe, steige ich voller Vorfreude in den JEEP Patriot ein und rase in einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt zum zwei Meilen entfernten PUBLIX Einkaufsmarkt. Unter anderem erwerbe ich ein Fläschchen Kristall Qualitätsschaumwein (unlöblich: Cristal Champagne) aus dem Hause Louis Roederer sowie einen farbenfrohen Blumenstrauss für 28 DOLLARS - Scherriff Bradforts Tante wird Augen machen.
10.00 Uhr Ich bezahle die Präsente mit einem 50 DOLLAR Schein und kruse als nächstes zur Immobilie in die Willoughby Road am La Playa Golfplatz. Als ich in das gepflegte Wohngebiet einfahre, werde ich plötzlich von einem neugierigen Rentner (90) aufgehalten - wie unlöblich. Missmutig präsentiere ich dem Heini den Blumenstrauss und erkläre, dass ich einen wichtigen Termin bei Frau Gloria Rabkin habe. Der Heini mustert mich ganz genau und greift zu einem Notizblock, um sich meine Angaben zu notieren. Wenige Augenblicke später fordert er mich auf, in Schrittgeschwindigkeit der Strasse zu folgen und vor dem dritten Haus auf der linken Seite anzuhalten. Kopfschüttelnd stelle ich den Wählhebel der Automatik auf "D" und fahre gemächlich zur angegebenen Adresse.
10.30 Uhr Pünktlich auf die Minute gleite ich cowboybehütet vom Ledersitz und finde mich vor einem wunderschönen Haus im französischen Baustil wieder - diese Idylle muss man einfach gesehen haben. Beeindruckt schaue ich die gepflegten Azaleen an und erkenne in meiner Funktion als Freizeitgärtner, dass die Hausbesitzerin einen grünen Daumen haben muss - wie schön. Als ich aufgeregt die Klingel betätige, öffnet eine kleine Dame mit blauen Haaren die Pforte und stellt sich mir als Gloria Rabkin vor. Natürlich überreiche ich der guten Frau prompt meine Präsente und teile ihr mit, dass es eine grosse Freude ist, hier sein zu dürfen. Frau Gloria bittet mich ohne zu zögern herein und führt mich ins lichtdurchflutete Wohnzimmer. Ausserdem kommt die Dame des Hauses auf den Grund der Einladung zu sprechen und behauptet, dass sie noch in diesem Sommer zu ihrer Schwester nach Chicago umziehen wird und deswegen das Anwesen schnellstmöglich verkaufen muss. Bevor ich mich entscheide, lasse ich mich weiter durch die Villa führen und bemerke, dass nicht nur zwei Schlafzimmer und zwei luxuriös ausgestattete Bäder, sondern auch ein begehbarer Schrank, eine Doppelgarage sowie eine überdachte Terrasse zur Verfügung stehen. HEUREKA - ich bin mir ziemlich sicher, dass der Kaufpreis von 380.000 DOLLARS nicht zu hoch gegriffen ist.
11.00 Uhr Nachdem ich alles inspiziert habe, kredenzt mir Frau Rabkin auf der Terrasse einen Schluck Schaumwein und erkundigt sich, ob ich immer noch mit dem Gedanken spiele, im Sonnenscheinstaat heimisch zu werden. Selbstverständlich nicke ich eifrig und erwidere, dass ich meine Meinung nicht geändert habe und gerne in der Willoughby Strasse meinen Lebensabend verbringen würde. Mein Gegenüber kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und sagt, dass die Ortsverwaltung neben der monatlichen Grundsteuer von 375 DOLLARS zudem eine Schuljahresabgabe von 115 DOLLARS beschlossen hat - wie unlöblich. Da ich jedoch über ein stattliches Vermögen auf diversen Bankkonten verfüge und einige Goldmünzen und Aktien mein Eigen nenne, winke ich demonstrativ ab und erkläre, dass ich sämtliche Nebenkosten ohne Probleme stemmen werde. Frau Rabkin ist überglücklich und sagt, dass wir uns bereits in den kommenden Tagen handelseinig werden könnten - das sehe ich genauso. Um auf Nummer sicher zu gehen, bringe ich den Besuch meines Bruders ins Spiel und lote die Möglichkeit aus, das Haus am Samstag noch einmal ganz genau zu besichtigen. Die nette Dame zeigt sich einverstanden und überreicht mir eine Visitenkarte mit der Bitte, vor dem Besichtigungstermin kurz anzurufen.
11.30 Uhr Während wir unsere Blicke über den künstlich angelegten See hinter dem Anwesen schweifen lassen und ein Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) führen, rückt die nette Frau mit der ganzen Wahrheit heraus und erzählt, dass sie seit zwei Jahren an Bluthochdruck leidet und von den behandelten Ärzten den Ratschlag bekommen hat, in eine gemässigtere Klimazone umzuziehen. Als ich erschrocken aufblicke, beruhigt mich Frau Rabkin redlichst und sagt, dass dieses Leiden nicht der Rede wert ist.
12.30 Uhr Nachdem ich mein Sektglas geleert und der netten Frau einen schönen Nachmittag gewünscht habe, kehre ich gutgelaunt zum JEEP zurück und komme dabei zu dem Schluss, dass ich höchstwahrscheinlich gerade mein neues Zuhause gefunden habe. Sollte Georg keine Einwände haben, könnte ich bereits in der kommenden Woche bei meiner Hausbank anrufen und die Finanzierung in die Wege leiten - wie aufregend. Zur stimmungsvollen Musikberieselung von WCKT CAT COUNTRY (löblich: Katze Land) trete ich die Heimfahrt an und lasse mir die angenehme Brise um die Nase wehen.
13.00 Uhr Daheim angekommen, laufe ich in Herrn Wangs Garten und finde meinen Nachbarn planschend im Schwimmbecken vor. Wild gestikulierend lasse ich meine Immobilienbesichtigung noch einmal Revue passieren und erzähle stolz, dass ich mir das schönste Haus in ganz Naples ausgesucht. Herr Wang lässt sich meine Erlebnisse in allen Einzelheiten berichten und vertritt ebenfalls die Meinung, dass ich mir das super Haus in der Willoughby Road nicht entgehen lassen sollte - wie schön.
13.30 Uhr Mit knurrendem Magen hüpfe ich über den Gartenzaun und entschliesse mich, ein schmackhaftes Mittagessen zuzubereiten. Ich fackle nicht lange und öffne das Gefrierfach, um eine köstliche Salamipizza auszuwählen. Bevor ich die italienische Spezialität ins vorgeheizte Backrohr schieb, schneide ich eine Gurke in hauchdünne Scheiben und zaubere in Minutenschnelle eine vitaminreiche Salatbeilage mit Zwiebeln und Olivenöl - wie gut das duftet.
14.00 Uhr Zur stimmungsvollen Musik der Beach Boys (löblich: Strand Jungs) geniesse ich die Pizza auf der Terrasse und komme so richtig ins Schwärmen. HEUREKA - wenn alles nach meinen Vorstellungen läuft, könnte ich schon in wenigen Wochen meinen endgültigen Abschied aus Deutschland in die Wege leiten und für immer unter Palmen leben.
14.30 Uhr Nachdem ich mir als Nachspeise einen Schokokeks aus dem WINN DIXIE Markt genehmigt habe, verfrachte ich das Geschirr in die neumoderne Spülmaschine und sorge in der Küche für Ordnung und Sauberkeit - ein gepflegtes Eigenheim ist mir nämlich ganz besonders wichtig.
15.00 Uhr Erschöpft lege ich im redlichst klimatisierten Wohnzimmer einen Mittagsschlaf ein und träume von meiner aufregenden Kulturreise nach Rom im vergangenen Februar.
16.00 Uhr Just als ich von einer Privataudienz bei unserem bayerischen Papst Benedikt XVI. träume, werde ich durch lautes und ganz besonders schrilles Telefonklingeln gestört - wie ärgerlich. Schlaftrunken nehme ich den Hörer ab und habe ganz überraschend Georg in der Leitung. Mein Bruder legt beste Laune an den Tag und erinnert mich daran, dass er morgen in aller Frühe in Toronto abfliegen und um zehn vor eins mit Flug 1157 der US Airways (löblich: US Luftwege) aus Philadelphia kommend landen wird. Ich freue mich sehr und verspreche Georg, ihn pünktlich auf die Minute abzuholen - das ist phantastisch.
16.15 Uhr Kaffeetrinkend nehme ich am Heimrechner platz und beginne, die elektronische Post zu lesen und mich um die vielen Fragen besorgter Heimseitenbesucher zu kümmern. Unter anderem lese ich die Depesche von Sylvia D. aus Köln und erfahre, dass ihr garstiger Sohn Jens (13) angekündigt hat, alle Spiel der Fussball Europameisterschaft im Fernsehen anzuschauen - wie unlöblich. Selbstverständlich rate ich der Mutter, härtere Saiten aufzuziehen und das TV Gerät im Keller zu verstecken - wo kämen wir denn da hin.
16.45 Uhr Nachdem ich weitere elektronische Briefe im Rahmen der wichtigen Anschnurseelsorge versendet habe, widme ich mich meiner privaten Korrespondenz und verfasse ein Schreiben an Prof. Edelbert Kuhn. Unter anderem teile ich meinem Bekannten mit, dass ich mittlerweile ein geeignetes Objekt im Rentnerparadies gefunden habe und mitten in Verkaufsverhandlungen stecke.
17.15 Uhr Endlich ist die anstrengende Arbeit beendet und ich kann den Heimrechner mausdrückend herunterfahren. Danach sehe ich im Garten nach dem Rechten und erkenne, dass die Pflanzen und Sträucher frisches Wasser vertragen könnten. Als ich das schöne Lied von der "launischen Forelle" singe und mit dem Wasserschlauch hantiere, kommt Herr Wang an den Zaun und bringt den Besuch einer neu eröffneten Strandgaststätte ins Spiel - das ist eine hervorragende Idee. Da mir sowieso der Magen knurrt, stimme ich zu und dränge zur sofortigen Abfahrt.
17.45 Uhr Nach einer kurzweiligen Fahrt auf der Vanderbilt Beach Road, biegt Herr Wang auf einen Parkplatz ab und sagt, dass wir heute im "Laolas Tiki Bar & Bar" speisen werden. Gutgelaunt hüpfe ich aus dem luxuriösen BMW und sehe, dass es sich bei besagtem Gasthaus um ein kreolisches Feinschmeckerlokal handelt - das ist super trouper.
18.15 Uhr Laut plappernd nehmen wir an einem schönen Fenstertisch mit Ausblick auf den Ozean platz und bekommen zur Begrüssung zwei Langgetränke (unlöblich: Longdrinks) kredenzt. Während ich den Tequilatrunk skeptisch beäuge, erklärt Herr Wang mit erhobenem Zeigefinger, dass dieses einladende Gewerbe erst vor wenigen Wochen seine Pforten geöffnet hat. Da wir die Küche der Südstaaten sehr zu schätzen wissen, schlagen wir die Speisekarten auf und wählen ein Gericht namens "Shrimp Creole" mit frischen Golfschrimps, Reis, Tomaten und einer Prise Cayenne Pfeffer von der Tageskarte aus - schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen.
18.45 Uhr Als das Abendessen endlich serviert wird, staune ich nicht schlecht und stelle fest, dass die Mahlzeit ganz ausgezeichnet schmecken. Herr Wang stimmt uneingeschränkt zu und behauptet, dass er sich an der köstlichen Reisbeilage gar nicht satt essen kann - wie wahr.
19.45 Uhr Nach weiteren Bieren bemerke ich plötzlich, dass ich meine Geldbörse zuhause vergessen habe - wie unlöblich. Gott sei Dank springt Herr Wang in die Bresche und bezahlt die gesalzene Rechnung mit einer unlöblichen Kreditkarte namens VISA. Anschliessend verlassen wir erheitert die schöne Strandwirtschaft und brausen ruckzuck zum Lowbank Drive zurück.
20.30 Uhr Nachdem ich meinem Bekannten eine gute Nacht gewünscht habe, falle ich erschöpft aufs Wohnzimmersofa und drücke auf den "ON" (löblich: AN) Knopf der neumodischen Fernbedienung. Ich informiere mich auf CNN über die tagesaktuellen Geschehnisse und höre, dass Barack Obama mittlerweile als Herausforderer des republikanischen Präsidentschaftskandidaten John McCain feststeht. Nach einem hart umkämpften Vorwahlmarathon sicherte sich der vor einem Jahr noch weitgehend unbekannte Senator aus Illinois die Kandidatur der Demokraten. Hillary Clinton, die als haushohe Favoritin ins Rennen ging, wird von angesehenen Politikwissenschaftler jetzt schon als mögliche Vizepräsidentschaftskandidatin ins Spiel gebracht - das hat gerade noch gefehlt. Sollte sich Frau Clinton wirklich zur Verfügung stellen, kann man jetzt schon sicher sein, dass Barack Obama die Wahlen im November verlieren wird.
21.00 Uhr Kopfschüttelnd drücke ich mich weiter durch die unzähligen Programme und verweile letztendlich auf dem "History Channel" (löblich: Geschichtskanal). Heute wird über den Vietnamkrieg berichtet und anschaulich aufgezeigt, mit welchen Widrigkeiten die löblichen amerikanischen Soldaten zu kämpfen hatten.
22.00 Uhr Ein wunderschöner Tag geht langsam zu Ende und ich schalte das Fernsehgerät laut gähnend aus. Nachdem ich sämtliche Fenster und Türen sicher verschlossen habe, gehe ich zufrieden ins Bett und träume von meinem neuen Eigenheim in Florida. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 05.06.2008
© Reinhard Pfaffenberg