Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

30.05.2008

07.00 Uhr Der leistungsstarker Weltempfänger geht an und weckt mich mit einer Nachrichtensendung aus meiner weissblauen Heimat. Angeekelt lausche ich den Schreckensmeldungen aus Berlin und entschliesse mich nach wenigen Augenblicken, das Radio auszuschalten. Oskar Lafontaine, Gregor Gysi und Co. können mir gestohlen bleiben. Um für gute Laune am frühen Morgen zu sorgen, wähle ich das Programm von "WCKT CAT COUNTRY" (löblich: WCKT Katze Land) aus und fröne dem Trace Adkins Superschlag "Honky Tonk Badonkadonk" - da kommt Stimmung auf.
07.15 Uhr Düdeldü - da Herr Wang anscheinend immer noch im Reich der Träume verweilt, schlüpfe ich in meine modische Badehose und ziehe es vor, zum Meer zu fahren und einen Sprung ins kühle Nass zu wagen. Um meinen Nachbarn über den Ausflug in Kenntnis zu setzen, hinterlege ich eine handschriftlich verfasste Notiz auf dem Terrassentisch und fordere ihn auf, gegen 9 Uhr in Julies Restaurant zu erscheinen. Anschliessend presche ich sonnenbebrillt aus der Garage und steuere den JEEP gekonnt nach Westen.
07.45 Uhr Nach wenigen Meilen treffe ich am "Delnor Wiggins State Park" ein und kann den Wagen ohne Schwierigkeiten abstellen. Laut jauchzend renne ich zum Strand und springe kopfüber ins azurblaue Wasser, um zum Meeresgrund zu tauchen und mich im Rückenschwimmen zu üben. HEUREKA - was kann es schöneres geben.
08.15 Uhr Nachdem ich mich redlichst erfrischt habe, kehre ich an den Strand zurück und beobachte die vielen Spaziergänger, die die kühle Morgenbrise ausnutzen, um erquickende Dauerläufe zu unternehmen und nach Muscheln Ausschau zu halten.
08.30 Uhr Als ich auf meine wertvolle ROLEX schaue und mit glasklarem LASIK Blick die Zeit ablese, erkenne ich, dass ich mich langsam sputen sollte. Um nicht zu spät zum Frühstück zu erscheinen, packe ich meine Badesachen zusammen und eile zum Fahrzeug zurück. Musikhörend bringe ich den PS-strotzenden JEEP Patriot auf die Strasse und fahre laut hupend zum Gasthaus meines Vertrauens in die Vanderbilt Beach Strasse.
09.00 Uhr Pünktlich auf die Minute betrete ich das einladende Wirtshaus und sehe, dass Herr Wang auch schon eingetroffen ist und sich eine Tasse Kaffee munden lässt. Nachdem ich Frau Julie begrüsst und sie über meinen vierwöchigen Aufenthalt in Kenntnis gesetzt habe, hocke ich mich an den Tisch und wähle ein grosses Frühstück, bestehend aus röstfrischen Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast), Rühreiern mit Speckstreifen (unlöblich: Bacon) und hausgemachten Frühstückskartoffeln. Die Wirtin notiert sich die Bestellung mit einem Lächeln auf den Lippen und sagt, dass Herr und Frau Porello wahrscheinlich auch gleich erscheinen werden. Als ich genauer nachfrage, meldet sich Herr Wang zu Wort und bestätigt, dass die zwei ihr Frühstück für gewöhnlich auch in diesem Restaurant einnehmen - das soll mir auch Recht sein.
09.30 Uhr Als ich kraftvoll zubeisse und am köstlichen Bohnentrunk nippe, kommen die Porellos tatsächlich dazu und freuen sich sehr, mich nach fünf langen Monaten endlich wieder zu sehen. Die beiden gesellen sich zu uns und plappern davon, dass sie am Vormittag einen Schoppingausflug in die Innenstadt unternehmen wollen. Als mich Herr Porello skeptisch beäugt und vorschlägt, dass ich doch mitkommen könnte, winde ich mich gekonnt aus der Verantwortung und gebe vor, dass ich leider wichtige Geschäftstermine habe. Um schnellstmöglich das Thema zu wechseln, seufze ich laut und erzähle den Leuten, dass ich heute schon am Strand war und mir ein kühles Bad im Golf von Mexiko genehmigt habe. Frau Porello ist begeistert und erwidert, dass sie erst vor wenigen Tagen in der Zeitung gelesen hat, dass die Wasserqualität rund um Naples zu den besten des ganzen Landes zählt - das ist prima. An diesem Beispiel sieht man anschaulich, dass die gewählten Volksvertreter grössten Wert auf den Umweltschutz legen. Daran sollte sich die unfähige Bundesregierung unter Federführung von Angela Merkel ein Beispiel nehmen.
10.15 Uhr Zufrieden leere ich meinen Becher und teile Herrn Wang unmissverständlich mit, dass wir uns nun auf den Weg machen und in die Lennard Road fahren sollten. Zu allem Überfluss mischt sich Herr Porello in das Gespräch ein und sagt, dass er einen aus Italien stammenden Grundstücksmakler kennt, der besonders günstige Schnäppchen in Hafennähe feilbietet - wie unlöblich. Um nicht in krumme Mafiageschäfte hineingezogen zu werden, lehne ich dankend ab und erkläre, dass ich bereits gestern mit einem Makler gesprochen und einen Besichtigungstermin vereinbart habe. Mein Tischnachbar lässt sich jedoch nicht abwimmeln und behauptet, dass ich mich bei Fragen jederzeit an ihn wenden kann.
10.30 Uhr Nachdem Herr Wang die Rechnung mit seiner unlöblichen Kreditkarte namens VISA beglichen hat, steigen wir in unsere Fahrzeuge ein und schicken uns an, nach Norden zu fahren und den Besichtigungstermin um 11 Uhr wahrzunehmen - das wird spannend.
11.00 Uhr Nach einer kurzen Fahrt treffen wir vor dem schönen Anwesen in der Lennard Road ein und bemerken, dass der Makler auch schon vor Ort ist und auf der Veranda steht - diese Idylle muss man einfach gesehen haben. Mein Begleiter staunt nicht schlecht und unkt, dass dieses Haus wohl kaum erschwinglich sein wird - papperlapapp. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, renne ich zum Haus und werde von dem zuvorkommenden Anzugträger in die lichtdurchflutete Villa gebeten. Der Heini stellt sich uns als John Schaebler von der Immobilienfirma "Schaebler & Bernard" vor und erläutert, dass das schöne Anwesen im Jahre 1986 erbaut wurde und bis vor wenigen Monaten im Besitz der vierköpfigen Familie Bates war. Als ich mir weitere Infos erbete und auf nach dem Verbleib dieser Familie frage, beruhigt mich Herr Schaebler redlichst und verrät, dass die armen Leute einem verheerenden Autounfall vor den Toren Miamis zum Opfer gefallen sind - wie traurig. Trotz der schlechten Nachrichten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und wandere weiter durch die einladende Immobilie. Der Hausverkäufer versorgt mich währenddessen mit wissenswerten Fakten und plappert davon, dass das einstöckige Gebäude im viktorianischen Stil erbaut wurde und neben drei Schlafzimmern, einem Esszimmer, einer grossen Küche, Wohnzimmer und zwei luxuriösen Bädern ausserdem mit einer praktischen Bastelecke aufwartet - das ist super trouper.
11.30 Uhr Beeindruckt laufe ich in das möblierte Wohnzimmer und stelle anerkennend fest, dass hinter dem Anwesen sogar ein grosses Schwimmbecken vorhanden ist - das wird ja immer besser.
12.00 Uhr Nach sechzig Minuten haben wir alles gesehen und finden uns erneut im Wohnzimmer ein, um über den Kaufpreis zu verhandeln. Herr Schaebler überreicht mir einen Hochglanzprospekt und behauptet, dass der Kaufpreis 575.000 DOLLARS beträgt und nicht verhandelbar ist. Zudem erfahren wir, dass an die Stadtverwaltung pro Monat eine Grundsteuer in Höhe von 1.175,-- Dollars abgeführt werden muss - wie unlöblich. Da man ein Geschäft nicht zwischen Tür und Angel abwickeln darf, handeln wir eine Bedenkzeit von zehn Tagen aus und verabreden für den 7. Juni ein weiteres Gespräch an gleicher Stelle.
12.30 Uhr Nachdenklich kehre ich zum Fahrzeug zurück und bin mir gar nicht sicher, ob ich so viel Geld für ein neues Haus aufbringen will. Herr Wang ist jedoch kaum zu bändigen und drängt mich, noch heute bei meiner Hausbank anzurufen und die Finanzierung in die Wege zu leiten - wie unlöblich.
13.00 Uhr Wieder zurück im Lowbank Drive verabschiede ich mich von meinem Nachbarn und bereite mir in der Küche ein kleines Mittagessen in Form zweier Schinkenbrote zu. Danach setze ich mich grübelnd an den Esstisch und kann gar nicht glauben, wie schnell man in Florida eine Immobilie finden kann. HEUREKA - vielleicht sollte ich Georg anrufen und ihn bitten, kurzfristig nach Naples zu kommen, um mir beim Hauskauf zur Seite zu stehen. Immerhin ist mein Bruder ein erfolgreicher Bauunternehmer und kennt sich in der Immobilienbranche bestens aus.
13.30 Uhr Nachdem ich die Spülmaschine knopfdrückend in Betrieb genommen habe, lasse ich mich aufs Sofa fallen und schliesse die Augen. Wenig später schlummere ich ein und träume von meinen Haustieren in der alten Heimat.
14.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und springe mit Elan vom Sofa. Laut gähnend reguliere ich die zentrale TRANE Klimaanlage und greife ganz spontan zu meiner Schwarzbeere, um meinen Bruder im fernen Toronto zu kontaktieren. Georg nimmt das Gespräch nach dem zweiten Klingeln entgegen und freut sich über meinen Besichtigungstermin. Als ich jedoch den Kaufpreis ins Spiel bringe, fällt er mir ins Wort und meint, dass wir uns noch einmal eingehend mit dem Verkäufer unterhalten sollten. Georg notiert sich meine Angaben und verspricht, am kommenden Freitag kurzfristig nach Naples zu kommen, um sich das Gebäude anzusehen und der Immobilienfirma einen Besuch abzustatten - das ist die beste Nachricht des ganzen Tages. Erleichtert willige ich ein und verspreche, ihn am Freitag vom Flughafen abzuholen.
15.00 Uhr Gutgelaunt beende ich das kostspielige Ferngespräch und brühe als nächstes frischen Kaffee auf. Ausserdem garniere ich ein Stück Käsekuchen mit etwas Schlagsahne aus der praktischen Sprühdose und finde mich danach am Heimrechner im Arbeitszimmer ein. Gekonnt stelle ich die Anschnurverbindung her und staune nicht schlecht, als ich eine elektronische Depesche meiner Untermieterin im Posteingang vorfinde. Unter anderem berichtet Sandra, dass sie gestern Abend eine Handelsreisende (37) in der Pension Waldblick aufgenommen hat. Wenn man den Ausführungen meiner Mitbewohnerin Glauben schenken kann, soll die besagte Dame in der Arzneimittelbranche tätig sein und zwei Tage bleiben wollen - das kann mir nur Recht sein. Natürlich verfasse ich ohne zu zögern ein Antwortschreiben und teile dem Kind mit, dass es 49 EUROS pro Übernachtung in Rechnung stellen und Frau Mars mit der Zimmerreinigung beauftragen soll. Bei dieser Gelegenheit berichte ich meiner Untermieterin, dass ich bereits Nägel mit Köpfen gemacht und ein schönes Haus in Naples besichtigt habe.
15.30 Uhr Düdeldü - im Anschluss kümmere ich mich um die wichtige Anschnurarbeit und bearbeite mehrere Fragen besorgter Erziehungsberechtigter. Eine kleine Frau aus dem ostdeutschen Hoyerswerda klagt mir ihr Leid und schreibt, dass ihr Sohn Mario (16) harte Drogen nimmt und heimlich Haschzigaretten und sogar Kreck raucht - das ist ja allerhand. Da man dieses Treiben unter keinen Umständen dulden kann, spende ich der armen Frau Trost und rate ihr, dem Buben das Taschengeld zu streichen - so kann es jedenfalls nicht weitergehen.
16.15 Uhr Nachdem ich die neuesten Einträge im elektronischen Gästebuch studiert habe, gehe ich von der Leine und gönne mir als kleine Belohnung ein schmackhaftes Erdbeereis - das schmeckt. Danach laufe ich in den Garten und stelle fest, dass das Schwimmbecken gereinigt und die Pflanzen gegossen werden müssen. Da ich keine Lust habe, eine Firma mit den Arbeiten zu beauftragen, spucke ich selbst in die Hände und mache mich daran, den Schmutz aus dem Wasser zu fischen und die Filter zu säubern. Ferner fege ich die Terrasse und sorge dafür, dass die Mangrovengewächse mit Frischwasser versorgt werden - das könnte nicht einmal ein Gärtner besser.
17.15 Uhr Nach getaner Arbeit lasse ich mich verschwitzt am Schwimmbeckenrand nieder und bade meine Füsse im angenehm kühlen Wasser. Nebenbei mache ich mir eigene Gedanken bezüglich des Abendessens und komme schnell zu dem Schluss, dass ein Abstecher in eine Taco Bell Gaststätte den Tag richtig abrunden würde.
18.00 Uhr Nachdem ich mir eine kalte Dusche genehmigt und mich in Schale geworfen habe, rase ich in einer waghalsigen Hochgeschwindigkeitsfahrt zur vier Meilen entfernten Taco Bell Gaststätte in die Pine Ridge Road. Dort angekommen, parke ich meinen Geländewagen sicher auf dem Kundenparkplatz und gebe bei einer jungen Mitarbeiterin eine Portion Nachos Supreme, ein Grilled Steak Soft Taco (löblich: gegrilltes Schnitzel Weichtaco) sowie einen halben Liter Diet Pepsi Cola (löblich: Diät Pepsi Cola) in Auftrag. HEUREKA - schon beim Anblick dieser Speisen läuft einem das Wasser im Munde zusammen.
18.30 Uhr Als ich mich an einen einladenden Plastiktisch setze und mir die Brotzeit zu Gemüte führe, werde ich plötzlich Zeuge, wie sich mehrere Demonstranten vor dem Gewerbe einfinden und lautstark gegen die Unternehmensführung protestieren. Neugierig winke ich eine Reinigungskraft herbei und erfahre auf Anfrage, dass sich die Gammler gegen die geringen Löhne auflehnen und gleichzeitig für besseren Arbeitsschutz eintreten - diesen Unsinn muss man gehört haben. Kopfschüttelnd beisse ich in den Taco und lasse es mir nicht nehmen, den garstigen Leuten den Vogel zu zeigen - wo soll das nur hinführen mit dieser Welt.
19.15 Uhr Zuhause angekommen, schenke ich mir ein grosses Glas Coca Cola ein und finde mich erschöpft vor dem überdimensionalen Flachbildschirm im Wohnzimmer ein. Gelangweilt drücke ich mich durch die unzähligen Satellitenprogramme und verfolge auf dem History Channel (löblich: Geschichtskanal) eine lehrreiche Dokumentation über den amerikanischen General William Westmoreland, der als Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen während des Vietnamkriegs fungierte - wie interessant.
19.30 Uhr Nachdem ich mich auf CNN über die politischen Entwicklungen in der Welt schlau gemacht habe, wechsle ich erneut den Sender und sehe mir auf TNT dem schönen Familienfilm "Forrest Gump" mit Tom Hanks in der Hauptrolle an. Obwohl ich diese Produktion schon mehrmals gesehen habe, komme ich auch diesmal aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und amüsiere mich köstlich. Wie jeder weiss, erzählt besagter Spielfilm die fiktive Geschichte des unterbelichteten Forrest, der auf seltsame Art und Weise die grossen Ereignisse des 20. Jahrhunderts hautnah miterlebt.
21.30 Uhr Als nach 120 Filmminuten der Abspann läuft, drücke ich auf den "OFF" (löblich: AUS) Knopf der Fernbedienung und unternehme einen letzten Rundgang durchs Ferienhaus. Nachdem ich sämtliche Fenster und Türen sicher verschlossen habe, gehe ich ins Bett und schlafe sofort ein. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 30.05.2008
© Reinhard Pfaffenberg