Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

22.12.2007

06.30 Uhr Ich erwache unlöblichst und habe gar keine Orientierung. Erst nachdem ich aus dem Fenster geblickt und einen silberfarbenen Dodge Magnum auf der Strasse gesehen habe, fällt mir ein, dass ich mich seit gestern bei meiner Familie in Toronto befinde - wie schön. Ruckzuck öffne ich das Fenster und führe bei eiskalten Temperaturen und Schneefall den wichtigen Frühsport an der frischen Luft durch - Morgenstund' hat bekanntlich Gold im Mund. 
06.45 Uhr Obwohl es noch nicht einmal sieben Uhr geschlagen hat, begebe ich mich schnurstracks ins Badezimmer und läute den Tag mit einem Wirbelbad der Extraklasse ein. Während ich zu Schwamm und einer duftenden Lavendelseife greife, lausche ich dem Kurzwellenradioprogramm aus meiner weissblauen Heimat und höre, dass die öffentlich rechtlichen Fernsehsender in der Zuschauergunst auf ein Rekordtief abgerutscht sind - das war auch nicht anders zu erwarten. Das renommierte Hamburger Magazin "Spiegel" berichtet unter Berufung auf Prognosen der besagten Sender, dass der Marktanteil der ARD trotz Quotenbringer wie Volksmusiksendungen und Sportübertragungen nur noch 13,4 Prozent beträgt - das ist ja allerhand. Noch schlechter fallen nach Angaben der Wochenzeitung die Anteile des ZDF aus. Der Sender rechnet nach aktuellen Erhebungen nur noch mit einem Wert von geschätzten 12,8%. Dieses Beispiel zeigt anschaulich auf, dass immer weniger Bundesbürger die durch Zwangsgebühren finanzierten Kanäle einschalten und sich dem fragwürdigen "Qualitätsprogramm" widmen. Zieht man die Zahlen der konkurrierenden Privatsender heran, erkennt sogar jedes Kind, dass die Menschen in Deutschland viel lieber RTL oder SAT1 ihr Vertrauen schenken und kaum mehr gewillt sind, zwielichtigen Polit-Formaten wie "Frontal 24", "Monitor" oder "Fakt" beizuwohnen. Zu allem Überfluss hat sich vor wenigen Tagen mit Bernd Neumann ein Kulturstaatsminister zu Wort gemeldet und noch höhere Gebühren für das ZDF gefordert. Laut eines Berichts der "Süddeutschen Zeitung" soll der Heini eine Umverteilung der Fernsehgebühren zu Gunsten des ZDF ins Gespräch gebracht haben - das wird ja immer schöner. Anstatt dem Fernsehzuschauer immer tiefer in die Geldbörse zu greifen, wären die Verantwortlichen besser beraten, das GEZ-Geschäftsmodell schnellstens zu überdenken und die Gebühren auf ein angemessenes Mass zu senken. In Zeiten, in denen über viel zu hohe Menetschergehälter debattiert wird, sollten auch die überheblichen Intendanten des öffentlich rechtlichen Fernsehens ihren Beitrag leisten und ihre Gürtel etwas enger schnallen. 
07.45 Uhr Stinksauer beende ich das Badevergnügen und werfe mich sauber in Schale. Nachdem ich in eine frisch gewaschene WRANGLER Tschiens sowie einen modernen Pullover geschlüpft bin, eile ich nach unten und sehe, dass David (2) auch schon auf den Beinen ist und im Wohnzimmer mit einer Holzeisenbahn spielt - wie schön. Selbstverständlich nehme ich den Kleinen unverzüglich auf den Arm und geselle mich zu Amanda, James, Georg und Maria an den reich gedeckten Frühstückstisch. Während meine Schwägerin eine Tasse mit köstlichem Bohnentrunk auffüllt und mir ein französisches Hörnchen (unlöblich: Croissant) anbietet, lacht Amanda in einer Tour und kündigt grossspurig an, gleich zum Weihnachtsschopping aufbrechen zu wollen - wie aufregend. Georg stimmt prompt zu und sagt, dass er sich heute ebenfalls auf den Weg machen wird, um für Maria einen funkelnden Ring oder andere Juwelen zu kaufen - gleich schlägt es Dreizehn. Da Weihnachten bekanntlich das Fest der Liebe und nicht des Geldes ist, erteile ich diesen Ankündigungen eine Absage und stelle unmissverständlich klar, dass ich nicht gewillt bin, diesen Konsumwahn weiter mitzumachen. Maria stimmt zu und sagt, dass die Menschen endlich aufhören müssen, aus dem drittwichtigsten Fest des Kirchenjahres ein knallbuntes Konsumspektakel zu veranstalten - dieser Aussage kann ich nichts mehr hinzufügen. Zufrieden greife ich zu meinem Champagnerglas und gebe mit erhobenem Zeigefinger zu Protokoll, dass wir uns Marias Ansprache zu Herzen nehmen und nicht über die Stränge schlagen sollten. 
08.30 Uhr Just als ich mir etwas Trüffelpastete aus dem fernen Frankreich auf eine geröstete Weissbrotscheibe (unlöblich: Toast) streiche und kraftvoll zubeisse, klingelt es laut und ganz besonders aggressiv an der Türe. Zu meiner Freude stattet uns James bester Freund, Herr Sam Dietz, einen kleinen Besuch ab und lässt es sich nicht nehmen, sich zu uns an die Tafel zu setzen. Während sich der Bube eine stinkende Zigarette anzündet, erkundige ich mich nach dem Rechten und höre, dass Herr Dietz nur gekommen ist, um James zu den Proben für das Konzert am Mittwoch abzuholen. Als ich mir weiterführende Informationen erbete, überreicht mit der Gute ein Flugblatt (unlöblich: Flyer) und erzählt, dass die Combo "Northstar" (unlöblich: Nordstern) am 26. Dezember mit international anerkannten Musikanten in der "Ryan Cobbs Halle" im Stadtteil Woodbridge auftreten wird. James geht sogar noch weiter und weist uns darauf hin, dass seine Bande bei dieser Benefizveranstaltung als Vorgruppe für "Blitzen Trapper" und "Blue Rodeo" herhalten muss - wie aufregend. Obwohl ich nur Bahnhof verstehe, klopfe ich James anerkennend auf die Schulter und versichere ihm, dass er bald Millionen Dollars verdienen wird und sich ein schickes Strandhaus in Miami leisten kann. 
09.30 Uhr Nachdem die fleissigen Leuten das Haus verlassen haben und in Herrn Dietz Ford Mustang gestiegen sind, geselle ich mich mit Georg und David ins Wohnzimmer und blättere im "Toronto Star" (löblich: Toronto Stern). Während ich die bunte Seite überfliege, stosse ich plötzlich auf eine halbseitige Hochglanzanzeige und lese, dass das renommierte "Eaton Center" während dieser Woche mit einem Weihnachtssonderverkauf lockt. Als ich meinem Bruder die Reklame unter die Nase halte, klatscht er in die Hände und schlägt vor,  den angebrochenen Tag dazu zu nutzen, letzte Einkäufe zu tätigen - das ist gar keine schlechte Idee. 
10.00 Uhr Da Amanda in der Zwischenzeit ebenfalls verschwunden ist und Maria Weihnachtsvorbereitungen trifft, entschliessen wir uns spontan, David auf unseren Ausflug mitzunehmen - das wird ein Spass. Gutgelaunt besteigen wir das Lincoln Towncar (löblich: Stadtwagen) und machen uns daran, mit durchdrehenden Reifen auf der Yongestreet in Richtung Süden zu preschen. Während John Denver sein schönes Lied "Rocky Mountain High" (löblich: Felsige Berge Hoch) zum Besten gibt, vertreiben wir uns die Zeit mit einem Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) und kommen unter anderem auf Laura zu sprechen. Georg erzählt stolz, dass seine Tochter vor kurzem eine Fortbildung absolviert hat und jetzt sogar als Geschichtslehrerin fungieren darf - das ist wirklich super trouper. Ferner höre ich, dass uns das Kind am Weihnachtsmorgen mit Sohn Paul (3) und Lebensgefährten William einen Besuch abstatten wird - wie schön. 
10.45 Uhr Nach einer kurzweiligen Fahrt treffen wir endlich im Stadtzentrum ein und können den Wagen sicher in einem Parkhaus in unmittelbarer Nähe des weltbekannten "Eaton Centers" abstellen - das klappt wieder wie am Schnürchen. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, nehme ich den laut plappernden David huckepack und folge Georg mit schnellen Schritten in eines der grössten Einkaufszentren, das der nordamerikanische Kontinent zu bieten hat. Während mein Grossneffe aus dem Staunen gar nicht mehr herauskommt und mir unentwegt auf den Kopf trommelt, schaue ich mich verwundert um und komme zu dem Ergebnis, dass sich in diesem vierstöckigen Gebäude Tausende Menschen tummeln - wie aufregend. 
11.00 Uhr Als erstes führt mich mein Bruder in eine Juwelierhandlung namens "BIRKS" und lässt es sich nicht nehmen, sich von einem hochnäsigen Verkäufer einige Halsketten und Armbänder aus Gold zeigen zu lassen. Obwohl ich auf Marias Ansprache während des Frühstücks verweise, zuckt mein Bruder nur mit den Schultern und meint, dass sich eine Frau über ein kostspieliges Schmuckstück trotzdem freuen wird. 
11.30 Uhr Nach langem Hin und Her fällt Georg eine Entscheidung und bezahlt ein knapp 2.000 DOLLAR teures Weissgoldarmband mit seiner unlöblichen Kreditkarte. Danach laufen wir tütenbepackt in den "Walt Disney Store" (löblich: Walt Disney Geschäft) und werden Zeuge, wie David ganz aus dem Häuschen gerät und sich zu Weihnachten nichts sehnlicher als ein ferngesteuertes Plastikauto wünscht. Misstrauisch beäuge ich die Ware und nehme ein Spielzeug namens "McQueen Remote Control Car" (löblich: McKönigin Fernsteuer Auto) genauer in Augenschein. Der Bube bekommt umgehend leuchtende Augen und sagt, dass dieses Fahrzeug aus dem Disneyfilm "Cars" (löblich: Autos) stammen muss - wie unlöblich. 
12.00 Uhr Um dem Kleinen eine Freude zu bereiten, übergebe ich ihn in die Obhut seines Opas und eile in einem unbeobachteten Augenblick zur Kasse, um das Spielzeug mit einer druckfrischen 100 DOLLAR Note zu bezahlen. Die freundliche Kassiererin bedankt sich recht herzlich für den Einkauf und steckt mir als kleines Dankeschön ein Freiexemplar des Disneyfilms "Dumbo - der fliegende Elefant" in die Plastiktüte - wie freundlich. 
12.30 Uhr Da mir nach dem Stress des Vormittags der Magen knurrt, entscheiden wir uns, in eine einladende "Starbucks" Kaffeeteria einzukehren und uns einen Bohnentrunk sowie lustige Schmalzkringel zu gönnen. Bei stimmungsvoller Weihnachtsmusikberieselung setzen wir uns an einen schönen Tisch und lassen uns zwei Becher mit köstlichem "White Chocolate Frappuccino® blended crème" (löblich: italienischer Kremkaffee mit weisser Schokolade) sowie mehreren Schokoladendonuts munden - das schmeckt nicht schlecht. Natürlich lasse ich den kleinen David ebenfalls kosten und erkläre ihm, dass ein Heissgetränk bei eisigen Aussentemperaturen nicht schaden kann. 
13.00 Uhr Düdeldü - frisch gestärkt machen wir uns wieder auf den Weg und besuchen als nächstes einen gut sortierten Musikladen namens "HMV". Da James ausschliesslich amerikanische Land- sowie Felsenmusik hört, lasse ich die Klassikabteilung links liegen und geselle mich zu den lederjackentragenden Rockern, um ein geeignetes Präsent für meinen löblichen Neffen auszusuchen. Georg steht mir dabei tatkräftig zur Seite und meint, dass sich der Junge über eine Keith Urban Platte bestimmt freuen würde. Da ich heute die Spendierhosen anhabe, greife ich auch noch zur Rascal Flatts Neuveröffentlichung "Still Feels Good" (löblich: Fühlt sich immer noch gut an) und begleiche die gesalzene Rechnung über 28,98 Dollars kurzerhand mit mehreren bunten Scheinen - wenn das so weitergeht, muss ich spätestens im Januar ins Armenhaus umziehen. 
14.00 Uhr Um nicht dem Konsumwahn zu verfallen, kehren wir entnervt zu unserem Wagen zurück und haben grösste Schwierigkeiten, aus dem überfüllten Parkhaus auszufahren. Als wir uns nach einigen Minuten auf der Strasse wieder finden, stehen wir in einem kilometerlangen Stau - das darf doch wohl nicht wahr sein. Nörgelnd deute ich auf die vielen Falschparker und mache Georg wild gestikulierend klar, dass ich wegen dieser Zustände Bayern verlassen habe. Erst nach mehrmaligem Hupen bewegt sich die Blechlawine vorwärts und wir können auf der Yonge Strasse in Richtung stadtauswärts weiterfahren. Während der Heimfahrt folgen wir dem Radioprogramm eines örtlichen Musiksenders und haben das zweifelhafte Vergnügen, dem Weihnachtslied "Last Christmas" (löblich: Letztes Weihnachten) der englischen Radaucombo "Wham" lauschen zu dürfen. Georg kommt aus dem Schimpfen auch nicht mehr heraus und sagt, dass die Verantwortlichen des Senders ganz vergessen haben, dass es neben "Last Christmas" auch noch andere Weihnachtslieder gibt - wie wahr. 
14.30 Uhr Zurück im beschaulichen Wohngebiet, steuert mein Bruder gekonnt ein kleines Geschäft namens "Cayne's Super Houseware" (löblich: Cayne's Super Haushaltswaren) in der Doncaster Avenue an und erzählt, dass er hier auch noch ein klitzekleines Geschenk für Maria abholen muss. Da David (2) im Reich der Träume ist und genüsslich an seinem Daumen lutscht, bleibe ich im Fahrzeug sitzen und begebe mich frequenzraddrehend auf die Suche nach einem stimmungsvollen Radiosender. Zu allem Überfluss stosse ich nach wenigen Augenblicken auf ein Programm aus der Hauptstadt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, das ganze Land mit nervtötender Polkamusik zu beschallen - das ist ja kaum auszuhalten. Um keinen Gehörschaden davonzutragen, stelle ich kopfschüttelnd den Landmusiksender "CICX" aus Midland ein und fröne dem neuen Kenny Chesney Weltschlag "Don't Blink" (löblich: Blinke nicht) - da kommt Freude auf. 
15.00 Uhr Als es leicht zu scheinen beginnt, kommt Georg aus dem Geschäft gelaufen und hievt einen schweren Karton in den Kofferraum. Als ich mich nach dem Inhalt erkundige, teilt mir mein Bruder mit, dass er seine Ehefrau am Weihnachtsmorgen nicht nur mit dem Weissgoldarmband, sondern auch noch mit einer Saeco Espressomaschine überraschen wird - das ist echt der Hammer. 
15.15 Uhr Zuhause angekommen, hänge ich meinen modischen Lodenmantel an die Garderobe und setze mich zu meiner teetrinkenden Schwägerin in die Küche. Wie nicht anders zu erwarten, möchte die Gute sofort wissen, wo wir in den letzten Stunden waren. Um mich nicht wieder zu verplappern, zucke ich demonstrativ mit den Schultern und gebe vor, dass wir lediglich durch die Innenstadt gekrust sind und uns eine schmackhafte Brotzeit in einer Starbucks Filiale geleistet haben. 
15.45 Uhr Während Maria einen Weihnachtsstollen ins Backrohr schiebt und Georg skeptische Blicke zuwirft, ziehe ich mich erschöpft auf mein Zimmer zurück und lege mich aufs Ohr. Schon wenig später schlummere ich ein und träume von meinen Haustieren und dem bescheidenen Heim im Waldweg 11 - wie schön. 
16.45 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und erkenne beim Blick auf meine wertvolle ROLEX, dass meine Schwägerin in Kürze zum Abendessen rufen wird. Gutgelaunt laufe ich nach unten und finde die ganze Familie kaffeetrinkend im Wohnzimmer versammelt. Als ich James zur Rede stelle, erfahre ich, dass er seinen Probeauftritt bereits hinter sich gebracht hat und jetzt drei Tage Urlaub machen kann - das ist wirklich phantastisch. Um die Wartezeit bis zum Abendessen sinnvoll zu gestalten, ziehe ich mich mitsamt einer gefüllten Kaffeetasse in Georgs Arbeitszimmer zurück und stelle gekonnt die Internetzverbindung her. Dank modernster Datenfernübertragung ist es mir auch in Kanada möglich, Zugriff auf meine Internetzpräsenz zu erhalten und den elektronischen Postkasten abzurufen - wie aufregend. Wie gewohnt kümmere ich mich um die wichtige Anschnurarbeit und beantworte Fragen, die meinen Heimseitenbesuchern auf den Nägeln brennen. Unter anderem berichtet Frau Hildegard D. aus Rostock, dass ihre Tochter Chantal (16) das Weihnachtsfest mit Freunden in einem Tanzlokal verbringen möchte - wie unlöblich. Um den Familienfrieden nicht zu gefährden, rate ich der Dame zu weitreichenden Konsequenzen und stelle klar, dass man der frechen Maid nicht alles erlauben kann. Um ein klares Zeichen zu setzen, fordere ich die Mutter ausserdem auf, dem Kind kein Weihnachtsgeschenk zu überreichen und ihm stattdessen das Taschengeld für mehrere Monate zu streichen. 
17.30 Uhr Nachdem ich eine Depesche an Herrn Wang ins Rentnerparadies gesendet und die neuesten Einträge im elektronischen Gästebuch überprüft habe, gehe ich von der Leine und kehre zu meinen Liebsten in die Küche zurück. Während ich mir zungeschnalzend ein Labatt Blau Bier aus dem Eiskasten hole, verkündet Maria, dass es heute Abend etwas ganz besonderes zu Essen gibt - wie schön. Natürlich spähe ich sofort in die Töpfe auf dem Herd und sehe, dass meine Schwägerin Züricher Geschnetzeltes mit Bandnudeln zubereitet hat - schon beim Anblick der feinen Speise läuft mir das Wasser im Munde zusammen. 
18.00 Uhr Endlich ist es soweit und wir können uns an den Esstisch setzen und saubere Portionen im Empfang nehmen. Natürlich lange ich kräftig zu und lobe meine Schwägerin für ihre Kochkünste. Während wir uns die Köstlichkeit redlichst munden lassen, kommt mein Bruder auf unseren Ausflug in die Wildnis zu sprechen und erzählt, dass er heute Nachmittag mit dem Hüttenbesitzer telefoniert hat und in Erfahrung bringen konnte, dass am Lake Simcoe während der letzten Tage ein halber Meter Neuschnee gefallen ist - wie aufregend. Ausserdem meint Georg, dass er seine Flinte mitnehmen und die Gelegenheit beim Schopf packen wird, um ein Reh oder vielleicht sogar einen Hasen zu schiessen - wie unlöblich. In meiner Funktion als Tierfreund erteile ich dieser Schnapsidee eine sofortige Absage und stelle klar, dass ich unter keinen Umständen gewillt bin, einem löblichen Wildtier eine Ladung Schrot zu verpassen - wo kämen wir denn da hin. 
18.45 Uhr Nachdem wir die Abfahrt in die Wildnis auf den kommenden Freitag festgelegt haben, lege ich das Besteck zur Seite und lehne mich zurück. Mein Bruder kann ebenfalls kaum mehr die Gabel halten und sagt, dass nach diesem Festessen ein vitaminreicher Whiskey nicht fehlen darf - dazu sage ich nicht nein. 
19.00 Uhr Während Amanda ihrer Schwiegermutter in der Küche zur Hand geht und den Abwasch erledigt, nehme ich in Gesellschaft von James und Georg im Wohnzimmer platz und lasse mir einen 12 Jahre alten Schnaps aus der kanadischen "Black Velvet" (löblich: Schwarzer Samt) Destille schmecken - das tut richtig gut. Zufrieden nehmen wir vor dem Fernseher platz und läuten den gemütlichen Teil des Abends mit den Nachrichten auf CNN ein. Nachdem wir uns über das politische Geschehen informiert haben, klappt Georg seinen modernen Laptop auf und sagt, dass ich mir unbedingt das neue Weihnachtsvideo aus dem Weissen Haus ansehen muss - wie aufregend.

 

19.30 Uhr Da sich Maria und Amanda in der Zwischenzeit zu uns gesetzt haben, verfrachtet mein Bruder kurzerhand eine funkelnde DVD Scheibe in das Abspielgerät und erklärt, dass wir uns den Abend mit dem schönen Western "September Dawn" (löblich: September Sonnenuntergang) versüssen sollten - das kann mir nur Recht sein. Während der Whiskey in Strömen fliesst und wir uns an selbstgebackenen Plätzchen laben, verfolgen wir gespannt die Geschichte einiger Siedler, die sich Mitte des 19. Jahrhunderts im Land der Mormonen niederlassen und ein neues Leben beginnen wollen. Während die fanatischen Mormonen zu den Waffen greifen und die armen Siedler an ihrem Vorhaben hindern wollen, verliebt sich ein junger Mormone zu allem Überfluss auch noch in die hübsche Tochter des Siedler-Pastors - wie aufregend. Während der Streifen zu seinem dramatischen Finale hinsteuert, berichtet Georg, dass dieser Film die wahren Begebenheiten des sagenumwobenen "Mountain Meadows Massakers" vom 11. September 1857 thematisiert, bei dem angeblich knapp 140 Menschen auf brutalste Weise ermordet wurden. Gott sei Dank liegt dieses dunkle Kapitel der amerikanischen Geschichte schon lange Zeit zurück und wurde redlichst aufgearbeitet. 
21.30 Uhr Nach 120 spannenden Minuten drückt Georg auf den "OFF" (löblich: AUS) Knopf der neumodernen Fernbedienung und erklärt den Fernsehabend für beendet - wie schön. Laut gähnend stehe ich auf und gebe meinen Liebsten zu verstehen, dass ich mich nun zurückziehen und ins Bett gehen werde. 
22.00 Uhr Nachdem ich mein Whiskeyglas in die Spülmaschine gestellt und eine heisse Dusche genossen habe, gehe ich zufrieden ins Gästezimmer und schlafe schon bald ein. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 22.12.2007
© Reinhard Pfaffenberg