Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

23.11.2010

07.30 Uhr Ein neuer Tag beginnt und ich bemerke, dass ich verschlafen habe - wie unlöblich. Weil ich Edelbert und James gegen 9 Uhr im "BLT Market" Restaurant treffen werde, hüpfe ich spornstreichs aus dem Bett und schalte das Fernsehgerät ein. Danach nehme ich ein löbliches Vollbad mit Schaum und wasche mich ordentlich. 
08.00 Uhr Unterdessen folge ich dem Frühstücksprogramm auf NY1 und vernehme, dass Gesangsrabauke Bruce Springstein vor sieben Tagen ein neues Werk mit 21 bisher unveröffentlichten Liedern auf den Markt gebracht hat. Obwohl ich mir nichts aus ohrenbetäubender Hartfelsenmusik mache, höre ich ganz genau hin und bringe heraus, dass der Musikant in den 1970er Jahren in einen Rechtsstreit involviert und es ihm verboten war, die besagten Lieder auf Schellack zu pressen. Ferner erzählt der Moderator, dass Herr Springstein spätestens in einem Jahr auf Tournee gehen und seine Anhänger mit Konzerten im ganzen Land erfreuen wird. In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an den Bruce Springstein Auftritt am 10. Juni 2003 und bin mir sicher, dass ich so schnell kein Konzert dieses Künstlers mehr besuchen werde.
08.45 Uhr Kurz vor dem Neunuhrläuten lasse ich die Zimmertüre ins Schloss fallen und laufe zum Hochgeschwindigkeitsaufzug, der mich in Sekundenschnelle in die Hotellobby bringt. Im Erdgeschoss angekommen, laufe ich ins Frühstücksgasthaus und bin überrascht, nicht nur Prof. Kuhn und James, sondern auch Herrn Sam Dietz, dessen unterbelichtete Freundin Laurie, sowie Herrn Warren, seines Zeichens Schlagzeugspieler der Combo "Northstar", an einem Tisch anzutreffen. Die jungen Leute begrüssen mich artig und berichten, dass sie grossen Hunger mitgebracht haben - wie schön. Ich winke augenblicklich eine Bedienung dazu und trage ihr auf, dass wir brühfrischen Kaffee, Orangensaft und Spezialfrühstücke mit Extraspeckstreifen und Käsekuchen haben wollen. Herr Warren nickt eifrig und sagt, dass er zudem ein kleines Steak mit Bratkartoffeln und Spiegelei essen wird. Als ich grosse Augen mache, beruhigt mich James redlichst und berichtet, dass sein Kollege derzeit eine Eiweisdiät macht. Der Schlagzeugspieler stimmt zu und gibt zu Protokoll, dass er auf der anstehenden Tournee topfit sein muss - wie schön. 
09.30 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen und unsere ausgetrockneten Kehlen ölen, schlägt Edelbert vor, dass wir nach dem wichtigsten Mahl des Tages ein Taxi nehmen und in den Stadtteil Queens rasen könnten. Als ich nachfrage, präsentiert der schlaue Mann eine Broschüre des "Museum of Moving Image" (löblich: Museum der bewegten Bilder) und behauptet, dass es ein Vergnügen wäre, die Sonderausstellung "Presidential Campaign Commercials 1952 - 2008" (löblich: Präsidentschaftswahlkampf Werbesendungen 1952 - 2008) anzuschauen. Da ich sämtliche New Yorker Museen bereits kenne, sage ich zu und kann es kaum erwarten, in einem Cab (löblich: Taxi) über die Queensboro Brücke zu fahren.
10.15 Uhr Nachdem wir über James Arbeit im Studio geplaudert und auf Kosten von James Plattenfirma THROB noch Schaumwein getrunken haben, heisst es Abschied nehmen. Ich reiche meinem Neffen die Hand und verspreche, dass wir uns spätestens morgen im "Eastside Sound Studio" sehen werden. Der brave Bube zwinkert mir redlichst zu und wünscht mir viel Vergnügen im Museum.
10.45 Uhr Nach wenigen Minuten können wir uns auf die Rückbank eines "Toyota Prius" Taxi zwängen und dem Schoffeur unser Fahrziel jenseits des East Rivers nennen. Der aus Indien stammende Heini ist begeistert und lässt den Wählhebel der Automatikschaltung in der "D" Stellung einrasten. Während der Immigrant eine seltsame Melodie pfeift, stosse ich Edelbert in die Seite und frage ihn, ob er das Lied "fremde Inder" kennt. Als der Professor mit den Schultern zuckt, schnippe ich mit den Fingern und gebe den Peter Beil Hitparadenerfolg "Fremde IN DER Nacht" aus dem Jahre 1966 zum Besten. Prof. Kuhn straft mich mit bösen Blicken und bittet mich, keine Spässe auf Kosten unterbelichteter Ausländer zu machen. 
11.15 Uhr Just als wir die Queensboro Brücke hinter uns lassen, fährt der Taxifahrer in ein verlassenes Industriegebiet und plappert, dass hier einst unzählige Stoffmanufakturen beheimatet waren. Weil ich stets über alles informiert sein will, löchere ich den Turbanträger mit Fragen und erfahre, dass viele Unternehmen im vergangenen Jahr ihre Pforten wegen der Weltwirtschaftskrise schliessen mussten - wie schade.
11.30 Uhr Nach einer fünfundvierzigminütigen Odyssee kommt das gelbe Auto vor dem Museum zum Halten und wir bezahlen die gesalzene Rechnung mit druckfrischen Scheinen. Trotz aller Widrigkeiten lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und spaziere mit Edelbert in den futuristischen Neubau, um festzustellen, dass grosse Teile des Museums derzeit aufwändig renoviert werden - wie unlöblich. Die däumchendrehende Frau am Einlass winkt uns jedoch weiter und erzählt, dass wir in der Haupthalle alte Filmkameras sowie die Präsidentenausstellung bestaunen können. Missmutig erklimmen wir die Treppe nach oben und finden uns in einem Sammelsurium von in die Jahre gekommenen Filmapparaten, Schautafeln und Fernsehern wieder. 
12.00 Uhr Neugierig nehme ich eine sogenannte ArriFlex Kamera in Augenschein und lerne anhand einer Infotafel, dass diese Wunderwerk von der Firma "Arnold & Richter GmbH" in München konstruiert und bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin zum ersten Mal eingesetzt wurde. Mein Bekannter schnalzt demonstrativ mit der Zunge und zitiert, dass baugleiche Modelle noch Jahrzehnte später von namhaften Hollywood-Regisseuren benutzt wurden - wie aufregend. 
12.30 Uhr Als nächstes finden wir uns vor einem Schwarz/Weiss Fernseher aus dem Jahre 1956 ein und sehen über die Mattscheibe einen Werbefilm für Präsident Dwight D. Eisenhower flimmern. Mit grossem Interesse laufen wir zum nächsten TV-Gerät und kommen in den Genuss, gut ein Dutzend 30 Sekunden Spots (löblich: Werbefilmchen) aus den Wahlkampfjahren 1952 bis 2008 zu sehen.
13.00 Uhr Bevor wir das Museum verlassen und nach Manhattan zurückfahren, eilen wir in einen Nebenraum und begutachten Spiel- und Fernsehkonsolen, die ihre besten Jahre längst hinter sich haben. Edelbert deutet auf ein unförmiges Plastikkästchen mit dem Aufdruck ATARI 2600 und informiert, dass diese Spielkonsole zwischen den Jahren 1977 bis 1982 in den amerikanischen und europäischen Kinderzimmern Einzug gehalten hat. Um der Sache genauer auf den Grund zu gehen, nehme ich einen Joystick (löblich: Freudenstab) zur Hand und versuche beim Fernsehspiel "E.T. - The Extra-Terrestrial" (löblich: E.T. - Der Ausserirdische) mein Glück. Währenddessen studiert der Professor einen Aushang und macht mich auf den Umstand aufmerksam, dass es sich hierbei um das schlechteste Spiel handelt, welches jemals veröffentlicht wurde. Die Herstellerfirma soll nach Angaben eines Mitarbeiters weit über 5 Millionen Kassetten hergestellt und einen Grossteil wenig später in der Wüste von Nevada vergraben haben - wie unlöblich.
13.30 Uhr Nachdem ich der Spielfigur geholfen habe, Bauteile für ein Telefon zu finden, werfe ich den Steuerknüppel auf seinen Platz zurück und folge Edelbert zum Ausgang. Nach kurzer Wartezeit können wir in ein Taxi einsteigen und bei aufkommendem Nieselregen nach Midtown zurückkehren. 
14.00 Uhr Während wir durch den Stadtteil Queens krusen, tippe ich ganz spontan die Festnetznummer von Frau Pontecorvo ins Tastenfeld der Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und freue mich, als die gute Frau das Gespräch nach dem zweiten Tuten annimmt. Selbstverständlich schwärme ich in den höchsten Tönen und erzähle, dass wir herrliche Tage im grossen Apfel erleben. Meine Nachbarin freut sich für mich und erwidert, dass sie just im Moment Hund Dixon beobachtet, der mit Joey im Garten spielt. Ich seufze laut und entgegne, dass ich es kaum mehr erwarten kann, den Racker am Samstag Abend in meine Arme zu schliessen. 
14.30 Uhr Wieder zurück im Hotel, fassen wir den Entschluss, den Nachmittag etwas ruhiger anzugehen und in der Ritz Carlton Bar die Seele baumeln zu lassen. Hungrig und durstig betreten wir die "Star Lounge" (löblich: Sterne Aufenthaltsraum) und ordern am Tresen zwei süffige Budweiser sowie vitaminreiche Chicken Fingers (löblich: Hühnerfinger) mit Honig Senf Sauce sowie Kartoffelstäben. 
15.00 Uhr Wir lassen uns die wohlverdiente Brotzeit zu stimmungsvoller Frank Sinatra Musik schmecken und werden plötzlich auf einen lallenden Mann am Nebentisch aufmerksam. Als ich mich umdrehe und den Gammler zur Rede stellen will, fällt mir auf, dass es sich bei dem Betrunkenen um den bekannten Schauspieler Charlie Sheen handelt. Kopfschüttelnd wende ich mich dem Professor zu und erinnere, dass der Heini erst vor wenigen Wochen splitternackt im benachbarten PLAZA Hotel von der Polizei aufgegriffen und mit Hausverbot belegt wurde - wo soll das noch hinführen. 
15.45 Uhr Redlichst gestärkt brechen wir zu einem Spaziergang durch den Central Park auf und umrunden einen See, der von der New Yorker Bevölkerung "The Pond" (löblich: Das Becken) genannt wird. Wegen der eiskalten Temperaturen vergrabe ich meine Hände tief in den Manteltaschen und lasse Edelbert wissen, dass das Wetter gar nicht nach meinem Geschmack ist. Prof. Kuhn gibt mir Recht und vermutet, dass die Quecksilberanzeigen der Wetterstationen in Naples heute sicher die 80°F (27°C) Grenze überschritten haben.
16.45 Uhr Nach einem beschwerlichen Marsch verlassen wir die grüne Lunge der Stadt und tauchen in die Strassenschluchten der Upper East Side ein. Edelbert führt mich zur bekannten "Madison Avenue" und merkt an, dass es langsam Zeit wird, nach einem einladenden Restaurant Ausschau zu halten - wie wahr. 
17.00 Uhr Weil meine Füsse schon weh tun, kehren wir nach kurzer Suche in ein Italiengasthaus namens "Cipriani" ein und werden von einem beschürzten Ober zuvorkommend begrüsst. Der Knecht begleitet uns an einen netten Ecktisch und möchte wissen, ob wir das Dinner (löblich: Abendessen) mit einem erlesenen Scotch eröffnen wollen. Ich schüttle entschieden den Kopf und beauftrage den Kellner, einen Humpen Bier sowie zwei reich belegte Pizzas aufzutischen. Leider windet sich der Mann aus der Verantwortung und belehrt, dass im "Cipriani" ausschliesslich "a la Card" serviert wird. Augenrollend schlagen wir die Karten auf und entscheiden uns für "Scampi Thermidor" mit hausgemachten Farfalle. 
17.45 Uhr Während sich die Nacht über Manhattan legt, kommt der Professor auf das "Guggenheim Museum" zu sprechen und schlägt vor, dass wir morgen besagte Kunstgalerie besichtigen sollten. Ich schiebe mir eine Nudel in den Mund und schlage vor, dass wir anschliessend James im Studio zur Hand gehen könnten - immerhin ist der Bube ohne meine Hilfe aufgeschmissen. 
18.30 Uhr Nachdem wir Kaffee getrunken und kleine Eisbecher mit Sahne verdrückt haben, machen wir uns auf den Heimweg. Mit einem schönen Lied auf den Lippen laufen wir zum Ritz Carlton Hotel und nutzen die Gelegenheit, um ein Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) mit einem Kutscher zu halten, der vor dem Eingang auf Fahrgäste wartet. Der aus Brooklyn stammende Droschkenführer hält seinem Gaul eine Karotte unter die Nase und rechnet vor, dass eine erquickende Ausfahrt durch den Central Park mit 100 Dollars zu Buche schlägt. HEUREKA - solchen Luxus kann ich mir beim besten Willen nicht leisten. 
19.00 Uhr Ein langer auf aufregender Tag neigt sich langsam seinem Ende zu. Ich wünsche Edelbert eine gute Nacht und sichere zu, dass ich morgen pünktlich gegen halb Zehn in der Lobby warten werde. Danach schliesse ich die Zimmertüre auf und mache mich daran, meinen Mantel an einen Haken zu hängen und mich bei einer heissen Dusche zu entspannen - das tut gut. 
19.45 Uhr Zur besten Sendezeit lege ich mich ins Bett und schalte das Farbfernsehgerät ein. Ich drücke mich durch die unzähligen Spartenkanäle und verweile letztendlich auf CBS, wo just im Augenblick das Fernsehformat "NCIS" anfängt. Die aufwändig produzierte Serie gibt die Arbeit von Mitgliedern einer Bundesbehörde wieder, die Verbrechen untersucht, in die Angehörige der Navy und/oder des Marine Corps verwickelt sind - da kommt Spannung auf. 
21.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 9 deutet, stehe ich noch einmal auf und schlüpfe in meinen schicken Smoking. Voller Vorfreude fahre ich ins Parterre und gönne mir in der "Star Lounge" einen Schlummertrunk. Ich leiste einer Blondine (36) an der Bar Gesellschaft und flunkere, dass ich der Bundesaussenminister bin und morgen eine Rede vor den vereinten Nationen halten werde. Leider will das Frauenzimmer von all dem nichts wissen und sagt gelangweilt, dass sie sich für Politik nicht interessiert - das ist wieder typisch.
22.00 Uhr Nach drei weiteren Bieren und zwei Whiskeys bezahle ich die Zeche in Bar und kehre auf mein schönes Zimmer zurück. Weil es recht spät geworden ist, lösche ich umgehend das Licht und gehe ins Bett. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 23.11.2010
© Reinhard Pfaffenberg