Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

22.11.2010

07.15 Uhr Der Reisewecker geht an und reisst mich mit ohrenbetäubender Hartfelsenmusik aus einem schönen Traum. Entnervt betätige ich den "OFF" (löblich: AUS) Knopf und stelle mit Freude fest, dass ich mich seit gestern im grossen Apfel (unlöblich: Big Apple) aufhalte - das ist phantastisch.
07.30 Uhr Ich hüpfe sportlich aus dem King Size Bett und blicke auf die grüne Lunge der Stadt. Beeindruckt beobachte ich die unzähligen Tschogger, die im Central Park (löblich: Zentralpark) ihre Runden drehen und denke mir, dass es ein Vergnügen wäre, in New York zu leben. Weil die Mieten in Manhattan für arme Rentner jedoch kaum zu stemmen sind, drehe ich mich um und verabschiede mich in die Nasszelle. 
07.45 Uhr Während ich ein löbliches Vollbad mit Schaum geniesse, tippe ich die Handtelefonnummer meines Neffen in die Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und treffe James im Frühstücksraum des Hilton Hotels an der 6th Avenue an. Der Bube gähnt in einer Tour und schimpft, weil er mit einem Kater und Kopfschmerzen aufgewacht ist. Ich spende James Trost und erwidere, dass ein reichhaltiges Frühstück alle Probleme aus der Welt schaffen wird. Mein Neffe gibt mir Recht und sagt, dass er gegen halb Zehn mit seinen Musikerkollegen zum "Eastside Sounds" (löblich: Ostseiten Klänge) Studio fahren und seinen Menetscher treffen wird. Ich wünsche meinem Verwandten viel Freude und verspreche ihm, dass ich im Laufe des Nachmittags vorbeikommen werde. 
08.45 Uhr Kurz vor dem Neunuhrläuten beende ich die Morgenwäsche und trete vor den Spiegel, um mein Haar zu steilen und mich anzukleiden. Weil es draussen mit 48°F (9°C) ziemlich kühl ist, vergesse ich auch nicht, eine Mütze aufzusetzen und mir einen Schal umzubinden. Danach laufe ich mit schnellen Schritten zum Nebenzimmer und fordere Prof. Kuhn auf, endlich in die Gänge zu kommen. Edelbert präsentiert sich mir in einem modischen Caban Mantel und stellt die Behauptung auf, dass ein nahrhaftes Frühstück in einem der umliegenden Delis nicht schaden kann - wie wahr. Ruckzuck fahren wir im Lift nach unten und staunen angesichts der unzähligen Touristen in der Hotelhalle nicht schlecht. Mein Begleiter redet kurz mit einem Italiener namens Giovanni Almaretto und informiert, dass in der Vorweihnachtszeit besonders viele Europäer über den grossen Teich fliegen - wie unlöblich. Trotz des Andrangs lassen wir uns die gute Laune nicht verderben und spazieren am Central Park entlang. 
09.15 Uhr Nach wenigen Metern zerrt mich der schlaue Mann in ein heruntergekommenes Stehlokal und fordert den Verkäufer hinter dem Tresen auf, zwei Becher Bohnenkaffee sowie vitaminreiche Bagels mit Käse zu kredenzen. Der Heini macht sich prompt ans Werk und möchte wissen, woher wir stammen. Selbstverständlich stelle ich mich als Reinhard Pfaffenberg aus Naples, FL vor und gebe zu Protokoll, dass ich in New York Freunde und Verwandte treffen werde. 
09.45 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen und die Fussgänger beobachten, die zu früher Stunde das Lokal passieren, mache ich mir die grössten Vorwürfe und merke an, dass es keine gute Idee war, Dixon zuhause zu lassen. Bei dieser Gelegenheit klappe ich die Schwarzbeere auf und lasse es mir nicht nehmen, bei Frau Crane in Naples anzurufen. Die ehemalige Eiskunstläuferin nimmt das Gespräch nach dem zweiten Klingeln entgegen und teilt mir auf Anfrage mit, dass es meinem Haustier sehr gut geht. Die Gute beruhigt mich redlichst und bestätigt, dass Dixon just im Moment im Garten herumtollt und sich seines Lebens erfreut - wie schön.
10.15 Uhr Nachdem wir uns gestärkt haben, winken wir ein Yellow Cab (löblich: gelbes Taxi) herbei und lassen uns von einem aus Pakistan stammenden Immigranten zur 47th Strasse kutschieren. Während arabische Kampfparolen aus den Lautsprechern dröhnen, knipst Edelbert Photos am laufenden Band und macht mich auf die Tatsache aufmerksam, dass die 7. Avenue im sogenannten "West Village" beginnt und auf der Höhe des Washington Square Parks in Tribeca endet - wie aufregend. Der Taxifahrer fällt uns plötzlich ins Wort und erzählt, dass er vor Kurzem im Künstlerviertel SoHo eine Ein-Zimmer-Wohnung angemietet hat und sich dort mit seiner achtköpfigen Familie sehr wohl fühlt. Ich klopfe mir lachend auf die Schenkel und erkläre, dass ein kleines Appartement auch seine Reize haben kann. Herr Mohammed stimmt uneingeschränkt zu und meint, dass er noch vor drei Jahren in einem Erdloch unweit der pakistanischen Hauptstadt Islamabad gelebt hat - das ist ja allerhand. 
10.30 Uhr Am Zielort angekommen, werden wir am TKTS Laden vorstellig und animieren den Verkäufer, zwei Eintrittskarten für das preisgekrönte Theaterstück "The Merchant of Venice" (löblich: Der Kaufmann von Venedig) herauszurücken. Leider belehrt uns der Heini eines Besseren und erklärt, dass nur noch wenige Billets für die Nachmittagsvorstellung des 2. Januars verfügbar sind. Seufzend zücke ich meine prall gefüllte GOLDEN HEAD Geldbörse und antworte, dass mein Begleiter ein grosser Theaterfreund ist und wir durchaus bereit wären, ein Trinkgeld zu geben. Der rothaarige Knecht zuckt jedoch mit den Schultern und behauptet, dass er für dieses Jahr keine Karten mehr hat - das ist wieder typisch. Mit hängenden Köpfen machen wir kehrt und fassen den Entschluss, beim "Ritz Carlton" Concierge (löblich: Pförtner) unser Glück zu versuchen. 
11.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 11 zugeht, wandern wir durch den Theaterdistrikt und registrieren, dass im grossen Apfel derzeit nicht nur der "Kaufmann von Venedig", sondern auch das Musical "Billy Elliott" die Massen erfreut. Prof. Kuhn ist begeistert und deutet auf eine überdimensionale Werbetafel, die das Konterfei des Spinnenmannes (unlöblich: Spiderman) ziert. Wissbegierig frage ich genauer nach und lerne, dass diese Strichmännchenfigur vor wenigen Wochen ihren Weg auf die Bühne gefunden hat. Edelbert kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und unterbreitet, dass die Kritiker das Stück verrissen haben und man davon ausgehen kann, dass das "Foxwood Theater" bald die Reissleine ziehen wird - das soll mir auch Recht sein. 
11.45 Uhr Wenig später stehen wir vor dem 1.200 Zuschauer fassenden "Ed Sullivan Theater" und erfahren anhand der Leuchtreklame, dass in diesem Schauspielhaus heutzutage die "David Letterman Show" für CBS aufgezeichnet wird. Edelbert knipst ein Photo und berichtet, dass Ed Sullivan im Jahre 1948 die "Late Night Talkshow" (löblich: Spätnacht Sprechsendung) erfunden hat und vom 20. Juni 1948 bis zum 6. Juni 1971 im Aufnahmestudio stand, um mit Prominenten wie Elvis Presley, John Lennon oder dem aus Österreich stammenden Schlagersänger Freddy Quinn zu plaudern - wie aufregend. 
12.15 Uhr Nachdem wir schmackhafte Pretzels (löblich: Brezn) an einem Imbissstand gekauft haben, halten wir ein Taxi auf und beauftragen den Schoffeur, uns ohne Umwege zum "Elaine's" zu bringen. Der schokoladenbraune Kraftdroschkenführer nickt eifrig und rast mit durchdrehenden Pneus nach Norden davon. Unterdessen schmieden wir Pläne und vereinbaren, dass wir nach dem Treffen mit Thomas Kronach zur Forsyth Strasse fahren und James Combo "Northstar" besuchen sollten.
13.00 Uhr Pünktlich auf die Minute betreten wir das "Elaine's" und sind überrascht, meinen ehemaligen Studienkollegen in Gesellschaft einer flotten Blondine an einem Ecktisch anzutreffen. Der Rechtsanwalt heisst uns herzlich Willkommen und fordert uns auf, die Jacken abzulegen und Platz zu nehmen. Bei französischem Schaumwein und röschen Bruschettas lassen wir den zweiten Tag unseres New York Aufenthalts Revue passieren und erläutern, dass es kein leichtes Unterfangen ist, Eintrittskarten für das Broadwaystück "The Merchant of Venice" zu bekommen. Thomas wirft uns skeptische Blicke zu und entgegnet, dass es für ihn kein Problem ist, zwei VIP-Tickets zu besorgen. Bevor wir uns versehen, tippt der gute Mann eine Nummer in sein strahlendes NOKIA Handtelefon und sorgt in Sekundenschnelle dafür, dass wir an der Freitagnachmittagvorstellung teilnehmen können. Thomas schenkt mir ein Lächeln und verspricht, dass die Eintrittskarten am Freitag am Empfang des "Ritz Carlton" liegen werden - das ist phantastisch. 
13.30 Uhr Während eine Kellnerschar herzhafte Fischgerichte, Spezialitäten vom Grill und Beilagen auftischt, nippe ich genüsslich am Sektkelch und frage Thomas bezüglich seiner Arbeit in der Anwaltskanzler "Pruzansky & Besunder" aus. Der Gute steht mir Rede und Antwort und sagt, dass er derzeit einen millionenschweren Russen vor Gericht vertreten muss, der sich illegal in den USA aufhält und am Veterans Day (löblich: Veteranentag) einen verheerenden Auffahrunfall in Hackensack, NJ verursacht hat. Ich winke demonstrativ ab und mutmasse, dass der Richter kurzen Prozess machen und den Verbrecher abschieben wird. Mein Tischnachbar ist der gleichen Meinung und erklärt, dass er dem Russen zuvor eine stattliche Rechnung in Höhe von 80.000 Dollars ausstellen wird - wie schön. Um die anderen nicht mit unserem juristischen Fachgespräch zu langweiligen, wechseln wir das Thema und plaudern über meine Mieterin Sandra, die bald einen neuen Tschob im Münchner Kreisverwaltungsreferat antreten wird. Thomas freut sich für das Mädchen und kündigt an, dass er im kommenden Frühjahr nach München kommen und bei dieser Gelegenheit und Frau Corte besuchen wird.
14.30 Uhr Weil man auf einem Bein bekanntlich nicht stehen kann, ordern wir als Nachspeise hausgemachten Himbeerkuchen sowie italienische Milchkaffees (unlöblich: Cappuccinos). Nebenher wende ich mich Frau Susan (25) zu und erhalte die Auskunft, dass das junge Ding erst kürzlich von der Juristenschule abgegangen ist. Thomas lobt seine Sekretärin in den höchsten Tönen und flüstert mir zu, dass Susan nicht nur als Rechtsanwaltsgehilfin hervorragende Dienste leistet - wie unlöblich.
15.45 Uhr Nach dem Bezahlvorgang schütteln wir Hände und verabreden, dass wir uns in den nächsten Tagen noch einmal treffen sollten. Im Anschluss hüpfen wir winkend in ein Taxi und lassen uns in Windeseile zum "Eastside Sounds Studio" bringen. Während der Fahrer das gelbe Auto auf schwindelerregende 30 Meilen pro Stunde beschleunigt, halte ich mit Edelbert ein Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) und stelle die Vermutung auf, dass Thomas offensichtlich gefallen an seiner neuen Sekretärin gefunden hat. Der Professor winkt ab und meint, dass man privates und berufliches besser auseinanderhalten sollte - wie wahr.
16.30 Uhr Nachdem wir uns eine halbe Ewigkeit durch den dichten Verkehr geschlängelt haben, kommt das Taxi vor dem Tonstudio zum Halten. Ich schwinge mich mit schmerzendem Rücken vom Rücksitz und stosse eine mit unansehnlichen Graffitis (löblich: Schmierereien) verunstaltete Eisentüre auf. Eine rothaarige Mitarbeiterin des "Eastside Sound Studios" begrüsst uns herzlichst und führt uns zu James ins Aufnahmestudio. 
17.00 Uhr Ich klopfe meinem Neffen, Sam Dietz, dessen Freundin Laurie und dem Schlagzeugspieler der Combo Northstar, Herrn Warren, auf die Schulter. Mein löblicher Verwandter stellt seine GIBSON Stromgitarre beiseite und möchte wissen, wie unser Tag war. Ich gebe die nervenaufreibenden Erlebnisse im grossen Apfel in allen Einzelheiten wieder und erzähle, dass wir gerade Thomas Kronach im Elaine's getroffen haben. James freut sich für uns und sagt, dass er seit Stunden an seinen Kompositionen feilt. Mein Neffe lässt sich nicht lange bitten und schnallt sich seine Klampfe um, um einige Takte seines neuen Liedes "Days like these" (löblich: Tage wie diese) anzustimmen. Derweil schnippe im Takt mit und registriere als Landmusikfreund, dass die Melodie ruckzuck ins Ohr geht.
17.45 Uhr Während die jungen Leute proben und Fachchinesisch reden, spähe ich auf meine Armbanduhr und erkenne mit glasklarem LASIK Blick, dass es langsam Zeit wird, zum Hotel zurückzukehren und das Abendessen einzunehmen. Zum Abschied winke ich James zu und stelle klar, dass ich ihn morgen gegen 9 Uhr im "Ritz Carlton" Frühstücksgasthaus erwarte. Mein Neffe reibt sich den Bauch und sagt, dass er pünktlich erscheinen und seine Kollegen mitbringen wird - wie schön. 
18.15 Uhr Dreissig Minuten später sitzen wir im Taxi und fahren durch das abendliche New York. Während die Neonreklamen in den grellsten Farben leuchten, tippe ich Amandas Telefonnummer in die Schwarzbeere und rufe in der alten Heimat an. Obwohl die junge Frau schon geschlafen hat, gibt sie sich interessiert und fragt, ob es James gut geht. Ich nicke eifrig und lasse Amanda wissen, dass ihr Ehemann sehr fleissig ist und bald den internationalen Durchbruch schaffen wird. 
19.00 Uhr Endlich sind wir wieder im Hotel und können uns im hauseigenen "BLT Market" Restaurant von den Strapazen des Tages erholen. Bei süffigem Budweiser und Cheese Steaks with Fries (löblich: Käseschnitzel mit Kartoffelstäben) lassen wir den Abend ausklingen und verabreden, morgen der Kultur zu frönen und ein Museum zu besichtigen. 
19.45 Uhr Redlichst gestärkt bezahlen wir die Zeche in Bar und fahren dann mit dem Aufzug in den 18. Stock. Ich wünsche Edelbert eine gute Nacht und verabschiede mich auf mein einladendes Zimmer mit Blick auf den beeindruckenden Central Park.
20.30 Uhr Nachdem ich mich ausgiebig geduscht und bettfertig gemacht habe, lösche ich das Licht und schaue mir die FOX Nachrichten an. Danach wähle ich den New Yorker Lokalsender NY1 aus und folge gespannt einer aufschlussreichen Reportage über die anstehende "Thanksgiving Parade" (löblich: Erntedank Parade) am Donnerstag. Unter anderem höre ich, dass auch in diesem Jahr Hunderttausende auf den Beinen sein und dem sehenswerten Umzug beiwohnen werden. 
21.15 Uhr Weil mir vor Müdigkeit die Augen zufallen, beende ich den Fernsehabend und schlummere bald ein, um von Hund Dixon zu träumen. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 22.11.2010
© Reinhard Pfaffenberg