04.02.2008
04.00 Uhr Ich werde durch das stetige Dröhnen der
Flugzeugturbinen geweckt und erkenne mit geschultem Auge, dass mein Nebenmann
gelangweilt in einer Börsenzeitschrift blättert. Da wir erst in knapp vier
Stunden auf dem "Franz Josef Strauss Flughafen" vor den Toren der
bayerischen Landeshauptstadt landen werden, vertreibe ich mir die Zeit mit einem
Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) und bringe in Erfahrung, dass mein
Sitznachbar beim bekannten US-amerikanischen Finanzdienstleister
"Countrywide Financial Corp" angestellt ist. Der gute Mann musste nach
eigenen Aussagen die lange Flugreise auf sich nehmen, um an einer wichtigen
Tagung teilzunehmen - wie interessant. Auf Anfrage berichtet der Herr weiter,
dass er in den kommenden Tagen im Palace Hotel wohnen und tagsüber mit Geschäftspartnern
in der Siemenszentrale zusammentreffen wird. Um dem Geschäftsmann in nichts
nachzustehen, gebe ich mit erhobenem Zeigefinger vor, trotz meines hohen Alters
immer noch im Arbeitsleben zu stehen und einen Donutladen sowie ein kleines Familienhotel
im Münchner Umland zu betreiben. Herr Coltrans (39) zeigt sich sehr überrascht
und vermutet, dass ich
bestimmt einige Angestellte in Lohn und Brot stehen habe - wie wahr.
04.30 Uhr Während wir uns zwei Becher Coca Cola von einer kessen Lufthansa
Flugbegleiterin bringen lassen und angeregt über Dies und Das plaudern, lese
ich auf einem Bildschirm mit den wichtigsten Flugdaten, dass wir in drei Stunden
in München eintreffen und eiskalte Temperaturen erwarten dürfen - wie unlöblich.
Laut seufzend verweise ich auf meinen Aufenthalt im Rentnerparadies und gebe zu
Protokoll, dass ich gestern Vormittag bei strahlendem Sonnenschein noch einige
Runden im Schwimmbecken gedreht habe. Herr Coltrans gibt mir ganz Recht und
sagt, dass er das Schmuddelwetter auch nicht ausstehen kann.
05.00 Uhr Bevor ich das wohlverdiente Frühstück einnehme, stehe ich laut ächzend
auf und unternehme eine kleine Wanderung durch den gut besetzten Stahlvogel.
Unter anderem plausche ich mit einer ängstlich dreinblickenden Dame (71) aus
Landshut und höre, dass die Frau grosse Angst vor der Landung hat - wie lächerlich.
Selbstverständlich spreche ich der Alten Mut zu und gebe ihr unmissverständlich
zu verstehen, dass sie im Fall einer katastrophalen Bruchlandung nichts spüren
und sofort tot sein wird. Zu allem Überfluss bricht die Frau in Tränen aus und
schildert, dass sie tatsächlich schon einmal eine Notlandung in einer
Propellermaschine mitmachen musste - wie unlöblich.
05.30 Uhr Da ich mich leider nicht um alles kümmern kann, kehre ich ruckzuck
auf meinen Platz zurück und nehme ein kleines Frühstück, bestehend aus einer
Semmel, Schinken, Käse, Backhörnchen, Marmelade und frischem Obst ein - das
schmeckt.
06.30 Uhr Düdeldü - frisch gestärkt lehne ich mich zurück und blicke aus dem
Fenster, um die vereinzelten Blinklichter der anderen Flugzeuge in der
Dunkelheit zu bestaunen. Ausserdem kann ich sogar die Lichter einiger Städte 11
Kilometer unter uns erkennen - wie aufregend.
07.15 Uhr Knapp fünfundvierzig Minuten vor der planmässigen Landung meldet
sich der Flugkapitän zu Wort und bringt eine baldige Ankunft ins Spiel. Um
nicht als letzter Passagier das Flugzeug verlassen zu müssen, packe ich ganz
schnell meine sieben Sachen zusammen und spähe währenddessen immer wieder auf
meine wertvolle ROLEX - der Flug ist wirklich wie im Flug vergangen.
07.45 Uhr Endlich ist es soweit und die A340 setzt polternd auf der nördlichen
Landebahn auf - das klappt wieder wie am Schnürchen. Während der Kapitän das
Flugzeug gekonnt in Richtung Terminal 2 steuert, schaue ich skeptisch aus dem
Fenster und stelle fest, dass es während der Nacht leicht geregnet hat und die
Strassen mit einer gefährlichen Eisschicht bedeckt sind. HEUREKA - vielleicht hätte
ich meinen Aufenthalt
in Florida doch verlängern sollen.
08.15 Uhr Als wir nach einigen Rangiermanövern die Ankunftshalle erreichen,
springe ich auf und komme in den Genuss, als einer der ersten Münchner Boden zu
betreten. Nach der nervenaufreibenden Passkontrolle renne ich wie der Wind zur
Gepäckausgabe und kann meinen löblichen DELSEY Rollkoffer sowie die
Reisetasche ohne Probleme vom Förderband nehmen. Um nicht noch mehr Zeit zu
vertrödeln, schlendere ich laut pfeifend an den grimmig dreinschauenden
Zollbeamten vorbei und erblicke auch gleich meine unterbelichtete
Mitbewohnerin mit einem Backhörnchen sowie einem Becher Kaffee aus der Bäckerei
Wünsche in der Hand. Natürlich begrüsse ich die Maid freundlichst und schlage
vor, dass wir umgehend zum Parkhaus gehen sollten. Nach wenigen Minuten werfe
ich meine Gepäckstücke auf die Rückbank von Sandras JEEP und weise das Kind
darauf hin, dass ich erschöpft bin und schnell, aber sicher in den Waldweg
gebracht werden will.
08.45 Uhr Während der Hochgeschwindigkeitsfahrt durch die winterliche
Landschaft schaue ich wehmütig auf das trostlose Land und teile Sandra mit,
dass ich in Kürze erneut meine Koffer packen und für immer noch Florida
auswandern werde. Ferner bringe ich meine Erlebnisse in der Fremde zur Sprache
und zeige auf, dass ich während der letzten fünf Wochen nicht nur das
"Casino Rama" in Orilla und die Sehenswürdigen von Toronto besucht,
sondern auch als Portier in Herrn Wangs "Old Town Hotel" (löblich:
alte Stadt Hotel) fungiert habe. Während ich aus dem Schwärmen gar nicht mehr
herauskomme und mich schon jetzt ins Rentnerparadies zurücksehne, stösst mich
Sandra plötzlich in der Seite und informiert, dass am vergangenen Sonntag
mehrere Schindeln vom Dach gefallen sind - das hat gerade noch gefehlt. Mir
bleibt wohl nichts anderes übrig, als Handwerksmeister Darius anzurufen und die
Schäden schnellstmöglich beheben zu lassen - das wird bestimmt teuer.
09.30 Uhr Nach einer knapp halbstündigen Fahrt treffen wir im Waldweg ein. Natürlich
werfe ich zuerst einen prüfenden Blick in meinen Vorgarten und sehe, dass sich
während meiner Abwesenheit keiner um die Gartenarbeit gekümmert hat - das war
auch nicht anders zu erwarten. Nachdem sich Sandra in Richtung Arbeit
verabschiedet hat, betrete ich das Anwesen und freue mich sehr, meine beiden
Haustiere sowie Frau Mars in die Arme schliessen zu können - welch schöne Überraschung.
Meine Zugehfrau führt mich zuvorkommend in die Küche und deutet demonstrativ
auf die Kochtöpfe, um mir mitzuteilen, dass sie zur Feier des Tages einen
saftigen Schweinebraten mit Knödeln und Kraut zubereiten wird - wie schön.
10.00 Uhr Während die Perle die schmutzige Wäsche in den Keller schleppt und
die Waschmaschine in Betrieb nimmt, nehme ich in Gesellschaft meiner Hauskatzen
auf dem bequemen Wohnzimmersofa platz und kümmere mich um die Briefpost. Unter
anderem stosse ich auf ein Schreiben meiner Versicherung und lese, dass im Juli
2008 eine meiner Lebensversicherungen ausbezahlt wird. HEUREKA - kaum zu
glauben, dass man nach 40 Jahren mit einem kleinen Beitrag von nur 30 Mark bzw.
15,34 EUROS pro Monat ein kleines Vermögen anhäufen kann.
10.30 Uhr Nachdem ich das Schreiben sauber in einem Ordner verstaut habe, greife
ich zu meiner Schwarzbeere (unlöblich: Blackberry) und versuche vergeblich, bei
Prof. Edelbert Kuhn im Haselnussweg anzurufen. Als ich verwundert auf die
elektronische Anzeige (unlöblich: Display) blicke, wird mir schnell klar, dass
die AT&T Telefonkarte leider nur innerhalb der USA funktioniert - wie
schade. Um auch in meiner weissblauen Heimat mit diesem elektronischen
Wunderwerk telefonieren zu können, muss ich wohl oder übel einen Vertrag bei
der Telekom abschliessen - das wird teuer. Verärgert nehme ich mein
Schnurlostelefon zur Hand habe nach dem dritten Klingeln endlich den Professor
an der Strippe. Mein Bekannter ist ganz überrascht und schlägt vor, dass wir
uns gleich zu einem kleinen Umtrunk im Gasthaus unseres Vertrauens treffen
sollten. Da mich nach der langen Reise jedoch langsam die Müdigkeit übermannt,
erteile ich dieser Idee eine schnelle Absage und vertröste Edelbert auf morgen
- schliesslich bin ich nicht mehr der Jüngste.
11.00 Uhr Just als ich mir eine süffige Halbe einschenke und mich am Esstisch
niederlasse, werde ich durch lautes und besonders aggressives Klingeln gestört.
Misstrauisch öffne ich die Türe und staune nicht schlecht, als ich Amanda
und David (2) vorfinde. Natürlich bitte ich die zwei sogleich in die gute
Stube herein und lade sie kurzerhand zu einem gemeinsamen Mittagessen ein. Frau
Mars lässt sich nicht zweimal bitten und kredenzt uns ordentliche Portionen
Schweinebraten sowie formschöne Knödel der Extraklasse.
11.30 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse und mich am bayerischen Traditionsmahl
labe, versorge ich die anderen mit wissenswerten Fakten und referiere über
meine Abenteuer den letzten Wochen. Selbstverständlich komme ich bei dieser
Gelegenheit auch auf das George Strait Konzertereignis in Jacksonville zu
sprechen und berichte, dass damit ein lang gehegter Wunschtraum endlich in Erfüllung
ging. Amanda ist sprachlos und erwidert, dass sie den Auftritt auch gerne
miterlebt hätte - das glaube ich gerne.
12.15 Uhr Als mich Frau Mars mit einem kleinen Nachschlag versorgt, präsentiere
ich meinen Liebsten einige Urlaubsandenken und überrasche Amanda mit zwei
wunderschönen T-Hemden sowie lustigen Salz- und Pfefferstreuern. Um auch Frau
Mars eine kleine Freude zu bereiten, krame ich einen flauschigen Bademantel aus
meiner Reisetasche und informiere darüber, dass das schöne Stück aus dem
renommierten "Casino Rama" stammt. Meine Putzfrau ist gerührt und
verspricht, das Teil gleich morgen beim Frühstück anzuziehen - wie schön.
13.00 Uhr Nach einer Tasse Kaffee und einem Windbeutel lege ich laut ächzend
das Besteck zur Seite. Während ich mich entspannt zurücklehne und in einem
unbeobachteten Augenblick den obersten Knopf meiner Hose öffne, erzählt meine
ehemalige Untermieterin von James Amerikatournee und meint, dass sich mein
Lieblingsneffe gestern Abend telefonisch aus Baton Rouge, LA gemeldet hat - wie
interessant. Amanda steht mir Rede und Antwort und sagt, dass James nur noch 8
Konzerte absolvieren muss in bereits in zwei Wochen nach Hause kommen wird.
Zudem vermeldet die Maid, dass die Plattenfirma "TRHOB" eines der
Konzerte auf DVD veröffentlichen wird und die Musikbande meines Neffen mit
einem stattliches Bonus in Höhe von sagenhaften 120.000 DOLLARS an den
herausragenden Erfolgen teilhaben lässt - das ist phantastisch.
14.00 Uhr Nachdem wir weitere spannende Erlebnisberichte ausgetauscht haben,
werde ich langsam schläfrig. Um nicht am Tisch einzunicken, wünsche ich den
Damen einen schönen Nachmittag und verabschiede mich laut gähnend ins
Wohnzimmer. Ich stelle die Heizung auf die höchste Stufe und nehme bequem auf
dem Sofa platz, um mir ein kleines Nachmittagsschläfchen zu gönnen. Wenige
Sekunden später schlummere ich ein und finde mich im Traum am Golf von Mexiko
wieder.
15.30 Uhr Just als ich von einer TIKI Bar auf Marco Island träume, werde ich
durch lautes Telefonklingeln aus dem Tiefschlaf gerissen - wie unlöblich. Trotz
allem greife ich zum Fernsprecher und habe wenige Sekunden später meine
Schwester Elsbeth aus der Hansestadt Hamburg in der Leitung. Die Gute begrüsst
mich freundlichst und will wissen, ob ich denn sicher zu Hause angekommen bin.
Selbstverständlich beruhige ich meine Schwester redlichst und berichte, dass
ich heute Morgen sicher auf dem Franz Josef Strauss Flughafen gelandet bin.
16.00 Uhr Nachdem ich ausführlich von meinen Abenteuern im Sonnenscheinstaat
sowie meinen Auswanderungsplänen
berichtet habe, beende ich das Ferngespräch und gehe schnell in die Küche, um
mir ein Tässchen Bohnentrunk von ONKO aufzubrühen.
16.15 Uhr Mit Kaffee und einem gesunden HANUTA nehme ich am Heimrechner im
Arbeitszimmer platz und stelle gekonnt die Anschnurverbindung her. Als erstes überprüfe
ich den elektronischen
Briefkasten und stelle fest, dass auch heute wieder viele Eltern meine Hilfe
benötigen. Ich gebe qualifizierte Ratschläge
zum Umgang mit jugendlichen Rabauken und empfehle einem Familienvater aus Zürich,
seinen Sohn Tobias (16) auf keinen Fall zu Spielen der Fussball
EM 2008 ins Stadion gehen zu lassen. Wie jedes Kind weiss, sind solche
Sportspektakel gerade für junge Menschen ganz besonders gefährlich.
17.00 Uhr Ich beende die Elternberatung und kümmere mich stattdessen um meine
eigenen Angelegenheiten. Unter anderem besuche ich Internetzseiten diverser
Immobilienhändler in Florida und komme angesichts der grossen Auswahl
interessanter Objekte aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. HEUREKA - ein
geeignetes Häuschen zu finden sollte wirklich kein Problem darstellen.
17.45 Uhr Gerade als ich ein besonders preiswertes Anwesen am Stadtrand von Fort
Myers betrachte, kommt meine Untermieterin mit quietschenden Reifen von der
Arbeit nach Hause. Bei dieser Gelegenheit beende ich die Anschnurarbeit und gehe
mausdrückend von der Leine (unlöblich: offline). Danach eile ich in den Flur
und gebe Sandra zu verstehen, dass ich keinen grossen Hunger habe und
wahrscheinlich schon bald ins Bett gehen werde. Trotz allem läuft meine
Mitbewohnerin in die Küche und sagt, dass sie eine kleine Brotzeit zubereiten
wird - das soll mir auch Recht sein.
18.15 Uhr Während meine Untermieterin den Kochlöffel schwingt und mit Tellern
klirrt, genehmige ich mir ein Weissbier aus bayerischen Landen und komme aus dem
Zungeschnalzen gar nicht mehr heraus.
18.30 Uhr Endlich ist es soweit und Sandra ruft mich zum löblichen Abendessen
an den Esszimmertisch. Zu meiner Freude erkenne ich, dass die Maid ein
vegetarisches, aber schmackhaftes Gericht in Form von lustigen Gemüsestäbchen
sowie Kartoffelbrei und Tomatensalat gezaubert hat - da kommt Freude auf. Wir
lassen uns besagtes Schmankerl redlichst munden und plaudern nebenbei über
meine Auswanderungspläne. Wie nicht anders zu erwarten, macht Sandra die Sache
mies und sagt ernsthaft, dass ich niemals eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung
für die USA bekommen werde - darüber kann ich nur lachen. Bald werde ich dem
US Konsulat in der Königinstrasse in München einen Besuch abstatten und meiner
Untermieterin beweisen, dass redliche Rentner in den USA stets willkommen sind.
19.15 Uhr Da Sandra freundlicherweise in der Küche für Sauberkeit und Ordnung
sorgt, lasse ich mich erschöpft auf das Sofa fallen und greife zu meiner
neumodernen Fernbedienung.
19.45 Uhr Obwohl mir wegen des unlöblichen Tschetlegs beinahe die Augen
zufallen, verfolge ich eine weitere Ausgabe der unlöblichen Seifensendung
"Dahoam is dahoam" im bayerischen Fernsehen und komme angesichts der
dummen Dialoge aus dem Gähnen gar nicht mehr heraus. HEUREKA - selbst ich würde
bessere Drehbücher schreiben.
20.45 Uhr Als ich zum wiederholten Male einnicke, schalte ich das
Farbfernensehgerät aus und unternehme noch schnell einen Rundgang durch die
Villa. Danach gehe ich zufrieden ins Bett und schlafe schon bald ein. Gute
Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 04.02.2008
©
Reinhard Pfaffenberg |
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