Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

02.01.2008

05.45 Uhr Ich erwache unlöblich und habe mit einem garstigen Hustenreiz zu kämpfen - das hat gerade noch gefehlt. Missmutig hüpfe ich aus dem Bett und trete laut niessend in die Nasszelle, um mich für den Flug nach Florida redlichst vorzubereiten. Wie es sich gehört, entspanne ich bei einem heissen Wirbelbad und lausche nebenbei dem Kurzwellen Radioprogramm aus meiner weissblauen Heimat. Neben den üblichen Meldungen zu Mindestlohn und Raucherschutz, höre ich ausserdem, dass Brandenburgs Schüler fast gar nichts über die DDR wissen. War die Forschergruppe der Universität schon über die im November veröffentlichten Ergebnisse zum DDR-Bild von Berliner Schülern entsetzt, kam es jetzt noch dicker. Denn was die 750 brandenburgischen Schüler auf ihren Fragebögen ankreuzten, übertraf sogar die schlimmsten Befürchtungen. Von den 18 Wissensfragen konnten mehr als 70 Prozent nicht einmal die Hälfte richtig beantworten. Erschreckend sei, dass mehr als die Hälfte (54,4 Prozent) das Jahr des Mauerbaus nicht kannten. Nur etwa jeder Dritte wusste überhaupt, dass die SED den Bau der Mauer in Auftrag gegeben hatte. Ebenfalls jeder dritte Schüler hielt Konrad Adenauer und Willy Brandt für DDR-Politiker - wie unlöblich. Ausserdem neigen die befragten Schüler dazu, die "vermeintlich positiven sozialen Aspekte der DDR" hervorzuheben und einen Staat zu favorisieren, der die Wirtschaft umfassend lenkt - wie lächerlich. Diese Befragung zeigt anschaulich, dass den jungen Menschen im Osten unseres Landes nicht mehr zu helfen ist. Anstatt die menschenverachtenden Machenschaften der Sozialistischen Einheitspartei aufzuarbeiten, schwelgen die Bürger immer noch in "Ostalgie" und vertreten die Meinung, dass in der DDR nicht alles schlecht war. Angesichts dieser Tatsache ist es auch kein Wunder, wenn die SED-Nachfolgepartei "LINKE" im Osten immer mehr Bürger mobilisieren und in der Wählergunst stetig zulegen kann - wo soll das noch hinführen mit dieser Welt. 
06.30 Uhr Redlichst in Schale geworfen eile ich mit meinen Gepäckstücken nach unten und bemerke, dass meine Liebsten bereits am Frühstückstisch sitzen und sich das wichtigste Mahl des ganzen Tag munden lassen. Selbstverständlich geselle ich mich sofort dazu und erfahre von Georg, dass wir uns wegen des Winterwetters bald auf den Weg zum Flughafen machen sollten. Nachdem ich auf meine wertvolle ROLEX geblickt habe, stimme ich eifrig nickend zu und gebe zu Protokoll, dass mein Flug in nicht einmal zwei Stunden starten wird - wie aufregend. 
06.45 Uhr Just als ich mir eine letzte Tasse Kaffee schmecken lasse und in einen schmackhaften Apfel beisse, nimmt mich Georg in einem unbeobachteten Augenblick zur Seite und steckt mir einen Umschlag voller Geldscheine zu. Als ich verwundert nach dem Rechten frage, schlägt mein Bruder vor, dass ich von diesem Geld neue Gartenmöbel erwerben und die alten, vergammelten Sitzgelegenheiten von einer Entsorgungsfirma abholen lassen soll - wie schön. Ruckzuck verfrachte ich den Umschlag in meine Jackentasche und versichere Georg, dass er sich 100%ig auf mich verlassen kann. 
07.00 Uhr Um nicht zu spät am Flughafen zu erscheinen, klatsche ich demonstrativ in die Hände und fordere meinen Neffen auf, mich jetzt zum "Lester B. Pearson Airport" zu kutschieren. Während die Kinder meinen schweren Rollkoffer zum Lincoln Stadtwagen (unlöblich: Towncar) ziehen, verabschiede ich mich von Georg und Maria redlichst und gebe den beiden zu verstehen, dass ich während meines Floridaaufenthaltes den Garten des Feriendomizils auf Vordermann bringen und sogar die Einfahrt teeren werde. Mein Bruder freut sich sehr und sagt, dass ich auch eine Servicefirma damit beauftragen könnte, das hauseigene Schwimmbecken sowie die Dachrinnen zu reinigen. 
07.15 Uhr Nachdem ich David (2) in die Backe gekniffen und Amanda die Hand gereicht habe, laufe ich mit James zum Chevrolet Blazer und freue mich auf meinen Abflug nach Florida. Mein löblicher Neffe steuert den Wagen trotz Schneeverwehungen und Temperaturen von -8°C gekonnt gen Westen und meint, dass wir gegen viertel vor Acht den Flughafen erreichen sollten - wie schön. Während im Autoradio Kenny Chesneys Nummer 1 Schlag "Don't Blink" (löblich: Nicht blinken) läuft, blinkt James links und ich stelle fest, dass ich bereits in fünf Stunden im sonnigen Rentnerparadies landen werde - das ist phantastisch.
07.45 Uhr Wir treffen gutgelaunt am Flughafen ein und erfahren anhand einer Anzeigetafel, dass mein Flug ins Rentnerparadies vor wenigen Minuten aufgerufen wurde - wie schön. Um den Flug nicht zu verpassen, werde ich umgehend an einem Luft Kanada (löblich: Air Canada) Schalter vorstellig und überreiche der Maid meine Reisedokumente. Wie nicht anders zu erwarten, gibt die freundliche Dame (42) die erforderlichen Daten in ihren Heimrechner ein und behauptet, dass ich mich sputen und schnellstmöglich zum Tor 183 (unlöblich: Gate 183) laufen sollte. 
08.00 Uhr Nachdem ich James viel Erfolg für seine Frühjahrstournee gewünscht habe, betrete ich ruckbesackt den Sicherheitsbereich und kann ohne grössere Schwierigkeiten das Fluggerät der Marke "Embraer 190" besteigen. Ich dränge mich als einer der ersten in die Maschine und lasse mich bequem auf einem Fensterplatz in der 17. Reihe nieder. HEUREKA - da nur wenige Passagiere nach Fort Myers fliegen, bleibt der Platz neben mir anscheinend frei.
09.00 Uhr Mit knapp fünfzehnminütiger Verspätung setzt sich der Vogel endlich in Bewegung und hebt laut scheppernd vom Rollfeld ab - wie aufregend. Ich blicke derweilen schnäuzend aus dem Fenster und kann einen letzten Blick auf den beeindruckenden CN Turm sowie den Ontariosee erhaschen - dieses Bild muss man einfach gesehen haben.
09.30 Uhr Als der Warnhinweis "FASTEN YOUR SEATBELTS" endlich erlischt, kommt eine blondierte Flugbegleiterin daher und serviert eine kleine Brotzeit in Form einer mit Schinken und Käse belegten Semmel sowie einer eiskalten Coca Cola - wie unlöblich. Da mir mittlerweile auch der Hals weh tut, stelle ich das Kaltgetränk prompt zur Seite und fordere das Mädchen (23) auf, mir einen brühfrischen Kaffee oder eine Tasse Tee zu kredenzen. 
10.15 Uhr Während die anderen Reisenden gelangweilt aus dem Fenster blicken oder in Zeitungen blättern, lehne ich mich entspannt zurück und male mir aus, wie schön es im fernen Rentnerparadies sein wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sich der garstige Schnupfen in Florida schnell wieder verabschieden wird. 
10.45 Uhr Um mir die Zeit etwas zu vertreiben, unternehme ich einen kleinen Spaziergang durch das schicke Flugzeug und horche bei dieser Gelegenheit einen hochnäsigen Flugbegleiter aus. Herr Phil (25) steht mir Rede und Antwort und berichtet, dass es sich bei der Flugzeugmanufaktur "Embraer" um ein brasilianisches Unternehmen handelt, dass es sich seit 1992 zur Aufgabe gemacht hat, dem bayerischen Hauptkonkurrenten "Dornier" mit besonders günstigen Kurzstreckenmaschinen das Leben schwer zu machen - wie unlöblich. Weiter berichtet der Mann, dass Air Canada 20 Flugzeuge dieses Typs im Einsatz hat und damit Strecken innerhalb Kanadas bzw. der nordamerikanischen Ostküste bedient - wie interessant. 
11.00 Uhr Als ich mich wieder auf meinem Sitzplatz niederlasse, meldet sich plötzlich der Pilot per Sprechdurchsage zu Wort und kündigt an, dass es in Fort Myers mit 17°C angenehm warm ist. Zudem verkündet der Flugkapitän, dass wir mit zehnminütiger Verspätung auf dem "Southwest International Airport" aufsetzen werden - wie aufregend. 
11.30 Uhr Kurz vor der Landung hole ich meine Delsey Rucksack aus dem Gepäckfach und stelle sicher, dass ich gleich nach der Landung als einer der ersten die Maschine verlassen kann - immerhin habe ich meine Zeit nicht gestohlen. 
12.00 Uhr Endlich ist es so weit und die Maschine setzt laut polternd auf der südlichen Landebahn des Flughafens auf. Um Herrn Wang nicht warten zu lassen, laufe ich direkt in Richtung Gepäckausgabe und ärgere mich sehr, als mein löbliches DELSEY Gepäck als letztes auf dem Gepäckförderband erscheint. Nörgelnd lupfe ich Koffer und Tasche vom Band und laufe danach ganz schnell zum Ausgang, um wenig später meinen Bekannten redlichst zu begrüssen. Der gute Mann gibt sich überglücklich und meint, dass wir uns umgehend auf die Heimfahrt begeben sollten - das ist die beste Idee des ganzen Tages. 
12.30 Uhr Während der kurzweiligen Autofahrt in Herrn Wangs BMW lasse ich meinen Aufenthalt in Toronto noch einmal Revue passieren und erzähle unter anderem von meinem aufregenden Ausflug ins "Casino Rama". Mein Nebenmann kann es kaum glauben und sagt, dass besagtes Spielkasino zu den besten Hotels auf dem nordamerikanischen Kontinent zählt - wie wahr. Anschliessend kommt ich auch auf Herrn Wangs Hotel zu sprechen und erfahre, dass sich "zwischen den Jahren" nur sehr wenige Urlauber ein Zimmer in besagter Herberge leisten wollen. Herr Wang kündigt ausserdem an, dass er während der kommenden Wochen etwas kürzer treten und die Geschäftsleitung an seine Tochter Carol abgeben wird - das ist wirklich phantastisch. Trotz allem stelle ich unmissverständlich klar, dass ich mich gerne nützlich machen und als Personalmenetscher oder Hausmeister fungieren würde. Leider erteilt mir mein Bekannter eine schnelle Absage und stellt klar, dass er über genügend zuverlässiges Personal verfügt - das soll mir auch Recht sein. 
13.30 Uhr Nach einer knappen Stunde treffen wir endlich im Lowbank Drive ein. Ich springe laut hustend aus dem BMW und freue mich sehr, nach knapp vier Monaten wieder im meiner "zweiten Heimat" zu sein. Gemeinsam mit Herrn Wang betrete ich das schöne Häuschen und stelle anerkennend fest, dass sich Frau Gomez in den letzten Tagen viel Mühe gegeben und das Eigenheim auf Hochglanz herausgeputzt hat. 
14.00 Uhr Da Herr Wang ab 15 Uhr die Nachmittagsschicht in seinem kleinen Hotel übernehmen muss, entschliesse ich mich, eine kleine Ruhepause einzulegen und meine Erkältung auszukurieren. Bereits nach wenigen Augenblicken schlummere ich ein und träume von einer gesunden Mass Bier und einer Schweinshaxe in meiner Stammgaststätte "Wilder Esel" - wie schön.
14.45 Uhr Ich erwache unlöblichst und verspüre neben einem Kratzen im Hals, auch garstige Kopfschmerzen - wie schrecklich. Verärgert schleppe ich mich in die Küche und öffne den Schrank mit den Medikamenten, um mir einige ASPIRIN zu genehmigen. HEUREKA - wenn das so weitergeht, muss ich den Urlaub wohl im Bett verbringen.
15.15 Uhr Nachdem ich die Tabletten mit einem Schluck Diät Coca Cola hinuntergespült habe, brühe ich eine Kanne Pfefferminztee auf und stelle erschrocken fest, dass gar kein Gebäck im Haus ist - wie unlöblich. Trotz meiner Krankheit muss ich morgen wohl in den saueren Apfel beissen, und zum Abschoppen zu Publix oder Winn Dixie fahren.
15.45 Uhr Da es draussen mit 14°C zu frisch ist, nehme ich teetrinkend auf dem Sofa im Wohnzimmer platz und decke mich mit einer blauen Fliesdecke ordentlich zu. Als nächstes greife ich zum schnurlosen Fernsprecher und rufe gekonnt die Nummer meines Bruders in Toronto an. Meine Schwägerin meldet sich bereits nach dem zweiten Klingeln und will wissen, ob ich sicher in Florida angekommen bin. Selbstverständlich berichte ich von meiner anstrengenden Anreise und erzähle auch, dass ich krank bin und nicht weiss, wie ich die nächsten Tage überstehen soll. Maria winkt jedoch ab und sagt, dass eine Erkältung im sonnigen Florida ruckzuck verfliegt - das hoffe ich sehr.
16.00 Uhr Nachdem ich das sündteure Ferngespräch beendet habe, lege ich mich laut seufzend hin und falle schon bald in einen traumlosen Schlaf.
16.30 Uhr Lautes Telefonklingeln weckt mich unsanft - wie unlöblich. Missmutig greife ich zum Telefon und habe diesmal meinen Bekannten Herrn Wang in der Leitung. Der Gute erkundigt sich nach meinem werten Befinden und will wissen, ob es mir schon besser geht. Laut hustend winke ich ab und gebe zu Protokoll, dass ich so krank bin, dass ich nicht einmal zum Einkaufen fahren kann. Als Herr Wang anbietet, mir das Nötigste aus der Stadt mitzubringen, lehne ich ab und erkläre, dass noch Tiefkühlpizzas und einige Flaschen Cola und Bier vorhanden sind.
17.00 Uhr Während ich Herrn Wang weiter mein Leid klage, meint er plötzlich, dass er hinter der Rezeption steht und jetzt einem Ehepaar beim Eintschecken zur Seite stehen muss - das soll mir auch Recht sein. Ich kündige an, mir in den nächsten Tagen das Hotel genau anzuscheuen und beende dann mit knurrendem Magen das Telefonat.
17.15 Uhr Bei stimmungsvollen Katze Land (unlöblich: Cat Country) Landmusikklängen aus dem Küchenradio heize ich den Herd vor und nehme eine Salamitiefkühlpizza aus dem Gefrierschrank. Nebenbei öffne ich ein Fläschchen Budweiser Bier und nehme einen grossen Schluck - schmeckt echt klasse.
18.00 Uhr Düdeldü - mit einem weiteren Bier nehme ich vor dem Fernseher platz und lasse mir die italienische Spezialität zungeschnalzend munden. Bei dieser Gelegenheit schalte ich auf den beliebten Landmusiksender CMT und verfolge eine interessante Reportage, in der sich alles um die besten weiblichen Schankkellner der Nation dreht. Die Kandidaten müssen ihre Fähigkeiten im Singen, Tanzen und Getränkemischen unter Beweis stellen - wie aufregend.
18.45 Uhr Nachdem ich den Teller in die Geschirrspülmaschine verfrachtet habe, genehmige ich mir eine kleine Nachspeise in Form eines vitaminreichen SNICKERS Riegels und eines Bechers Bohnenkaffee. Danach setze ich mich grübelnd vor den Fernseher und mache mir eigene Gedanken bezüglich meines Geburtstagsfests am morgigen Donnerstag. Da ich sehr krank bin, werde ich in diesem Jahr wohl auf eine lustige Geburtstagsfeier mit Herrn Wang und den Porellos aus der Nachbarschaft verzichten müssen - wie schade.
19.30 Uhr Um nicht trübsinnig zu werden, greife ich zur neumodernen Fernbedienung und schaue mir die 1964 erstmals ausgestrahlte Spielschau "Jeopardy“ (löblich: Gefährdung) mit Spielmeister Alex Trebek an. Obwohl ich nicht 100%ig fit bin, gelingt es mir doch, die ein oder andere Antwort richtig zu befragen - wie schön.
20.15 Uhr Zungeschnalzend wechsle ich das Programm und finde mich wenig später auf dem Food (löblich: Essen) Sender wieder - da kommt Freude auf. In der Sendung "Good Eats" (löblich: gute Gerichte) werden heute tropische Spezialitäten wie z.B. eingelegte Zwiebeln, Kokosnusskrabben in Erdnusssauce, Schweinefleisch süss-sauer und sogar Kokosnuss-Schokoladen Bälle vorgestellt. HEUREKA - bei diesen Rezepten läuft einem das Wasser im Munde zusammen.
21.00 Uhr Laut gähnend beende ich diesen anstrengenden Tag und nehme nochmals zwei ASPIRIN Tabletten. Nachdem ich Fenster und Türen im Ferienhaus sicher verschlossen habe, gehe ich erschöpft ins Bett und schlafe schon bald ein. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 02.01.2008
© Reinhard Pfaffenberg