29.12.2006
07.00 Uhr Ich erwache wie gerädert und fühle mich ganz schlecht. Am liebsten würde ich heute im warmen Bett bleiben und gar nicht aufstehen. Erst nach einigen Minuten kann ich mich überwinden und springe schweren Herzens aus den Federn, um zum letzten Mal den wichtigen Frühsport auf kanadischem Boden zu absolvieren.
07.30 Uhr Nachdem ich meine Muskeln redlichst gestählt habe, mache ich Nägel mit Köpfen und hole den Delsey Rollkoffer aus dem Schrank. Noch bevor ich den Tag mit einem erquickenden Wirbelbad beginne, packe ich meine sieben Sachen zusammen und werfe sie achtlos in den Koffer. HEUREKA - ich kann immer noch nicht glauben, dass schon am Abend der Heimflug nach Deutschland auf dem Programm steht.
08.00 Uhr Just als ich meine Gepäckstücke in den Gang stelle, kommt meine Schwägerin dazu und erzählt, dass Amanda bereits in den frühen Morgenstunden operiert wurde und James gerade in Richtung Krankenhaus aufgebrochen ist - wie furchtbar. Maria beruhigt mich sofort und meint, dass meine ehemalige Untermieterin in wenigen Stunden wieder auf ein normales Zimmer verlegt wird und in ein paar Tagen nach Hause darf - das will ich hoffen. Nachdenklich eile ich ins Badezimmer und entspanne mich bei einem heissen Sprudelbad - das tut richtig gut. Während ich mit dem Schwamm hantiere und mir ordentlich die Haare wasche, lausche ich nebenbei dem interessanten Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks und vernehme, dass die kriegerische Auseinandersetzung zwischen der äthiopischen Armee und islamischen Milizen aus Somalia zu eskalieren droht. Während beherzte äthiopische Soldaten mittlerweile die Hauptstadt Mogadischu eingenommen haben und mit allen Mitteln versuchen, die Demokratie im Nachbarstaat wiederherzustellen, haben Vertreter der EU nichts besseres zu tun, als diesem Vorgehen die rote Karte zu zeigen. Unter anderem gab Schwedens Aussenminister Carl Bildt zu Protokoll, "dass die Gefahr bestehe, dass sich der Bürgerkrieg in Somalia zu einem regionalen Krieg entwickelt. Äthiopiens Einmischung könnte zudem die ernste Lage noch verschlimmern" - darüber lachen doch die Hühner. Anscheinend ist es den armanianzugtragenden Europaabgeordneten entgangen, dass in Somalia schon seit Jahren das Chaos herrscht und fast nichts mehr zu retten ist. Anstatt Dummsinn am laufenden Band von sich zu geben und sich auf die Seite von Terroristen zu stellen, sollten sich die Verantwortlichen in Brüssel redlichst am Riemen reissen und Äthiopien militärische Hilfe zukommen lassen. Schliesslich kann es nicht sein, dass islamische Rebellen in Somalia das Sagen haben und das Land mit blutiger Hand in einen Gottessstaat verwandeln. Gott sei Dank haben sich wenigstens die USA auf die richtigen Seite gestellt und Äthiopien vollste Unterstützung signalisiert - wie schön.
09.00 Uhr Nachdem ich mich in Schale geworfen und meine Reisedokumente überprüft habe, begebe ich mich in die Küche und nehme im Kreise meiner Liebsten platz. Obwohl mir angesichts der bevorstehenden Abreise und Amandas Krankheit der Appetit vergangen ist, lasse ich mir nichts anmerken und mache gute Miene zum bösen Spiel. Ich verzehre geröstete Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast), Rühreier mit Speck sowie eine Mandarine und erzähle Georg, dass ich heute um 17 Uhr an den "Lester B. Pearson Flughafen" gebracht werden möchte. Mein Bruder stimmt sofort zu und verspricht, mich persönlich zu fahren und bis zum Terminal zu bringen - wie schön. Bei dieser Gelegenheit macht mich Maria darauf aufmerksam, dass ich noch bei meiner Untermieterin anrufen und sie über meine Ankunftszeit in Kenntnis setzen sollte - mir bleibt wirklich gar nichts erspart. Natürlich greife ich sofort zum Telefonhörer und lasse es mir nicht nehmen, das Kind direkt auf seinem Handtelefon anzurufen. Nach wenigen Augenblicken habe ich Sandra auch schon an der Strippe und teile ihr mit, dass sie mich morgen pünktlich um 9.55 Uhr am Franz Josef Strauss Flughafen abholen muss. Nebenbei kläre ich sie auch noch über Amandas Operation auf und gebe zu verstehen, dass die Maid gerade unter dem Skalpell liegt. Missgelaunt beende ich das kostspielige Interkontinentalgespräch und habe ein ganz flaues Gefühl in der Magengegend.
10.00 Uhr Als es sich Georg mit der Zeitung im Ohrensessel bequem macht, kümmere ich mich fürsorglich um den kleinen David (1) und trage ihm das schöne Lied von der "launischen Forelle" vor. HEUREKA - leider wird mein schöner Gesang kurze Zeit später von lautem und sehr aggressiven Telefonklingeln unterbrochen - wie unlöblich. Zu unserer Freude meldet sich James in der Leitung und berichtet, dass Amanda die Operation gut überstanden hat und mittlerweile schon wieder auf ihr Krankenzimmer im vierten Stock verlegt wurde - welch gute Nachricht.
10.30 Uhr Just als ich vorschlage, ins Krankenhaus zu fahren, um Amanda mit einem Besuch zu beglücken, macht mir Georg einen Strich durch die Rechnung und meint, dass wir das Kind in Ruhe aufwachen lassen und besser ins griechische Viertel von Toronto fahren sollten - das soll mir auch Recht sein. Voller Elan springe ich vom Sessel und lasse mir vor der Abfahrt noch zwei besonders schöne Vanillekipferl schmecken. Danach eile ich nach Draussen und hüpfe als erster in den CHEVROLET "Tahoe". Nachdem wir ordnungsgemäss die Gurte angelegt haben, kann die Reise auch schon losgehen. Georg beschleunigt den Wagen auf fast 50 Stundenkilometer und bringt mich sicher nach "Greektown" in die Danforth Avenue.
11.15 Uhr Als ich mich aus dem Wagen zwänge und staunend die Schilder beäuge, stelle ich fest, dass die Strassennamen nicht nur in englischer, sondern zudem auch in griechischer Sprache geschrieben sind - wie merkwürdig. Selbstverständlich stelle ich meinen schlauen Bruder sogleich zur Rede und erfahre, dass in diesem Viertel fast 125.000 Griechen leben, die teilweise nicht einmal der englischen Sprache mächtig sind - wie aufregend. Erheitert streben wir die Avenue entlang und sehen, dass hier nicht nur griechische Gaststätten, sondern auch Geschäfte mit Waren aus allen Teilen Europas beheimatet sind. Als ich eine Getränkehandlung mit "Erdinger Weissbier" Werbeschild in der Auslage erspähe, fühle ich mich wie in heimischen Gefilden und kann mir ein Lächeln nicht verkneifen.
12.00 Uhr Nachdem wir ein Schmuckgeschäft namens "Parthenon Jewellery" besucht und Perlmutohrringe für Maria erstanden haben, kehren wir erheitert in eine Gaststätte namens "Ouzeri on the Danforth" ein und nehmen bequem an einem einladenden Tisch direkt an der Glasfassade zur Strasse platz. Während ich die Fischnetze an der Decke bestaune und vermute, dass man damit gefährliche Walfische fängt, kommt ein kleiner bärtiger Ober daher und kredenzt uns zwei Gläschen Ouzo - schmeckt gar nicht schlecht, Herr Specht. Als es ans bestellen geht, lasse ich mich nicht lumpen und lade meinen Bruder kurzerhand zu einem letzten gemeinsamen Mittagessen auf meine Kosten ein. Um die Sache zu vereinfachen, gebe ich zwei Kalamariteller mit Zaziki in Auftrag und ordere ausserdem süffige Labatt Blau Biere.
12.30 Uhr Während wir uns das fettige, aber wohlschmeckende Mittagessen zungeschnalzend munden lassen und nebenbei über Dies und Das plaudern, lasse ich meinen Aufenthalt in Atlanta, Naples und Toronto noch einmal Revue passieren und erkenne schnell, dass ich bei meinem nächsten Amerikabesuch mindestens elf Wochen bleiben muss. Anstatt mir zuzustimmen, mein Georg ernsthaft, dass ich doch einfach für immer in Naples bleiben sollte. HEUREKA - selbstverständlich winke ich sofort ab und gebe mit erhobenem Zeigefinger zu verstehen, dass ich in Amandas Donutladen unabkömmlich bin und ausserdem ein Auge auf die Kinder werfen muss.
13.15 Uhr Nachdem ich die Rechnung mit einem druckfrischen 50 Dollar Schein bezahlt und ausserdem ein stattliches Trinkgeld gegeben habe, heisst es Abschied von der schönen Stadt zu nehmen. Laut seufzend kehre ich zum Fahrzeug zurück und fordere Georg auf, jetzt schnellstens zum "North York General Hospital" (löblich: North York Allgemeines Krankenhaus) zu fahren. Mein löblicher Bruder kommt meiner Bitte anstandslos nach und prescht in Richtung Norden davon. Bevor wir allerdings auf den "Don Valley Parkway" auffahren, halten wir noch schnell vor einem kleinen Blumenladen, um einen hübschen Strauss für Amanda zu kaufen.
13.30 Uhr Nachdem ich 15 Dollars für einen bunten Blumenstrauss auf den Tresen geblättert habe, geht es endlich weiter und wir brausen auf der mehrspurigen Strasse in Richtung Krankenhaus. Schon nach wenigen Minuten verlassen wir die Autobahn 401 an der Ausfahrt Leslie Strasse und finden uns im nächsten Moment im Parkhaus des beeindruckenden Hospitals wieder. HEUREKA - hoffentlich finden wir uns in diesem grossen Komplex zurecht.
14.00 Uhr Nach einer Odyssee durch mehrer Etagen treffen wir endlich im vierten Stock ein und betreten Amandas löbliches Krankenzimmer. Selbstverständlich dränge ich meinen Neffen James sofort zur Seite, um meiner ehemaligen Untermieterin redlichst die Hand zu schütteln und ihr den Blumenstrauss zu überreichen. Mit Freude stelle ich fest, dass das Kind gar nicht krank aussieht und die Operation anscheinend gut überstanden hat. Während James bei der Stationsschwester eine Vase besorgt, plaudern wir redlichst mit meiner ehemaligen Untermieterin und hören, dass der Eingriff laut Dr. Olsen hervorragend verlaufen ist und dass sie das Krankenhaus voraussichtlich schon am Dienstag verlassen darf - wie schön.
14.30 Uhr Just als ich Amanda mit lustigen Grimmassen aufheitere, kommt eine kleine Krankenschwester in das luxuriöse Einzelzimmer und hängt eine weitere Infusionsflasche auf - wie aufregend. Die gute Frau sagt ausserdem, dass wir nicht zu lange bleiben sollten, weil die Patientin jetzt sehr viel Ruhe braucht.
15.00 Uhr Um den Kindern den Abschied nicht zu schwer zu machen, verzichte ich auf grosse Worte und verabschiede mich von den beiden mit Handschlag. Ich wünsche Amanda noch gute Besserung und höre von James, dass wir uns voraussichtlich am 9. Januar im Waldweg wiedersehen werden - das hoffe ich sehr. Danach mache ich mich mit Georg auf den Weg und laufe ins Parkhaus, um ohne Umwege nach Hause zu fahren.
15.30 Uhr Zurück in Georgs Eigenheim greife ich umgehend zum Telefonhörer und rufe bei Frau Mars in der bayerischen Heimat an. Gott sei Dank meldet sich meine Zugehfrau bereits nach dem zweiten Klingeln und freut sich sehr, endlich wieder meine Stimme zu hören - wie schön. Da ein Überseegespräch nicht gerade billig ist, komme ich umgehend auf den Grund meines Anrufs zu sprechen und fordere die fleissige Dame auf, morgen früh in die Metzgerei Pfanzelt zu spazieren und ein saftiges Stück Braten zu kaufen. Ferner wünsche ich mir hausgemachte Semmelknödel, vitaminreiches Blaukraut, einen deftigen Selleriesalat sowie als Nachspeise eine lustige Paradieskreme - eine nahrhafte Mahlzeit habe ich mir nach den Reisestrapazen der letzten Wochen allemal verdient. Frau Mars notiert sich meine Angaben ganz genau und verspricht, morgen ein schmackhaftes Mahl auf den Tisch zu bringen.
16.00 Uhr Beim Blick auf meine wertvolle ROLEX stelle ich fest, dass ich langsam in die Gänge kommen sollte. Da ich bereits in einer Stunde zum Flughafen fahren muss, überprüfe ich nochmals mein Gepäck sowie die Reisedokumente und lasse ganz nebenbei einige von Marias schmackhaften Zimtsternen in den Rollkoffer wandern - dieses Weihnachtsgebäck schmeckt wirklich ganz vorzüglich.
16.45 Uhr Bevor mich Georg im "Tahoe" zum Flughafen bringt, verabschiede mich von Maria und erkläre, dass ich im nächsten Jahr wieder nach Naples und vielleicht sogar nach Toronto kommen werde. Meine Schwägerin nickt eifrig und meint zudem, dass ich zu jeder Zeit willkommen bin und mir alle Türen offen stehen - wie aufregend. Ich umarme die gute Frau ein letztes Mal und lade sie bei dieser Gelegenheit zu einem Gegenbesuch nach Bayern ein. Nachdem ich auch zu David (1) auf Wiedersehen gesagt habe, kann es endlich losgehen.
17.45 Uhr Nach einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt über die Autobahnen der Metropole treffen wir endlich am "Lester B. Pearson" Flughafen ein und stellen den Wagen sicher im Parkhaus ab. Danach schleppen wir die schweren Gepäckstücke durch den halben Flughafen und laufen zu den Schaltern der "Air Canada" (löblich: Luft Canada).
18.15 Uhr Als wir endlich am Ziel sind, blickt Georg auf seine Uhr und teilt mir mit, dass er nun zurück zu seiner Ehefrau brausen wird. Trotz allem drücke ich ihn noch einmal an mich und trage ihm viele Grüsse an die Familie auf. Georg beruhigt mich redlichst und behauptet, dass wir uns bestimmt schon bald wieder sehen werden - darauf freue ich mich jetzt schon.
18.45 Uhr Nachdem ich endlich die Einsteigekarten erhalten und die Koffer auf das Gepäckband befördert habe, dränge ich mich durch die Menschenmassen und kann nach einer zeitraubenden Sicherheitskontrolle endlich das Flugzeug der Marke Boing 767-300 besteigen - wie schön. Missgelaunt schnappe ich mir die aktuelle Ausgabe des "Toronto Star" (löblich: Toronto Stern) und nehme erschöpft auf dem Sitz 33A platz - das wäre geschafft.
19.30 Uhr Während ich aus dem Fenster schaue und das geschäftige Treiben auf dem Rollfeld verfolge, meldet sich der Flugkapitän in einer Sprechdurchsage und teilt mit, dass wir mit knapp zehnminütiger Verspätung nach München aufbrechen werden - das ist wieder einmal typisch.
20.00 Uhr Nachdem sich der Stahlvogel endlich in die Lüfte erhebt hat, deute ich auf meine wertvolle ROLEX und mache dem Fräulein (27) neben mir klar, dass wir bestimmt mit einigen Stunden Verspätung in der bayerischen Landeshauptstadt landen werden. HEUREKA - höchstwahrscheinlich muss ich dann auch noch ein Taxi für die Heimfahrt bezahlen.
20.30 Uhr Da das Abendessen lange auf sich warten lässt, blättere ich gelangweilt der Zeitung und lese, dass vorgestern ein europäischer Satellit von Kasachstan aus in den Weltraum geschossen wurde. Angeblich möchte die europäische Weltraumbehörde mit diesem Projekt sogenannte Exoplaneten und sogar Sonnensysteme ausserhalb unseres Planetensystems entdecken - diesen Unsinn muss man gehört haben. Anstatt Milliarden EUROS an Steuergeldern ins Weltall zu pulvern, sollten die Verantwortlichen endlich zur Einsicht kommen und die Renten kräftig erhöhen - angesichts meiner spärlichen Pension käme das genau richtig.
21.00 Uhr Just als ich die Zeitung achtlos zu Boden werfe, wird endlich das Abendessen serviert - das wurde auch langsam Zeit. Die Wahl zwischen Fisch und Fleisch fällt mir heute ganz besonders leicht. Ich überlege nicht lange und lasse mir ein deftiges Schnitzel (unlöblich: Steak) mit Nudeln und Gemüse sowie ein eisgekühltes MOLSON Bier kredenzen. Während ich kraftvoll zubeisse und mich zungeschnalzend am saftigen Fleisch labe, fällt mir auf, dass die junge Dame neben mir eine vegetarische Reispfanne vorbestellt hat - wie lächerlich. Ich deute mit dem Messer auf mein Steak und erkläre der Frau, dass dieses Gericht ganz hervorragend schmeckt - leider scheint die Gute keinen Spass zu verstehen und wendet sich naserümpfend ab - wie schade.
22.00 Uhr Nach einem weiteren Bier und einer kleinen Tüte Erdnüsse, stelle ich meine Uhr auf die europäische Zeit um und entspanne mich redlichst. Schon bald schlafe ich ein und sehe im Traum meine garstige Untermieterin vor mir stehen - wie unlöblich. Gute Nacht.
Heute steht die Heimreise auf dem Programm - wie schade:
Mein Aufenthalt in Atlanta, Naples und Toronto war wieder einmal viel zu kurz:
http://pfaffenberg.permuda.net/florida2006.html
Ich lade Georg und Maria zu einem Gegenbesuch in mein Eigenheim ein:
http://pfaffenberg.permuda.net/eigenheim.html
Selbstverständlich statte ich Amanda einen Krankenbesuch ab:
http://pfaffenberg.permuda.net/guido.html#amanda
Meine Untermieterin Sandra:
http://pfaffenberg.permuda.net/sandra.html
Bericht: Handtelefone sind unlöblich:
http://pfaffenberg.permuda.net/handtelefon.html
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 29.12.2006
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Reinhard Pfaffenberg |
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