28.12.2006
06.45 Uhr Der Radiowecker klingelt und läutet den vorletzten Tag meines viel zu schnell vergangenen Aufenthalts in Nordamerika ein - wie schade. Wie jeder weiss, werde ich schon morgen um 19.45 Uhr im Flugzeug sitzen und die Heimreise nach Bayern antreten - wie aufregend.
07.15 Uhr Nachdem ich die wichtige Morgengymnastik absolviert und meine Muskeln mit auf- und abhüpfen in Form gebracht habe, schleppe ich mich ins Badezimmer und entspanne bei einem heissen Sprudelbad - das tut so richtig gut. Während ich mich ordentlich wasche und rasiere, folge ich nebenbei dem informativen Kurzwellenprogramm des bayerischen Rundfunks und höre, dass sich der SPD Vorsitzende Kurt Beck wieder einmal als Gutmensch und Stellvertreter des "kleinen Mannes" aufspielt - wie lächerlich. Der aus Rheinlandpfalz stammende Politiker hatte in einer Rede am zweiten Weihnachtsfeiertag verlauten lassen, dass es eine "Grenze der Belastbarkeit" gebe, die nicht überschritten werden darf. Ferner plapperte der traurige Heini davon, dass die beschlossenen Reformpläne der grossen Koalition auf den Weg gebracht sind und damit die "Grenze der Zumutbarkeit" erreicht sei. "Menschen müssen das auch verarbeiten und verkraften können, was an Veränderung notwendig ist" polterte Herr Beck weiter und kündigte zudem eine "neue soziale Gerechtigkeit" für alle an - das ist wieder einmal typisch. HEUREKA - anstatt Politik für einen wirtschaftlichen Aufschwung zu machen, tritt unser nationaler Sozialist Beck wieder einmal auf die Reformbremse und behindert mit seinen dümmlichen Aussagen die Arbeit von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel. Zudem bereitet Herr Beck mit Blick auf die am 1. Januar 2007 beginnende EU-Ratspräsidentschaft eine "Initiative für ein europäisches Grundgesetz" vor und erklärte, dass "wir etwas versuchen, wie wir das in Deutschland 1949 getan haben, als man auf Grund der besonderen Situation nicht eine Verfassung schreiben konnte". HEUREKA - im Klartext soll das wohl heissen: An der deutschen Blödheit soll die Welt genesen. Vielleicht wäre es wirklich am besten, doch nicht nach Bayern zurückzukehren, sonder gleich in Amerika zu bleiben. Wie jedes Kind weiss, kann man im hier wenigstens unbeschwert leben und muss sich nicht über fadenscheinige Aussagen rot-braun lackierter Politiker ärgern.
08.00 Uhr Kopfschüttelnd steige ich aus der Wanne und kleide mich ordentlich an - daran sollte sich die verlotterte Jugend ruhig einmal ein Beispiel nehmen. Anschliessend gehe ich missgelaunt nach Unten und finde Amanda, James, Maria, Georg und den kleinen David (1) frühstückend in der Küche vor - wie schön. Selbstverständlich begrüsse ich die Familie herzlich und nehme ebenfalls an der reich gedeckten Tafel platz, um mir ein kleines Mahl in Form von Pfannkuchen mit Ahornsirup, Rühreiern und geröstete Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast) schmecken zu lassen. Während ich dazu frisch gepressten Orangensaft und die obligatorische koffeinfreie Brühe, die sich Kaffee nennt, verköstige, kündigt Georg plötzlich einen gemeinsamen Ausflug an - wie schön. Als ich eifrig nicke und mich schon an den Niagarafällen stehen sehe, nimmt mir mein Bruder schnell den Wind aus den Segeln und sagt, dass wir zum "Sandbanks Provincial Park" (löblich: Provinzieller Sandbänke Park) fahren werden - das kann ja heiter werden. Enttäuscht greife ich zu einer weiteren Weissbrotscheibe und gebe vor, unter diesen Umständen nicht mitzukommen, sondern James und Amanda im Eigenheim Gesellschaft zu leisten. Leider ist Amanda ganz anderer Meinung und kündigt an, mit James wichtige Einkäufe erledigen zu müssen - wie unlöblich.
08.30 Uhr Nach langem Hin und Her gebe ich letztendlich doch nach und fordere die Leute auf, schnellstens in die Gänge zu kommen - schliesslich habe ich meine Zeit nicht gestohlen.
09.00 Uhr Wenige Minuten später sitze ich bequem auf der Rückbank des CHEVROLET "Tahoe" und werfe einen prüfenden Blick in meinen informativen Reiseführer. Nach langer Suche werde ich endlich fündig und lerne, dass der besagte Park im "Prince Edward County" in der Nähe von Bloomfield zu finden und für seine Sanddünen und einladenden Strände bekannt ist. HEUREKA - da es heute regnet und die Quecksilberanzeige des Thermometers nicht über 0°C steigen wird, werden wir am Sandstrand ganz bestimmt viel Spass haben - wo soll das noch hinführen. Georg lässt sich von meiner schlechten Stimmung jedoch nicht anstecken und braust mit quietschenden Reifen los, um kurze Zeit später auf die Autobahn 401 in östliche Richtung aufzufahren.
09.30 Uhr Während wir an einem Hafen namens "Frenchman's Bay" vorbeidüsen, berichtet mein Bruder, dass es sich um den grössten Jachthafen der ganzen Stadt handelt und hier jährlich ein grosses Volksfest mit allerhand Attraktionen stattfindet - wie aufregend. Ferner macht mich der Gute darauf aufmerksam, dass er in früheren Jahren dieses Fest oft mit James besuchte und der kleine Junge sogar einmal aus der Schiffschaukel direkt auf den Kopf gefallen ist - das erklärt einiges.
10.15 Uhr Als wir die Ortschaft Oshawa erreichen, erblicke ich plötzlich Eisenbahnschienen und frage staunend nach dem Rechten. Natürlich steht mir Georg Rede und Antwort und erzählt, dass diese Gleise zum Eigentum der im Jahre 1918 gegründeten "Canadian National Railway" (löblich: Nationales Kanadisches Schienennetz) gehören - wie aufregend. Ausserdem behauptet er, dass man auf diesen Schienen von Halifax im äussersten Osten über Montreal, Toronto, Winnipeg bis nach Vancouver am Pazifik gelangen kann. HEUREKA - natürlich schlage ich diese Informationen zur Sicherheit in meinem Reiseführer nach und lese, dass ein Personenzug für die knapp 6.000 Kilometer lange Fahrstrecke eine ganze Woche benötigt und den Reisenden in die wilde Natur Kanadas entführt - wie schön. HEUREKA - vielleicht sollte ich im nächsten Sommer mein Ränzlein schnüren und ein kanadisches Eisenbahnbillet erwerben - das wäre einfach zu schön.
10.45 Uhr Nachdem wir Cobourg und Brighton passiert haben und uns unaufhaltsam unserem Ziel nähern, plappert mein Bruder davon, dass sich im "Northumberland County" viele deutschstämmige Einwanderer niedergelassen haben und teilweise noch heute den Gepflogenheiten aus der alten Heimat nachgehen - von diesen Leuten will ich gar nichts wissen.
11.30 Uhr Nach weiteren sechzig Kilometern schnalzt Georg mit der Zunge und bringt das PS-strotzende KFZ sicher auf einem Parkplatz am See zum Stehen - das wurde auch langsam Zeit. Ich springe mit Elan aus dem Fahrzeug und lasse es mir nicht nehmen, zu erst meine eingerosteten Glieder mit dem Hampelmann in Form zu bringen - das tut gut. Nachdem wir David in den Kinderwagen verfrachtet und drei kanadische Dollars für den Stellplatz berappt haben, streben wir gutgelaunt den Strandweg entlang und lassen die Eindrücke auf uns wirken. HEUREKA - kaum zu glauben, dass es sich bei diesem gigantischen See lediglich um den kleinsten der fünf grossen Seen (unlöblich: Great Lakes) handelt. Maria nickt zustimmend und zeigt sogar auf, dass das Wasser nicht nur für die Trinkwasserversorgung, sondern auch für die Kühlung vieler Bürogebäuden in Toronto verwendet wird. Als ich laut lachend meiner Schwägerin den Vogel zeige, stimmt Georg seiner Ehefrau uneingeschränkt zu und führt aus, dass das sogenannte "Deep Lake Water Cooling" (löblich: Tief See Wasser Kühlung) Projekt in den frühen 70er Jahren ins Leben gerufen wurde und das Wasser des Ontariosees in Rohrleitungssystemen in Fernkühlwerke der Stadt pumpt. Staunend höre ich weiter, dass in besagten Werken das Wasser gesammelt, aufbereitet und anschliessend als Fernkältemittel zu den angeschlossenen Bürokomplexen geleitet wird - kaum zu glauben.
12.15 Uhr Nachdem wir einen erquickenden Spaziergang unternommen und lustige Muscheln am Strand aufgesammelt haben, werfe ich einen prüfenden Blick auf meine wertvolle ROLEX und erkenne, dass wir langsam unser wohlverdientes Mittagessen einnehmen sollten. Selbstverständlich mache ich meine Begleiter sogleich auf die Uhrzeit aufmerksam und schlage den Besuch eines Gasthauses namens "Sandbanks Seafood & Grill" (löblich: Sandbänke Meeresessen und Grill) vor. Georg und Maria sind einverstanden und folgen mir freudig in die schöne Wirtschaft.
12.30 Uhr Nachdem wir an einem schönen Holztisch platz genommen haben, kommt eine übergewichtige Bedienung herbei und überreicht uns freundlichst die Speisekarten. Während sich meine Verwandten für vitaminreiches Kräuterbier sowie den "Catch of the Day" (löblich: Fang des Tages) entscheiden und für David Kartoffelspalten mit Ketschap ordern, fällt mir die Wahl gar nicht so leicht. Erst nach langem Abwägen gebe ich meine Bestellung auf und fordere ein interessant klingendes Gericht namens "Ontario Lump Crab Cake" (löblich: Ontario Klumpen Krabben Kuchen) mit handgeschnittenen Kartoffelstäben (unlöblich: hand-cut fries), Krautsalat (unlöblich: Cole Slaw) und Labatt Blau Bier heraus - ein deftiges Essen habe ich mir nach dem Stress des Tages wirklich verdient.
13.00 Uhr Endlich wird das reichhaltige Mahl serviert. Ich greife ordentlich zu und komme aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Der Krabbenkuchen sowie die hausgemachten Kartoffelstäbe schmecken wirklich ganz ausgezeichnet. Maria gibt mir ganz Recht und sagt, dass auch der "Fang des Tage" hervorragend mundet - dieser Ausflug hat sich in kulinarischer Hinsicht auf jeden Fall gelohnt.
13.30 Uhr Just als ich meine Serviette zusammenknülle, kommt die Kellnerin erneut an den Tisch und erkundigt sich, ob wir als Nachspeise vielleicht ein klitzekleines Stück Kuchen haben möchten. Obwohl ich eigentlich gar keinen Hunger mehr verspüre und auf meine Diät achten müsste, lasse ich Fünfe gerade sein und entscheide mich zungeschnalzend für ein Stück Kirschtorte mit Schlagsahne - einmal im Jahr darf man bekanntlich über die Stränge schlagen.
14.15 Uhr Nachdem ich die gesalzene Rechnung über 64 Dollars mit meiner unlöblichen Kreditkarte beglichen und die Familie redlichst eingeladen habe, verlassen wir zufrieden die schöne Gastwirtschaft und unternehmen einen weiteren Spaziergang am See. Natürlich halten wir auch diesmal Ausschau nach Muscheln und können sogar zwei besonders eindrucksvolle Exemplare aufsammeln - wie schön.
15.00 Uhr Da langsam eine unangenehme kalte Brise von Osten aufzieht und uns frösteln lässt, entscheiden wir uns, zurück zum Fahrzeug zu laufen und die Heimfahrt anzutreten. Bevor wir jedoch den "Tahoe" besteigen, statten wir einem Andenkenladen einen kurzen Besuch ab und erwerben schöne Ansichtskarten für Sandra und Frau Mars - meine Putzperle wird Augen machen.
15.30 Uhr Zurück im Fahrzeug drehen wir die Heizung auf die höchste Stufe und machen uns umgehend daran, gemächlich am See in Richtung Toronto zurückzufahren. Während Kenny Chesney im Radio seinen Welthit "In A Small Town" (löblich: In einer kleinen Stadt) zum besten gibt, schliesse ich die Augen und falle wenige Augenblicke später in einen tiefen und traumlosen Schlaf.
16.45 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und stelle fest, dass wir uns immer noch auf der Autobahn befinden - langsam treibt mich dieses Herumgefahre in den Wahnsinn. Da mir mittlerweile auch noch der Rücken schmerzt und David quengelnd an der Kordel meiner Winterjacke zerrt, fordere ich meinen Bruder unmissverständlich auf, sofort Rechts ran zu fahren und eine Pause einzulegen. Leider will Georg nicht auf mich hören und behauptet, dass wir in knapp fünfundvierzig Minuten daheim sein werden - wo soll das nur hinführen mit dieser Welt. Missgelaunt schiebe ich mir ein Karamellbonbon in den Mund und denke an bessere Tage im warmen Naples zurück - das waren noch Zeiten.
17.30 Uhr Als langsam die Dunkelheit hereinbricht, haben wir die lange Fahrt endlich hinter uns gebracht und kommen vor dem eindrucksvollen Haus meines Bruders zum stehen. Um nicht noch mehr Zeit im Fahrzeug verbringen zu müssen, hüpfe ich sportlich vom Rücksitz und betätige die Klingel. James öffnet ganz aufgeregt die Türe und verkündet, dass er Amanda gerade eben ins "North York General Hospital" (löblich: North York Allgemeines Krankenhaus) eingeliefert hat - wie schrecklich. Als ich schon in Ohnmacht zu fallen drohe, schildert James, dass es sich um nichts lebensbedrohliches, sondern wahrscheinlich nur um eine Blindarmentzündung handelt. Angeblich klagte meine ehemalige Untermieterin schon seit Mittag über unlöbliche Bauchschmerzen, die im laufe des Tages immer schlimmer wurden. HEUREKA - das ist wieder einmal typisch.
18.00 Uhr Nachdem wir einen löblichen Familienrat abgehalten haben, entscheiden wir uns, das gemeinsame Abschiedsessen abzusagen und James und seine Mutter ins Krankenhaus zu schicken. Georg und meine Wenigkeit werden hier bleiben, um auf den kleinen David aufzupassen.
18.30 Uhr Während Georg im Wohnzimmer sitzt und einer Nachrichtensendung im Fernsehen frönt, bereite ich mir ein kleines Salami-Käsebrot mit Gewürzgurken zu und trinke ein eiskaltes Labatt Blau Bier dazu - schmeckt wirklich ganz hervorragend. Danach geselle ich mich zu meinem Bruder und schlage vor, im Krankenhaus anzurufen. Georg winkt aber ab und sagt, dass Maria sich melden wird, sobald es irgendwelche Neuigkeiten gibt.
19.30 Uhr Da wir jetzt nicht mehr länger warten wollen, greift Georg zum Telefon und ruft Maria auf ihrem Handtelefon an, um redlichst nach dem Rechten zu fragen. Die Gute ist auch gleich in der Leitung und berichtet, dass sie soeben mit dem behandelnden Arzt, Dr. Olsen, gesprochen hat - wie aufregend. Angeblich sind Amandas Bauchschmerzen auf eine Blindarmentzündung zurückzuführen, die schon morgen operiert werden muss. Maria erklärt weiter, dass sie mit James noch eine Kleinigkeit essen wird, um dann alleine nach Hause zurückzufahren.
20.30 Uhr Endlich kehrt meine Schwägerin ins Eigenheim zurück. Selbstverständlich wollen wir sofort Einzelheiten wissen, erfahren aber nur, dass Amanda morgen Mittag unters Messer muss und von Dr. Olsen persönlich operiert wird. Ausserdem ist James im Krankenhaus geblieben, um seiner Frau redlichst Beistand zu leisten. HEUREKA - unter diesen Umständen fliege ich morgen nur sehr ungern nach München aus. Maria beschwichtigt mich aber und sagt, dass es sich bei diesem Eingriff um eine absolute Routineoperation handelt.
21.15 Uhr Wir sitzen bei Bier und Käsebroten zusammen und plaudern redlichst über Dies und Das. Georg beruhigt uns bezüglich Amandas Krankheit und meint, dass so eine Blindarmoperation "keine grosse Sache" ist und er den Eingriff notfalls selbst vornehmen könnte - darüber kann ich nur lachen. Wie jedes Kind weiss, können selbst ganz kleine Operationen tödlich enden.
22.15 Uhr Nachdem wir James nochmals im Krankenhaus angerufen haben, wünsche ich Georg und Maria eine gute Nacht und ziehe mich nachdenklich auf mein schönes Gästezimmer im Dachboden zurück. Ich nehme noch schnell eine erquickende Dusche und gehe dann müde ins Bett. Gute Nacht.
Der Sandbanks Park östlich von Toronto:
Mein Neffe James:
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Meine Untermieterin Sandra:
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Bericht: Konsumterror und Ladenöffnungszeiten:
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verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 28.12.2006
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Reinhard Pfaffenberg |
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