Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

23.12.2006

07.00 Uhr Ich erwache unlöblichst und fühle mich wie gerädert. HEUREKA - da beim gestrigen Abendessen viel zu viel Wein geflossen ist, verzichte ich kurzerhand auf die wichtige Morgengymnastik und schleppe mich erschöpft ins Bad, um bei einem erquickenden Wirbelbad die Lebensgeister zu wecken.
07.15 Uhr Während ich mir meine Schläfen massiere und nebenbei per Kurzwelle dem Radioprogramm des Bayerischen Rundfunks fröne, erfahre ich Unglaubliches aus der Welt der populären Musik (unlöblich: Popmusik). Angeblich konnte die "Girlieband" (löblich: Mädchenbande) "Monrose", die vor kurzem in der PRO7 Fernsehserie "Popstars" am Reissbrett zusammengestellt wurde, ihr erst kürzlich veröffentlichtes Album auf dem ersten Platz der Kompaktscheibenhitparade platzieren - wie unlöblich. Das Aufsichtsorgan der Deutschen Plattenindustrie, Media Control, teilte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz ausserdem mit, dass sich in diesem Jahr kein weiterer Neueinsteiger so hoch in den Hitparaden festsetzen konnte. Während sich zudem das Lied "Shame" (löblich: Schande) auf dem Thron der Singletscharts wiederfindet, nutzte das Management der Frauenbande gestern die Gunst der Stunde und gab bekannt, dass "Monrose" nicht nur demnächst auf grosse Deutschlandtournee gehen, sondern sich auch am Vorentscheid zum "Eurovisions Song Contest" (löblich: Europäischer Lieder Wettbewerb) beteiligen wird - das hat gerade noch gefehlt. Diese erschreckende Entwicklung zeigt deutlich auf, welche Macht das private Fernsehen über die heutige Jugend hat. Während international anerkannte Musiksterne wie Patrick Lindner, Stefanie Hertel oder Toni Marshall pro Jahr nur knapp einhunderttausend Tonträger verkaufen und sich gerade noch über Wasser halten können, werden Millionen fernsehverrückte Jugendliche durch die stetige Werbeberieselung dazu animiert, in die Kompaktscheibenmärkte zu stürmen und viel Geld für ein schlecht produziertes Popsternchenalbum hinzublättern - wie furchtbar. Anstatt die Kleinen zu verführen, sollten Fernsehanstalten wie RTL, SAT1 und PRO7 endlich zu ihren Wurzeln zurückkehren und ein Programm für die ganze Familie ausstrahlen. Ich bin mir sicher, dass sich die heutige Jugend nicht nur für dummsinnige Musiksendungen, sondern auch für interessante Tierdokumentationen mit Heinz Sielmann, lustige Ratesendungen wie "Dalli Dalli" oder "Der grosse Preis" und spannende Heimatfilme mit Hansi Hinterseer begeistern könnten.
08.00 Uhr Kopfschüttelnd steige ich aus der Wanne und erkenne beim Blick auf meine wertvolle ROLEX, dass es langsam Zeit wird, das Frühstück einzunehmen und das Ränzlein zu schnüren. Kopfschüttelnd befülle ich den DELSEY Rollkoffer (unlöblich: Trolley) mit meinen sieben Sachen und vergesse auch nicht, die Weihnachtsgeschenke für meine Liebsten sorgsam zu verstauen. Nachdem ich im Badezimmer für Ordnung und Sauberkeit gesorgt und Frau Gomez ein üppiges Weihnachtsgeld in Höhe von 10 Dollars hinterlassen habe, eile ich in die Küche und bereite mir schweren Herzens das letzte Frühstück im Rentnerparadies vor.
08.45 Uhr Just als ich missgelaunt ein Müsli mit frischer amerikanischer Milch verzehre, klopft Herr Wang an die Scheibe und macht mich darauf aufmerksam, dass er abfahrbereit ist und nur noch auf mich wartet - wie unlöblich. Laut seufzend fordere ich meinen Nachbarn auf, sich etwas Zeit zu nehmen und mit mir eine letzte Tasse Bohnenkaffee auf der Terrasse zu trinken. Leider steht mein Bekannter heute ganz besonders unter Strom und sagt, dass er mich jetzt zum Flughafen nach Fort Myers bringen und anschliessend zu seiner Tochter Carol nach Savannah weiterbrausen wird.
09.15 Uhr Laut seufzend beende ich das Frühstück und unternehme einen letzten Rundgang durchs Haus, um sicherzustellen, dass ich wirklich nichts vergessen habe. Danach schlüpfe ich in meine warmen Winterschuhe und schleppe das Gepäck zu Herrn Wangs luxuriösem Mercedes.
09.30 Uhr Während mir eine frische Meeresbrise um die Ohren weht, beschleunigt Herr Wang sein Cabriolet auf schwindelerregende 35 Meilen pro Stunde und prescht in Richtung Norden davon. Als der Gute auf die Autobahn 75 auffährt, mache ich mir meine eigenen Gedanken und lasse die letzten Wochen noch einmal Revue passieren. Traurig erinnere ich mich an die schönen Strandausflüge und die aufregende Reise nach St. Petersburg und stelle fest, dass die Zeit wie im Flug vergangen ist. Vielleicht sollte ich bei meinem nächsten Floridaaufenthalt gleich elf Wochen bleiben - das wäre wirklich zu schön.
10.30 Uhr Nach knapp einer Stunde Fahrzeit treffen wir überpünktlich vor dem Abfluggebäude des "Southwest International Airport" ein. Da mein Flugzeug nach Kanada erst in zwei Stunden abheben wird, lade ich Herrn Wang kurzerhand zu einem zweiten Frühstück auf meine Kosten ein. Leider lehnt mein Bekannter ab und sagt, dass er gleich weiterfahren wird und sich schon sehr auf das Wiedersehen mit Carol freut - wie schade. Missmutig drücke ich Herrn Wang noch einmal an mich und verspreche, spätestens im nächstem Herbst erneut in den Sonnenscheinstaat zu kommen. Mein Nachbar bedankt sich für die schöne Zeit und meint zu guter Letzt, dass ich die Ohren steif halten und mich nicht unterkriegen lassen soll. Anschliessend drückt er beherzt aufs Gaspedal und verschwindet nach wenigen Augenblicken im dichten Verkehr. Trotz allem lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und laufe kofferschleppend in das Abfluggebäude, um nach dem Air Canada (löblich: Luft Kanada) Schalter Ausschau zu halten.
10.45 Uhr Als ich das Schild der besagten Luftfahrtgesellschaft endlich entdecke, gebe ich schnellstens meine Gepäckstücke auf und erfahre ganz nebenbei, dass sich der Flug wegen des grossen Weihnachtsandrangs um zirka 30 Minuten verspäten wird - das ist wieder einmal typisch. Missgelaunt händige ich der forschen Luft Kanada Maid meinen Flugschein aus und fordere sie unmissverständlich auf, mir einen schönen Fensterplatz herauszusuchen und den Platz neben mir zu blockieren.
11.15 Uhr Nachdem ich die zeitraubenden Formalitäten hinter mich gebracht habe, dränge ich mich durch die Menschenmassen und peile unaufhaltsam das Tor B1 an. Da noch etwas Zeit bleibt und das Flugzeug immer noch nicht einsteigebereit ist, erwerbe ich wegen der grossen Hitze einen Becher Coca Cola in der benachbarten "Subway" Gaststätte und lasse mir den kühlen Trunk in grossen Schlucken munden - das tut richtig gut. Just als ich weitere Münzen aus meiner Hosentasche krame und ein Softeis mit lustigen Schokoladenstreuseln in Auftrag gebe, mustert mich die Verkäuferin ganz genau und möchte zu allem Überfluss wissen, ob es für eine dicke Winterjacke mit Pelzkragen nicht doch zu warm ist. HEUREKA - selbstverständlich erhebe ich sogleich den Zeigefinger und stelle anschaulich klar, dass ich in knapp einer Stunde ins kalte Kanada abreisen werde.
12.00 Uhr Nach einer weiteren Überprüfung meiner Personalien kann ich endlich das Flugzeug besteigen - das wurde auch langsam Zeit. Ich nehme bequem auf meinem Sitz mit der Nummer 23F platz und warte ungeduldig auf den Abflug. HEUREKA - nach wenigen Minuten meldet sich der Flugkapitän per Sprechdurchsage zu Wort und sagt, dass wir erst gegen 13 Uhr in Richtung Toronto aufbrechen werden - das hat gerade noch gefehlt.
13.00 Uhr Während ich das Treiben auf dem Rollfeld verfolge und aus dem Staunen gar nicht mehr herauskomme, rollt der Luftbus (unlöblich: Airbus) A 320 endlich auf die Startbahn und erhebt sich mit lautem Scheppern in die Lüfte - wie schön. Zum letzten Mal kann ich einen Blick auf den azurblauen Golf von Mexiko und die grünen Landschaften des Sonnenscheinstaates erhaschen - diesen Anblick muss man einfach gesehen haben.
13.30 Uhr Als wir die endgültige Flughöhe erreicht haben, lehne ich mich entspannt zurück und lasse mir von einer kleinen Flugbegleiterin ein kühles Molson Bier sowie lustige Knabbereien kredenzen. Nebenbei beobachte ich meinen langhaarigen Sitznachbarn ganz genau und bemerke, dass der Heini in einer Musikzeitschrift namens "Rolling Stone" (löblich: Rollender Stein) blättert - wie unlöblich.
13.45 Uhr Just als wir Jacksonville und Savannah passiert haben und über dem Festland unaufhaltsam in Richtung Norden weiterfliegen, wird endlich das Mittagessen gereicht - wie schön. Ich entscheide mich zungeschnalzend für ein herzhaftes Fleischgericht, bestehend aus einer gegrillten Hühnerbrust in exotischer Sosse mit Kartoffelspalten und Salat. Dazu ordere ich einen fruchtigen Weisswein aus dem goldenen Kalifornien sowie einen Becher Quellwasser - schmeckt gar nicht schlecht, Herr Specht. Während ich kraftvoll zubeisse und mir das schmackhafte Mahl munden lasse, wechsle ich doch einige Sätze mit meinem Nachbarn und erfahre, dass der Heini in der Musikbranche tätig ist und unter anderem mehrere Hartfelsenbanden (unlöblich: Hardrockbands) menetscht - wie schrecklich. Da mit diesen Menschen bekanntlich nicht gut Kirschen essen ist, wende ich mich naserümpfend ab und stelle fest, dass wir gerade die schöne Stadt Columbia in South Carolina überfliegen - wie aufregend.
14.30 Uhr Nachdem ich das Fläschchen Wein geleert habe, schliesse ich die Augen und schlafe nach wenigen Sekunden ein. In meinem Traum sehe ich unter anderem Katze Jenny durch den Garten meines Eigenheimes im Waldweg 11 hüpfen - wie schön.
15.00 Uhr Eine weitere Sprechdurchsage des Flugkapitäns beendet mein Nickerchen abrupt - wie unlöblich. Der Pilot meldet sich gelangweilt und teilt diesmal mit, dass wir uns bereits im Landeanflug auf den "Lester B. Pearson Flughafen" befinden und in zirka dreissig Minuten landen werden. Ausserdem behauptet der Mann, dass es in Toronto mit 4°C gar nicht so kalt ist - darüber kann ich nur lachen.
15.30 Uhr Als die Maschine pünktlich auf der Landebahn aufsetzt, blicke ich gespannt aus dem Fenster, und sehe, dass sogar etwas Schnee liegt - das hat gerade noch gefehlt. Um keine Zeit zu verlieren und als erster das Flugzeug verlassen zu können, springe ich schnell auf und hole schon einmal meine gefütterte Winterjacke aus dem Ablagefach. Danach eile ich wie der Wind zum Ausgang und kann es gar nicht erwarten, endlich kanadischen Boden unter meinen Füssen zu spüren.
16.30 Uhr Nachdem ich die Einreiseformalitäten erfolgreich hinter mich gebracht und meine Gepäckstücke vom Band gelupft habe, strebe ich ohne Umwege zum Ausgang und steige in das erstbeste Taxi. Fröstelnd stelle ich mich dem Droschkenführer als Reinhard Pfaffenberg aus Bayern vor und erkläre ihm, dass ich ohne Umwege zum Haus meines Bruders in den Norden der Metropole gebracht werden möchte. Der Taxifahrer mit Migrationshintergrund nickt eifrig und braust mit quietschenden Reifen in Richtung York Mills davon - das klappt wieder wie am Schnürchen.
17.00 Uhr Endlich ist es so weit und der Wagen kommt vor dem wunderschönen Haus meines Bruders zum Stehen. Nachdem ich den Fahrer bezahlt und mein Gepäck ausgeladen habe, betrachte ich die beeindruckende Weihnachtsbeleuchtung und komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Neben mehreren Lichterketten und Weihnachtskränzen stehen im Garten sogar zwei leuchtende Rentiere, die langsam ihre Köpfe bewegen - wie aufregend. Als ich näher ans Haus herantrete, kann ich durchs Fenster beobachten, wie Georg und Maria gerade den Christbaum schmücken. Um die beiden so richtig zu überraschen, klopfe ich an die Scheibe und rufe laut "Ho,ho,hoo". Schon nach wenigen Sekunden öffnet mein Bruder die Haustüre und kann kaum glauben, mich zu sehen - wie schön. Der Gute bittet mich freundlichst herein und nimmt mir sogar meine schwere Reisetasche ab, um mich dann ins Wohnzimmer zu führen.
17.30 Uhr Nachdem mich auch meine Schwägerin überschwänglich begrüsst hat, sitze ich gemütlich auf dem bequemen Ledersofa und leiste meiner Familie beim Christbaumschmücken Gesellschaft. Als ich genüsslich an einem Becher Glühwein nippe, komme ich auf Amanda und James zu sprechen und will wissen, wo die Kinder denn abgeblieben sind. Maria berichtet, dass die zwei vor einer Stunde ins nahe "Fairview" Einkaufszentrum in der Sheppard Avenue gefahren sind, um noch etwas abzuschoppen - wie unlöblich.
18.00 Uhr Ich führe meiner Schwägerin anschaulich vor, wie man einen Strohstern am Baum anzubringen hat und erkundige mich, ob wir nicht eine Kleinigkeit essen wollen. Maria beruhigt mich und sagt, dass wir essen können, sobald die Kinder vom Einkaufen zurückkommen - wie schön.
18.30 Uhr Just als wir die Christbaumbeleuchtung anschalten, kommen Amanda und James herein und brechen vor lauter Freude mich zu sehen, beinahe in Tränen aus. Natürlich begrüsse ich die beiden freundlichst und berichte ausführlich von meiner abenteuerlichen Odyssee von München über Atlanta nach Naples und dann weiter hierher.
19.15 Uhr Zum löblichen Abendessen gibt es heute eine kalte, aber keusche Platte mit köstlichem Brot, Salami, Schinken, Schweizer Käse, Butter, Tomaten und sogar Oliven mit feinen Kräutern - wie gut das duftet. Dazu trinken wir kühle Labatt Blau Biere und plaudern redlichst über Dies und Das. Bei dieser Gelegenheit erfahre ich, dass der kleine David (1) immer noch etwas erkältet ist und schon schläft - wie schade.
20.00 Uhr Während Amanda und Maria in der Küche für Sauberkeit und Ordnung sorgen, sitze ich mit James und meinem Bruder am knisternden Kaminfeuer neben dem Baum und lasse mir einen Trunk namens "Canadian Club" (löblich: kanadischer Verein) kredenzen - schmeckt nicht schlecht, Herr Specht. Just als mir mein löblicher Neffe James zuprostet, erkläre ich Georg, dass ich der Familie nicht lange zur Last fallen und bereits am Freitag nach München abreisen werde. Mein Bruder bedauert dies und sagt, dass ich doch einfach bis nach Sylvester bleiben soll. Trotzdem bleibe ich hart und gebe Georg zu verstehen, dass ich meine Reisepläne definitiv nicht mehr ändern werde - eine weitere kostspielige Umbuchung kann ich mir als Rentner unmöglich leisten.
21.00 Uhr Bei Weihnachtsplätzchen und gesunden Bieren plaudere ich mit meinen Verwandten und höre, dass am Weihnachtstag ein Ausflug zu meiner Nichte Laura nach Hamilton geplant ist - wie aufregend. Angeblich wohnt das gute Kind zusammen mit ihrem Lebensgefährten William und Sohn Paul in einem netten Häuschen am Stadtrand und freut sich schon sehr, ihren Bruder James endlich wieder einmal zu sehen - das glaube ich gerne.
21.45 Uhr Weil ich nach der anstrengenden Reise sehr müde bin, wünsche ich den anderen noch einen schönen Abend und schleppe dann mit Georg mein Gepäck in ein Gästezimmer im Speicher. Als erstes drehe ich schnell die Heizung auf und sorge für angenehmere Temperaturen, um mich nicht auch noch zu erkälten - schliesslich komme ich direkt aus dem sommerlich warmen Südwesten Floridas.
22.15 Uhr Nachdem ich meine Kleidung in den Schrank verfrachtet und noch eine erquickende Dusche genommen habe, gehe ich zufrieden ins Bett und schlafe schon sehr bald ein. Gute Nacht.

Das Haus meines Bruders in Toronto:

http://pfaffenberg.permuda.net/georghaus.jpg

Herr Wang bringt mich noch an den Flughafen:
http://pfaffenberg.permuda.net/freunde2.html#wang

Ich träume von Katze Jenny...
http://pfaffenberg.permuda.net/jenny.html

... und von meinem Eigenheim im Waldweg 11:
http://pfaffenberg.permuda.net/eigenheim.html

Amanda und James freuen sich sehr, mich endlich wieder in die Arme schliessen zu können:
http://pfaffenberg.permuda.net/guido.html#amanda

Bericht: Böse Musikanten:
http://pfaffenberg.permuda.net/musikanten.html

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 23.12.2006
© Reinhard Pfaffenberg