Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

27.05.2006

27.05.2006
07.15 Uhr Der Radiowecker schrillt und reisst mich mit dem dummen Lied "Girl from Ipanema" (löblich: Mädchen aus Ipanema) aus den schönsten Träumen. HEUREKA - da ich heute mit Herrn Wang nach Fort Lauderdale reisen und ein Konzert besuchen werde, hüpfe ich sofort aus dem Bett und absolviere die wichtige Morgengymnastik am geöffneten Fenster - wer rastet, der rostet.
07.30 Uhr Nach dem schweisstreibenden Frühsport eile ich geschwind ins Bad und entspanne mich bei einem erquickenden Vollbad. Während ich mich ordentlich wasche und rasiere, lausche ich nebenbei dem informativen Kurzwellenprogramm des bayerischen Rundfunks und erfahre, dass am Rande der Eröffnungsfeier für den neuen Berliner Hauptbahnhof ein 16jähriger Amokläufer mindestens 28 Menschen mit Messerstichen verletzt hat - wie schrecklich. Der Sprecher berichtet, dass der polizeibekannte Täter aus Neukölln stark alkoholisiert war und gegen 23.30 Uhr in der Nähe des Reichstages wahllos auf Passanten eingestochen hat. HEUREKA - da sich Prof. Kuhn gerade in der Hauptstadt aufhält, greife ich umgehend zum Schnurlostelefon und wähle die Nummer von Admiral a.D. Bürstenbinder - leider ohne Erfolg. Aufgeregt versuche ich mein Glück bei Franz Xaver Ollmann und habe den guten Mann bereits nach dem zweiten Klingeln im Rohr. Selbstverständlich frage ich umgehend nach dem Rechten und höre, dass sich Edelbert heute Vormittag aus dem weltbekannten Berliner Kaffeehaus "Einstein" telefonisch gemeldet hat und sich Gott sei Dank bester Gesundheit erfreut - wie beruhigend. Ich wünsche Herrn Ollmann ein schönes Wochenende und beende das Telefonat ganz schnell - schliesslich kann ich mir mit einer kleinen Rente von nur 2.900 EUROS keine kostspieligen Überseegespräche leisten.
08.30 Uhr Nachdenklich steige ich aus der Wanne und trete vor den Kleiderschrank, um mich redlichst in Schale zu werfen. Da heute Abend ein kultureller Höhepunkt auf dem Programm steht, schlüpfe ich in eine schöne Leinenhose sowie ein legeres Hawaiihemd - die Konzertbesucher werden Bauklötze staunen. Frisch angezogen begebe ich mich dann in die Küche und bereite das wichtigste Mahl des ganzen Tages in Form von gesunden Rühreiern mit Speckstreifen, gerösteten Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast) sowie einer Grapefrucht aus dem WINN DIXIE Einkaufsmarkt zu - schmeckt nicht schlecht, Herr Specht. Just als noch einen kremigen Joghurt verzehre, klopft Herr Wang wild gestikulierend an die Fensterscheibe und fordert mich auf, schnell die Türe zu öffnen. Natürlich komme ich der Bitte umgehend nach und lade meinen Nachbarn zu einer Tasse Kaffee ein. Herr Wang leistet mir redlichst Gesellschaft und schlägt vor, gleich in Richtung Fort Lauderdale aufzubrechen. HEUREKA - da das Wetter heute sowieso nicht zu Strandbesuchen einlädt, überlege ich nicht lange und stimme letztendlich zu. Mein Bekannter ist hocherfreut und kündigt an, dass wir am Zielort zu Mittag essen und anschliessend noch einen Spaziergang am Atlantischen Ozean unternehmen könnten - das hört sich nicht schlecht an.
09.15 Uhr Nachdem ich die Küche auf Vordermann gebracht habe, packe ich noch eine kleine Brotzeit und lustige Dr. Pepper Getränkedosen in meine praktische Kühltasche und fordere Herrn Wang auf, endlich in die Gänge zu kommen.
09.30 Uhr Jetzt geht die Reise los. Da wir mit meinem JEEP fahren, fungiert Herr Wang als Landkartenleser und leitet mich gekonnt auf die Interstate Nummer 75, die unter anderem durch zwei Indianergebiete namens "Big Cypress Seminole Reservate" und "Miccosukee Indian Reservation" führt - wie aufregend. Während der Fahrt frage ich natürlich ganz genau nach und höre, dass die sogenannten Miccosukee Indianer ursprünglich der Creek Konföderation angehörten und seit 1962 als anerkannte Gruppe in den Sümpfen Floridas leben. Herr Wang kann sich ein Lachen nicht verkneifen und sagt, dass die Rothäute hauptsächlich vom Tourismus leben und billigen Modeschmuck an Touristen aus aller Welt verscherbeln - wie unlöblich.
10.30 Uhr Nach knapp fünfzig Meilen passieren wir ein Strassenschild und lesen, dass wir uns nun auf dem Gebiet der "Big Cypress" (löblich: Grosse Zypressen) Indianer aufhalten. Während ich argwöhnisch die Umgebung beobachte und das Fahrzeug auf fast 70 Meilen beschleunige, macht mich mein Beifahrer darauf aufmerksam, dass dieser Stamm nur noch aus zirka 3.000 Indianern besteht, die hier auf fast 100 Quadratkilometern interessante Museen, Casinos sowie Bingo Spielhallen betreiben. Interessanterweise sind die Seminolen noch heute stolz darauf, der einzige nicht besiegte Indianerstamm in ganz Nordamerika zu sein - wie aufregend.
11.15 Uhr Langsam aber sicher haben wir die Sümpfe hinter uns gebracht und finden uns in einer schäbigen Industriestadt namens Weston wieder. HEUREKA - angeekelt von den rauchenden Schornsteinen biege ich auf die Autobahn 595 auf und statte einer CHEVRON Tankstelle einen Besuch ab. Während Herr Wang die Toilette aufsucht, um sich etwas frisch zu machen, tanke ich den JEEP redlichst voll und stelle fest, dass die Benzinpreise seit meinem letzten Besuch im November um gut 25% gestiegen sind - wo soll das noch hinführen.
11.30 Uhr Nach unserem kurzen Zwischenstopp geht es unaufhaltsam weiter in Richtung Osten. Bereits nach wenigen Meilen haben wir das Meer erreicht und finden Hunderte Hotels an der Strandpromenade vor. Herr Wang schüttelt den Kopf und berichtet, dass Fort Lauderdale seit den frühen 70er Jahren einen ganz schlechten Ruf hat, weil Tausende von betrunkenen Studenten hier ihre Frühlingsferien verbrachten. Natürlich weiss ich sofort Bescheid und stelle klar, dass ich vom sogenannten "Spring Break" (löblich: Frühlingsbruch) ebenfalls überhaupt gar nichts halte.
12.00 Uhr Da es bereits nach Mittag ist, fordere ich Herrn Wang auf, nach einer geeigneten Gaststätte Ausschau zu halten. Mein Beifahrer kennt sich bestens aus und lotst mich zu einem Fischrestaurant namens "Bootleggers Seafood Steak" in die 30. Avenue.
12.45 Uhr Nachdem wir das PS-strotzende Fahrzeug ordentlich abgestellt haben, betreten wir hungrig und durstig die Wirtschaft und staunen nicht schlecht. Angesichts des grossen Andrangs müssen wir sogar geschlagene fünfzehn Minuten warten, bis wir endlich platz nehmen dürfen - wie unlöblich.
13.15 Uhr Als uns endlich ein schöner Tisch mit Meerblick zugeteilt wird, greift Herr Wang sofort zur Speisekarte und sagt, dass man hier den besten und frischesten Fisch in ganz Florida bekommt - wie schön. Gespannt werfe ich ebenfalls einen Blick in die Speisekarte und entscheide mich für ein eiskaltes Rolling Rock Bier sowie eine Speise namens "Crispy Baby Squids" - wie aufregend. Angeblich handelt es sich hierbei um Babytintenfische in ganz besonders feuriger Sosse - darauf bin ich schon sehr gespannt.
13.45 Uhr Endlich wird unser wohlverdientes Mittagessen serviert. Ich lasse mir das delikate Mahl redlichst munden und plaudere mit Herrn Wang über das Konzertereignis am Abend. Mein Begleiter überlegt ganz genau und sagt, dass wir nach dem Mittagessen noch einen Abstecher ans Meer unternehmen und gegen 17.30 Uhr zur Halle fahren sollten - das ist eine hervorragende Idee. Zufrieden beende ich meine Brotzeit und bestelle zur Krönung ein gemischtes Eis mit Schlagsahne.
14.45 Uhr Nachdem Herr Wang die gesalzene Rechnung über 53,97 DOLLARS mit einem unlöblichen Zahlungsmittel namens AMERICAN EXPRESS beglichen hat, spazieren wir erheitert zum Wagen und werfen einen prüfenden Blick auf unsere Billetts. Leider müssen wir feststellen, dass die Konzerhalle namens "Bank Atlantic Center" nicht in der Innenstadt, sondern in einem Aussenbezirk namens "Sunrise" zu finden ist - das hat gerade noch gefehlt. Missgelaunt wandern wir die 30. Avenue gen Norden und sehen nach wenigen Schritten den eindrucksvollen Atlantischen Ozean in der Sonne schimmern - diesen Ausblick muss man einfach erlebt haben. Wir schreiten staunend die Strandpromenade entlang und erblicken Hunderte Badegäste, Fussballspieler und sogar motorisierte Fahrzeuge am Strand - wie unlöblich. HEUREKA - bei diesem Kaos würde ich niemals meine wohlverdiente Ruhe finden.
15.30 Uhr Da es mit fast 28°C ziemlich warm ist, greife ich in meine Tasche und hole einen löblichen fünf DOLLAR Schein hervor, um beim nächsten Eisverkäufer zwei löbliche Waffeln zu erstehen. Eisschleckend nehmen wir auf einer schattigen Bank direkt am Meer platz und geniessen den Blick auf das weite Meer.
16.30 Uhr Nach wenigen Stunden in dieser Stadt wird mir klar, dass ich Fort Lauderdale niemals mehr besuchen möchte. Mit dem beschaulichen Naples hat diese Metropole wirklich nicht viel gemeinsam. Als auch noch mehrere jugendliche Rollbrettfahrer laut schreiend vorbei rasen, platzt mir der Kragen endgültig. Ich deute entnervt auf meine wertvolle ROLEX und erkläre, dass wir jetzt am besten in den Stadtteil Sunrise aufbrechen sollten.
17.30 Uhr Nach langer Irrfahrt durch unansehnliche Ghettos und Industriegebiete sind wir endlich auf dem richtigen Weg und sehen schon von weitem das eindrucksvolle "Bank Atlantic Zentrum" in den Himmel ragen - wie aufregend. Wir steuern das angeschlossene Parkhaus an und stellen unseren Wagen sicher direkt neben einem Aufzug ab. Nachdem ich meine Frisur im Rückspiegel redlichst gesteilt habe, steht dem kulturellen Hochgenuss nichts mehr im Weg - wie schön.
17.45 Uhr Während wir durch Prachtbau schreiten, fällt mir auf, dass die Halle wirklich nagelneu ist und erst vor kurzem eröffnet wurde. Herr Wang gibt mir recht und berichtet, dass hier unter anderem die Eishockeymannschaft der Florida Panthers beheimatet ist und bereits Supersterne wie zum Beispiel die Rollenden Steine (unlöblich: Rolling Stones), Tina Turner oder sogar Musikunhold Bruce Springstein aufgetreten sind - wie unlöblich.
18.30 Uhr Nachdem wir uns zwei wohlschmeckende Biere an einem Stehausschank gekauft haben, begeben wir uns zu einem Kartenschalter am "Sinatra Theater" und fordern die rothaarige Maid hinter dem Tresen auf, uns umgehend durchzulassen und zu unseren Plätzen zu führen. Anstatt artig zu gehorchen, blickt uns die Dame nur dumm an und sagt, dass unsere Plätze in der Reihe 19 reserviert sind. Verärgert folge ich Herrn Wang in die gut klimatisierte Konzerthalle und stelle fest, dass sich der Saal schon zu gut Drei-Viertel gefüllt hat.
19.00 Uhr Als wir unsere Plätze endlich gefunden und entspannt platz genommen haben, frage ich genauer nach und höre, dass das Konzert erst in gut einer Stunde beginnen wird - das hat gerade noch gefehlt.
19.45 Uhr Da sich der rote Samtvorhang immer noch nicht gehoben hat, teile ich meinem Nachbarn kurzerhand mit, dass ich nochmals nach Draussen gehen werde, um Bier sowie gesunden Knallmais (unlöblich: Pop Corn) zu kaufen - das darf bei einem Konzertereignis nicht fehlen.
20.15 Uhr Kurz nachdem ich auf meinen Platz zurückgekehrt bin, beginnt das Ereignis auch schon. Mit Pauken und Trompeten öffnet sich der Vorhang und ich sehe eine zirka zwanzigköpfige Kapelle sowie eine kleine Frau im Glitzerkostüm auf der Bühne stehen - wie aufregend. Gutgelaunt verzehre ich Knallmais am laufenden Band und werde Zeuge, wie Frau Donna Summer ihr erstes Lied namens "Could It Be Magic" (löblich: Könnte es Magie sein) zum besten gibt.
20.45 Uhr HEUREKA - obwohl das Konzert erst vor dreissig Minuten begonnen hat, möchte ich am liebsten jetzt schon nach Hause fahren. Herr Wang scheint sich jedoch hervorragend zu amüsieren - wie unlöblich.
21.15 Uhr Als Herr Wang auch noch aufsteht und im Takt der lauten Musik mitklatscht, wird es mir zu bunt. Ich verlasse die Halle und statte einem kleinen Brotzeitstand einen Besuch ab. Nachdem ich mir ein Wurstbrot (unlöblich: Sandwich) sowie ein weiteres Bier gekauft habe, wandere ich ziellos durch die weitläufigen Katakomben und sehen mich ganz genau um.
21.45 Uhr Just als ich an einer Tür mit der Aufschrift "Do not Enter" rüttle, kommt ein Hilfsscherriff namens Bob Watkinson daher und fragt mich, was ich hier zu suchen habe. HEUREKA - natürlich halte ich dem Heini sofort meine Eintrittskarte unter die Nase und erkläre ihm, dass ich gemeinsam mit meinem Nachbarn das langweilige Konzert von Frau Donna Summer besuche. Der Mann nickt zustimmend und meint, dass ich am besten am kommenden Sonntag wieder kommen sollte, wenn Herr Tim McGraw und Frau Faith Hill aufspielen - leider bin ich dann schon längst wieder in der Heimat.
22.15 Uhr Nach diesem Kleingespräch (unlöblich: Smalltalk) kehre ich deprimiert auf meinen Platz in der 19 Reihe zurück und mache mir meine eigenen Gedanken - vielleicht sollte ich doch für immer im Rentnerparadies bleiben und nie mehr nach Bayern zurückkehren.
22.45 Uhr Endlich fällt der Vorhang und das Konzert ist beendet. Ich atme tief durch und gebe Herrn Wang augenzwinkernd zu verstehen, dass ich noch immer im Bann dieses Ereignisses stehe und sicherlich einige Tage brauchen werde, um alles zu verkraften. Mein Begleiter freut sich sehr, dass es mir so gut gefallen hat und sagt, dass wir nun nach Naples zurückfahren sollten - das sehe ich genauso.
23.00 Uhr Laut gähnend kehren wir zum Fahrzeug zurück und machen uns auf die über hundert Meilen weite Autofahrt gen Westen. Da ich heute nicht mehr in der Lage bin, das Fahrzeug sicher zu steuern, überlasse ich Herrn Wang das Lenkrad und mache es mir auf dem Beifahrersitz bequem. Noch bevor mein Nachbar die Interstate 75 erreicht hat, falle ich in einen tiefen und traumlosen Schlaf und wache erst wieder auf, als wir in den Lowbank Drive einbiegen.
01.15 Uhr Da es bereits weit nach Mitternacht ist, wünsche ich meinem Nachbarn schlaftrunken eine schöne gute Nacht und kehre umgehend ins Eigenheim zurück.
01.45 Uhr Nachdem ich noch eine heisse Dusche genommen habe, gehe ich müde ins Bett und schlafe sofort ein. Gute Nacht.

Frau Donna Summer singt und tanzt wie ein Derwisch:

http://pfaffenberg.permuda.net/fortlauderdale.jpg

Heimseite des "Bank Atlantic Centers" in Sunrise, Florida:

http://www.bankatlanticcenter.com/

Mein Nachbar: Herr Wang:

http://pfaffenberg.permuda.net/freunde2.html#wang

Bericht: Spring Break (löblich: Frühlings Bruch):

http://pfaffenberg.permuda.net/fruehling.html

Bericht: Tretbretter und Rollschuhfahrer:

http://pfaffenberg.permuda.net/rollschuhe.html

Erlebnisbericht: Konzertbesuch bei Bruce Springstein:

http://pfaffenberg.permuda.net/konzertbesuch2.html

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 27.05.2006
© Reinhard Pfaffenberg