07.05.2006
07.05.2006
04.30 Uhr Ich erwache unlöblichst und habe überhaupt keine Orientierung. Erst nachdem ich das Licht angemacht und mich umgeschaut habe, fällt mir ein, dass ich mich im Haus meines Bruders in Toronto befinde - wie aufregend. Da ich wegen des Tschetlegs nicht mehr schlafen kann, springe ich verärgert aus den Federn und eile in die Küche, um ein Glas Limonade zu trinken. Zu meiner Überraschung finde ich Maria vor und höre, dass die Gute auch nicht schlafen kann. Meine Schwägerin überreicht mir freundlicherweise ein kühles Getränk und meint ausserdem, dass sie sich sehr über unseren Besuch freut - wie schön.
05.00 Uhr Nachdem ich die kalte Brause redlichst verköstigt habe, kehre ich ins Gästezimmer zurück und versuche noch etwas weiterzuschlafen. Gute Nacht.
08.00 Uhr HEUREKA - ein lautes Pochen reisst mich aus den Träumen. Selbstverständlich eile ich sofort zur Türe und finde Amanda vor. Das Kind strahlt wie ein Honigkuchenpferd und fordert mich auf, endlich in die Gänge zu kommen und mit der Familie zu frühstücken - das lasse ich mir natürlich nicht zweimal sagen. Bevor jedoch der Tag beginnt, nehme ich eine heisse Dusche und rasiere mich ordentlich - Sauberkeit und Ordnung ist schliesslich in der heutigen Zeit ganz besonders wichtig.
08.30 Uhr Redlichst in Schale geworfen treffe ich in der Küche ein und finde Amanda, Maria, Georg und den kleinen David am Frühstückstisch vor. Natürlich begrüsse ich meine Familie herzlich und nehme ebenfalls an der Tafel platz, um mir das wichtigste Mahl des ganzen Tages in Form von wohlschmeckenden Pfannkuchen mit kanadischem Ahornsirup, Rühreiern und Joghurt schmecken zu lassen. Dazu gibt es frisch gepressten Orangensaft sowie eine dünne Brühe, die sich Kaffee nennt - schmeckt wirklich furchtbar. Als ich naserümpfend auf das Gebräu deute, sagt Maria, dass es sich hierbei um einen entkoffeinierten und magenschonenden Ökokaffee aus Chile handelt. HEUREKA - wenn ich das vorher gewusst hätte, hätte ich echten Bohnenkaffee von ONKO aus der alten Heimat mitgebracht. Missgelaunt frage ich nach dem Rechten und erfahre von meinem Bruder, dass wir gleich nach dem Frühstück zur Sonntagsmesse in die Kirche aufbrechen können - das ist eine ausgezeichnete Idee.
09.00 Uhr Nachdem ich mir den Bauch redlichst vollgeschlagen habe, führt mich Georg ins Wohnzimmer und zeigt mir sein nagelneues "Entertainment Center" (löblich: Unterhaltungszentrum), bestehend aus DVD-Spieler, Flachbildfernseher, Musikanlage und Wandprojektor. HEUREKA - ich staune nicht schlecht und gebe Georg zu verstehen, dass ich mir solch einen Luxus von meiner spärlichen Rente nie leisten könnte. Mein Bruder zuckt mit den Schultern und führt mir auch noch vor, dass er neben 107 Satellitenprogrammen aus der ganzen Welt sogar das deutsche Fernsehen der ARD empfangen kann - wie aufregend.
09.30 Uhr Endlich geht die Fahrt los. Wir sitzen alle im Lincoln Stadtwagen und lassen und von Georg zur St. Charles Kirche in der Lawrence Avenue West kutschieren. Neugierig blicke ich aus dem Fenster und entdecke in der Nachbarschaft ein schmuckes Einkaufszentrum in den Himmel ragen. Staunend frage ich genauer nach und höre, dass es sich hierbei um die sogenannte "Centerpoint Mall" handelt, an deren Bau die Firma meines Bruder vor einigen Jahren beteiligt war. HEUREKA - gleich in den nächsten Tagen werde ich diesem Einkaufsparadies einen Besuch abstatten - wie aufregend.
10.00 Uhr Georg steuert zielsicher die Becker Street an und braust mit unglaublichen 45 Meilen pro Stunde gen Süden. Währenddessen deute ich aufgeregt aus dem Fenster und mache David klar, dass Toronto viel grösser als unsere Heimatstadt ist. Nach knapp zehn Kilometer haben wir das Ziel erreicht und parken das luxuriöse Fahrzeug sicher vor dem Gotteshaus. Ich schäle mich ächzend aus dem Wagen und freue mich auf einen schönen Gottesdienst.
10.15 Uhr Just als ich die Kirche betrete, klopft mir ein unbekanntes Fräulein auf die Schulter und fragt traurig, ob ich sie nicht erkannt habe. HEUREKA - während sich meine Familie schöne Sitzplätze aussucht, überlege ich ganz genau und erkenne, dass meine Nichte Laura einen ganz neuen Haarschnitt trägt. Selbstverständlich umarme ich das Kind sofort und freue mich sehr, es nach so langer Zeit wiederzusehen. Nachdem ich auch noch Lauras Lebenspartner William mit Handschlag begrüsst und dem kleinen Paul ordentlich die Haare zerzaust habe, beginnt endlich die heilige Messe. Der Pfarrer lässt nicht lange auf sich warten und fordert uns auf, niederzuknien und Busse zu tun.
11.30 Uhr Nachdem wir schöne englischsprachige Lieder gesungen und ausserdem die heilige Kommunion empfangen haben, treten wir gutgelaunt nach Draussen und plaudern redlichst. Laura berichtet, dass sie extra mit ihrer Familie aus dem 75 Kilometer entfernten Hamilton angereist ist, um mit uns die Kirche zu besuchen und zu Mittag zu essen - wie schön.
12.00 Uhr Da nun ein schmackhaftes Mittagessen nicht schaden kann, schlägt Georg einen Besuch in seiner Lieblingsgaststätte vor - welch ausgezeichnete Idee. Ich springe mit David auf dem Schoss in den Stadtwagen und dränge zur Abfahrt. Mit quietschenden Reifen geht es nun zurück in den Norden von Toronto - wie schön.
12.30 Uhr Nach einer kurzweiligen Fahrt kommen wir in der Yonge Strasse vor einem italienischen Gasthaus namens "Geppetto's Dining Lounge" zum stehen - eine Pizza mit Schinken und Schampions wäre jetzt genau das richtige. Als wir jedoch das gediegene Gasthaus betreten, fällt mir auf, dass es sich hier nicht um eine herkömmliche Pizzeria, sondern um ein sündteures Fischrestaurant handelt - wie aufregend. HEUREKA - ich rücke meine Krawatte zurecht und lasse mich von Georg zu seinem Stammtisch direkt am Fenster führen. Während Laura redlichst aus ihrem Leben erzählt und berichtet, dass der kleine Paul mittlerweile zwei Jahre alt ist und sich schon sehr gut verständigen kann, kommt eine italienische Kellnerin daher und nimmt die Bestellung auf. Mein Bruder lässt sich nicht lumpen und bestellt zwei grosse Meeresfrüchteplatten mit Gemüse und Kartoffeln - wir schön. Dazu trinken wir extraordinären Weisswein sowie Mineralwasser der Marke San Pellegrino - das tut so richtig gut.
13.00 Uhr Endlich wird das reichhaltige Mahl serviert - wie schön. Ich greife ordentlich zu und komme aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Die gebratenen Tintenfische sowie die keuschen Krabben in delikater Sosse schmecken wirklich ganz ausgezeichnet. Maria gibt mir ganz Recht und sagt, dass Herr Geppetto täglich frische Fisch- und Fleischlieferungen erhält und die Teigwaren sowie den Käse direkt aus Italien importiert - wie aufregend.
13.30 Uhr Nachdem ich unbemerkt den obersten Knopf meines Sonntagsanzug geöffnet habe, kommt die Kellnerin mit einem Nachspeisenwagen an unseren Tisch und erkundigt sich, ob wir lieber Eis, Tiramisu oder Kuchen haben möchten. Obwohl ich eigentlich gar keinen Hunger mehr habe, entscheide ich mich für ein klitzekleines Stück Torte mit Schlagsahne und gebe Amanda lachend zu verstehen, dass ich eigentlich auf meine Diät achten müsste.
14.00 Uhr Während meine ehemalige Untermieterin David mit delikatem Erdbeereis füttert und von James Musikreise durch Amerika erzählt, begleicht Georg mit einem unlöblichen Zahlungsmittel die gesalzene Rechnung und gibt ferner ein stattliches Trinkgeld in Höhe von zehn kanadischen DOLLARS - es muss wirklich schön sein, wenn man Millionär ist.
14.30 Uhr Zurück im Eigenheim lasse ich mich bei strahlendem Sonnenschein auf der Terrasse nieder und plaudere mit meiner Nichte Laura über ihren interessanten Tschob als Grundschullehrerin in Hamilton. Als ich Laura von den verheerenden Zuständen an deutschen Schulen erzähle, kann sie es kaum glauben und meint, dass es diesbezüglich in Kanada keine Probleme gibt. Weiter höre ich, dass die kanadischen Schüler Dank Ganztagsschulen und individueller Förderung bei der PISA Studie weit vor den deutschen Jugendlichen liegen - das wundert mich gar nicht.
15.15 Uhr Lauras Lebensgefährte William gesellt sich dazu und will alles über meine Tätigkeiten als Anschnurreporter und Menetscher im Donutladen wissen. HEUREKA - natürlich gebe ich bereitwillig Auskunft und erzähle den Beiden, dass meine löbliche Heimseite im ganzen Land bekannt ist und sogar schon mehrmals in den Medien erwähnt wurde. Selbstverständlich frage ich Herrn William redlichst aus und erfahre, dass der gute Junge in der Wertpapierabteilung der "Bank of Montreal" (löblich: Bank von Montreal) direkt im Zentrum von Hamilton arbeitet - wie aufregend.
15.45 Uhr Meine Schwägerin Maria bittet uns an die Kaffeetafel und fährt neben lustigen Donuts sogar einen delikaten Erdbeer-Käsekuchen auf - wie schön. Ich greife beherzt zu und frage meinen Bruder, ob er nicht Lust hätte, morgen oder übermorgen einen Ausflug zu den Niagara Fällen zu unternehmen. Wie jedes Kind weiss, ist dieses Naturwunder stets einen Besuch wert. Georg sagt, dass er sich ganz nach mir richtet und für alles zu haben ist - wie schön.
16.15 Uhr Laura und William verabschieden sich nun redlichst und erklären, dass sie jetzt zurück nach Hamilton fahren - wie schade. Der kleine David ist auch ganz traurig, weil er noch länger mit Lauras Sohn Paul spielen möchte. Unter lautem Kindergeschrei begleiten wir die junge Familie zu ihrem blauen Fahrzeug der Marke FORD und wünschen ihr eine sichere Heimfahrt. Bei dieser Gelegenheit lädt mich Laura herzlich nach Hamilton ein und sagt, dass ich ihr jederzeit einen Besuch abstatten darf - wie freundlich.
16.45 Uhr Düdeldü - da ich die wichtige Anschnurarbeit auf keinen Fall vernachlässigen sollte, gehe ich ins Arbeitszimmer meines Bruders und nehme entspannt am Heimrechner platz. Fachmännisch stelle ich die Internetzverbindung her und segle direkt auf meine löbliche Heimseite, um als erstes den elektronischen Briefkasten zu überprüfen. Auch heute beantworte ich wieder Fragen besorgter Eltern und gebe qualifizierte Ratschläge zum Umgang mit jugendlichen Rabauken. Ausserdem schreibe ich elektronische Briefe an Prof. Kuhn und Herrn Wang und teile ihnen mit, dass ich sicher in Toronto angekommen bin.
17.45 Uhr Jetzt wird es mir aber zu bunt. Ich fahre den Heimrechner mausdrückend herunter und setze mich dann zu Maria, Georg und David ins Wohnzimmer. Als ich mich nach Amanda erkundige, sagt Maria, dass das Kind mit dem Bus in die Innenstadt gefahren ist, um sich ein wenig umzusehen - wie unlöblich. Schliesslich ist Amanda Mutter und sollte ihren kleinen Sohn keine Minute alleine lassen, aber das ist wieder einmal typisch für die jungen Leute von heute.
18.30 Uhr Bei einer kleinen Brotzeit, bestehend aus belegten Broten, Kartoffeltschips und gesunden Labatt Blau Bieren, sitzen wir zusammen und plaudern redlichst über Dies und Das. Bei dieser Gelegenheit erzähle ich auch, dass ich wahrscheinlich bei James letztem Konzert in Dallas auf die Bühne kommen werde, um mit dem Jungen gemeinsam ein Lied zu "performen". Georg kommt aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und meint, dass ich gleich nach Las Vegas gehen sollte, um Engelbert oder Paul Anka Konkurrenz zu machen. HEUREKA - das ist eigentlich gar keine schlechte Idee.
19.30 Uhr Nachdem Georg eine stimmungsvolle Frank Sinatra Kompaktscheibe aufgelegt hat, lassen wir uns weitere Biere munden und spekulieren, was Amanda wohl in der Stadt treibt. HEUREKA - wahrscheinlich besucht die Maid ein unlöbliches Tanzlokal und frönt lauter und aggressiver Hartfelsenmusik.
20.30 Uhr Laut gähnend stelle ich fest, dass es in der Heimat bereits 02.30 Uhr ist. Da mir beinahe schon die Augen zufallen, wünsche ich Georg und Maria noch einen schönen Abend und verabschiede mich auf mein Zimmer.
21.00 Uhr Nachdem ich noch eine erquickende Dusche genommen habe, gehe ich zufrieden ins Bett und lese noch etwas in der Bibel. Gute Nacht.
Wir besuchen ein schönes Fischrestaurant:
Bericht: Löbliche Haarfrisuren:
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Bericht: Unlöbliche Zahlungsmittel:
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Auch in der Ferne lese ich die elektronische Post ...:
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... und kümmere mich um den Kummerkasten:
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verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 07.05.2006
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Reinhard Pfaffenberg |
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