29.03.2011
07.30 Uhr Der Reisewecker geht an und ich habe ein Lied der aus Athens in Georgia stammenden Combo
"REM" im Ohr.
Während die Südstaatenmusikanten ihren aktuellen Hitparadenerfolg "Mine
Smell Like Honey" anstimmen, hüpfe ich aus den Federn und registriere,
dass Dixon eines seiner quietschenden Spielzeuge unter dem Kopfkissen
versteckt hat. Ich werfe das Ding zu Boden und bitte den Rüden, seine
Habseligkeiten nicht im ganzen Zimmer zu verstreuen. Der Hund kratzt
sich ausgiebig am Ohr und springt dann ins Bett, um mich schwanzwedelnd
zu begrüssen.
08.00 Uhr Nachdem sich der Mischling beruhigt hat, laufe ich in
die Nasszelle und entspanne mich bei einem Vollbad. Nebenher rufe ich
bei Edelbert an und erkundige mich, ob wir heute einen Ausflug zum
Hoover Damm unternehmen wollen. Der Professor stimmt zu und meint, dass
wir uns ausserdem über eine Urlaubsverlängerung unterhalten müssen. Weil
ich keine Lust habe, stundenlang zu diskutieren, gebe ich mich kurz
angebunden und verabrede mich für halb Zehn im "Cafe Bellagio". Edelbert
ist begeistert und verspricht, pünktlich zu erscheinen - wie schön.
09.00 Uhr Just als ich in die schweren Kuhjungenstiefel schlüpfe und mir die
Haare kämme, werde ich durch ohrenbetäubendes Telefonschellen gestört. Zu allem Überfluss meldet sich
Sandra
und kommt auf das Schreiben der Stadtverwaltung zu Sprechen. Das Kind
versorgt mich mit Fakten und meldet, dass auch Familie Rudolph und die
Omaribas nicht bereit sind, für die Umbaumassnahmen im Waldweg 2.500
EUROS zu bezahlen. Meine Mieterin schimpft wie ein Bierkutscher und
berichtet, dass Herr Omariba bereits im Rathaus war, um ein klärendes
Gespräch mit Bürgermeister Jens Palm zu führen. Ferner höre ich, dass
der Wissenschaftler aus Südafrika Nägel mit Köpfen gemacht und einen
Anwalt eingeschaltet hat. Darüber hinaus bringt Sandra ihr Gespräch mit
Rechtsanwalt Dr. Waldvogel (70) ins Spiel und beteuert, dass die Stadt
keine rechtliche Grundlage hat, den Anwohnern Geld aus der Tasche zu
ziehen. Ich wirke beruhigend auf Sandra ein und lasse sie wissen, dass
sie mich weiterhin auf dem Laufenden halten muss. Bevor die Maid
antworten kann, beende ich das kostspielige Telefonat und lege den Hörer
auf - ich kann mich schliesslich nicht um alles kümmern.
09.45 Uhr Mit kurzer Verspätung treffe ich meine Reisebegleitung
im hoteleigenen Kaffeehaus und habe das Vergnügen, mich am Büfett
bedienen zu können. Ich lade Rühreier mit Speck, lustige Grillwürstchen
sowie einen Donut auf meinen Teller und zögere nicht, Hund Dixon mit
vitaminreichem Schinken zu verwöhnen. Während wir kraftvoll zubeissen,
redet Edelbert ohne Unterlass auf mich ein und behauptet, dass er
bereits mit der Fluglinie telefoniert und wegen einer Umbuchung
nachgefragt hat. Mein Tischnachbar strahlt wie ein Honigkuchenpferd und
meint, dass die DELTA Mitarbeiterin sehr freundlich war und uns einen
Direktflug nach Miami für Samstagnachmittag in Aussicht gestellt hat.
Zudem deutet mein Bekannter in Richtung Lobby und rechnet vor, dass wir
für drei zusätzliche Übernachtungen lediglich 420 Dollars blechen
müssten.
10.15 Uhr Als der Minutenzeiger meiner goldenen ROLEX auf
Viertel nach Zehn deutet, gebe ich mich geschlagen und beauftrage
Edelbert, sich am Nachmittag um die Formalitäten zu kümmern. Prof. Kuhn
reibt sich die Hände und sagt, dass wir nun den Hoover Staudamm im Osten
ansteuern könnten - das soll mir Recht sein.
10.45 Uhr Endlich sitzen wir im geräumigen "Buick Lucerne"
Mietauto und krusen zu prima George Strait Musik aus dem Parkhaus.
Während Edelbert sein Handtelefon zückt, um bei AVIS und DELTA Airlines
anzurufen, folge ich dem "Moyave Freeway" gen Süden und biege dann auf
den "Bruce Woodbury Beltway" ab, der uns in Windeseile aus der
Innenstadt führt.
11.15 Uhr Dreissig Minuten später fahren wir durch eine trostlose Wüstenlandschaft und erreichen die Kleinstadt
Boulder City.
Während der Professor die Umbuchung vornimmt und mit einem
widerspenstigen AVIS Mitarbeiter verhandelt, erfahre ich anhand einer
Infotafel, dass besagte Gemeinde ihren Ursprung dem Bau des Hoover
Staudamms verdankt. Schon in den frühen 1930er Jahren kamen Tausende
Arbeiter nach Nevada, um auf der Baustelle anzuheuern. Um die
Facharbeiter unterbringen zu können, entschloss sich der Bauherr, in der
Nähe eine eigene Stadt mit Einkaufsmöglichkeiten und Schulen zu gründen
- wie aufregend.
11.45 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten erreichen wir die
Sehenswürdigkeit und können das Auto auf einem gebührenpflichtigen
Besucherparkplatz abstellen. Wir schlendern mit Hund Dixon im Schlepptau
zu einer Aussichtsplattform und freuen uns, einen hervorragenden
Rundblick auf das weltbekannte Absperrwerk und das angrenzende Kraftwerk
zu haben. Bei dieser Gelegenheit lernen wir, dass der Damm im Jahre
1935 fertiggestellt wurde und eine Höhe von 221 Metern misst - das ist
phantastisch.
12.30 Uhr Nachdem wir uns einen ersten Überblick verschafft
haben, werden wir am Besuchereingang vorstellig und erfahren, dass eine
Führung durch das "Hoover Damm Museum" 9 Dollars kosten soll. Missmutig
geben wir der Kassiererin den gewünschten Betrag und kommen in den
Genuss, ausser Dienst gestellte Turbinen und interessante Photografien
aus längst vergangenen Epochen zu sehen. Ich lausche gespannt den
Aussagen des Museumsführers und bringe heraus, dass während der
vierjährigen Bauzeit weit über 2,6 Millionen Kubikmeter Eisenbeton
benötigt wurden, um den Colorado River zu stauen. Die elektrische
Leistung der von den 17 Turbinen angetriebenen Generatoren, beträgt
derzeit etwa 2.100 Megawatt. Die Energie wird zum grössten Teil per
Hochleitungen nach Kalifornien geleitet, um den Grossraum Los Angeles
mit Strom zu versorgen - das ist phantastisch.
13.15 Uhr Nach dem aufschlussreichen Rundgang vertreten wir uns
die Füsse und erfreuen uns an den wärmenden Sonnenstrahlen, die
Petrus zur Erde schickt. Hund Dixon ist kaum zu bändigen und lässt es
sich nicht nehmen, sein Beinchen zu heben und einen Betonpfeiler zu
markieren.
13.45 Uhr Zu guter Letzt knipsen wir Photos und ziehen es dann
vor, ins Auto einzusteigen und mit durchdrehenden Reifen in Richtung Las
Vegas zurückzufahren. Der Professor führt währenddessen ein weiteres
Gespräch mit einer DELTA Maid und teilt mir gutgelaunt mit, dass unser
Flug am Samstagnachmittag bestätigt wurde - wie schön.
14.30 Uhr Weil mein Magen laut knurrt, entschliessen wir uns,
kurz vor Boulder City den Highway 93 zu verlassen und durch das Zentrum
zu gleiten. Nach wenigen Meilen passieren wir eine einladende Gaststätte
namens
"Boulder Dam Brewing Company" (löblich: Boulder Damm Brauerei Firma) und treten auf die Bremse, um direkt vor dem Haupteingang zu parken.
14.45 Uhr Wir kehren hungrig in das gutbesuchte Restaurant ein
und werden von einer netten Kellnerin mit roten Haaren begrüsst. Die
23jährige führt uns zu einem Tisch neben der Jukebox und möchte wissen,
ob wir das selbstgebraute "Powder Monkey Pilsner" (löblich: Puder Affen
Pils) probieren wollen. Obwohl ich noch Autofahren muss, nicke ich
eifrig und ordere zudem einen "Hot Dam Burger" (löblich: Heisser Damm
Burger) sowie kaltes H²O für Hund Dixon. Edelbert ist vom gemütlichen
Ambiente sichtlich angetan und bittet die Bedienung, ausserdem eine
Portion "Chili" mit Käse, Hackfleisch, Zwiebeln und hausgemachten
Weizenkräckern aufzutischen. HEUREKA - schon jetzt läuft mir das Wasser
im Munde zusammen.
15.30 Uhr Just als ein verstaubter Fernfahrer eine Münze in den
Musikautomaten wirft und mit "Heartache by the Numbers" (löblich: Kummer
mit den Nummern) einen meiner Lieblingsschläge auswählt, kommt der
bierbäuchige Gaststättenbesitzer (60) höchstpersönlich an den Tisch und
möchte wissen, ob wir Touristen sind. Ich nicke und entgegne, dass wir
aus Florida stammen und einen Kurzurlaub an der Westküste verbringen.
Der Heini mustert mich skeptisch und kommt zu dem Schluss, dass wir
ursprünglich aus Europa stammen müssen. Nun meldet sich auch Edelbert zu
Wort und klärt über die Tatsache auf, dass wir waschechte Münchner
sind. Der Wirt ist hellauf begeistert und serviert uns einen weiteren
Pitcher (löblich: Krug) auf seine Kosten - wie aufmerksam.
16.00 Uhr Nach dem Bezahlvorgang verlassen wir die Wirtschaft
und bemerken, dass Boulder City eine wunderschöne Stadt ist. Da ich eine
Bierfahne habe und mich unmöglich hinters Steuer setzen kann,
unternehmen wir einen erquickenden Gassigang entlang der Arizona Street.
Während Dixon an jedem Blumenkübel inne hält, um eine Markierung zu
setzen, begutachte ich die stattlichen Anwesen und meine, dass es sich
durchaus lohnen würde, hier sesshaft zu werden. Edelbert winkt
demonstrativ ab und erinnert an die Tatsache, dass es in dieser Gegend
im Sommer viel zu heiss ist.
16.30 Uhr Nachdem wir in einem Supermarkt "Wrigley's Altoids"
Kaugummi in der praktischen Metalldose erworben haben, setzen wir die
Autofahrt fort. Natürlich halte ich mich explizit an die
Geschwindigkeitsbegrenzung und sorge dafür, der Highwaypolizei keinen
Anlass zu geben, uns Auto aufzuhalten.
17.15 Uhr Eine dreiviertel Stunde später erreichen wir Las Vegas
und sind heilfroh, die Fahrt ohne Probleme überstanden zu haben. Ich
stelle den Mietwagen gekonnt in der Parkgarage ab und lote aus, ob wir
uns jetzt dem Glücksspiel widmen wollen. Edelbert bekommt grosse Augen
und sagt, dass er vorher duschen will und mich gegen 19 Uhr abholen wird
- wie schön.
18.00 Uhr Ich schliesse die Türe zu meinem Zimmer auf und falle
seufzend ins Bett, um alle Viere von mir zu strecken. Schon nach wenigen
Augenblicken döse ich ein und träume von den aufregenden Tagen, die ich
in
Los Angeles erleben durfte.
19.00 Uhr Ich werde durch lautes Pochen geweckt und finde
Edelbert an der Türe vor. Der gute Mann rückt sich die Krawatte zurecht
und sagt, dass es langsam Zeit wird, zu Abend zu essen. Ich stimme
uneingeschränkt zu und mache mich daran, Dixons Näpfe mit Trinkwasser
und Trockenfutter aufzufüllen. Danach wünsche ich dem Vierbeiner einen
schönen Abend und verschliesse die Türe. An Edelberts Seite steige ich
in den Aufzug ein und kann es gar nicht mehr erwarten, eine Brotzeit zu
verzehren.
19.30 Uhr Da wir uns im Spielkasino amüsieren wollen, besuchen
wir das "Snacks at the Race" (löblich: Brotzeit während des Rennens)
Schnellessgasthaus und entscheiden uns für Schinken Sandwiches und Diät
Coca Colas im XXL Becher. Um nicht noch mehr Zeit zu vertrödeln, lassen
wir uns die belegten Brote an einem Stehtisch munden und beobachten
währenddessen das bunte Treiben in der Spielhalle.
20.00 Uhr Nachdem wir echte Banknoten gegen Spielgeld
eingetauscht haben, stürzen wir uns ins Getümmel und versuchen uns
zuerst an den 25 CENT Automaten. Während ich in kürzester Zeit 10
Dollars verliere, scheint der Professor das Glück auch heute für sich
gepachtet zu haben. Staunend werde ich Zeuge, wie Edelbert im richtigen
Augenblick den Hebel des "einarmigen Banditen" betätigt und ruckzuck 25
Dollars gewinnt - das ist ja allerhand.
21.00 Uhr Um weitere 20 Dollars erleichtert, streiche ich die
Segel und gebe zu Protokoll, dass ich mich nun verabschieden werde.
Edelbert wünscht mir beim
Fernsehschauen viel Vergnügen und gibt zu Protokoll, dass er jetzt den Roulettetischen einen Besuch abstatten wird
- wie unlöblich.
21.30 Uhr Zurück im redlichst klimatisierten Zimmer, schlüpfe
ich aus der Kleidung und leiste Dixon im bequemen Queen Size Bett
Gesellschaft. Um auf andere Gedanken zu kommen, drücke ich mich durch
das Fernsehprogramm und bleibe einige Minuten auf dem "History Channel"
(löblich: Geschichtskanal) hängen, wo über das Römische Reich berichtet
wird.
22.00 Uhr Da mir mittlerweile die Augen zufallen, drücke ich auf
den "OFF" (löblich: AUS) Knopf und streichle meinem tierischen
Begleiter durchs krause Fell. Danach lösche ich das Licht und schlafe
schon bald ein. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 29.03.2011
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Reinhard Pfaffenberg |
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