25.03.2011
07.30 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und höre, dass Edelbert
auch schon auf den Beinen ist und im Nebenzimmer die schöne Melodie von
der "launischen Forelle" pfeift. Um auch heute spannende Abendteuer in
der Stadt der Engel erleben zu können, hüpfe ich spornstreichs aus dem
Bett und klopfe an die Verbindungstüre. Mein Bekannter wünscht mir einen
guten Morgen und lotet aus, ob wir heute das Viertel "Little Tokyo"
ansteuern wollen. Ich bin ein lustiger Geselle und erwidere, dass "wil
das Mittagessen in einem Japanlestaulant einnehmen und Flühlingslollen
velzehlen könnten". Der Professor lacht herzlich und kündigt an, dass es
angebracht wäre, die Speisen mit einem Geigerzähler auf mögliche
Radioaktivität zu überprüfen
- wie unlöblich.
08.00 Uhr Während Dixon im Garten herumtollt, ziehe ich mich ins
Badezimmer zurück und genehmige mir ein löbliches Vollbad mit Schaum.
Nebenbei fröne ich mit dem iPad dem Internetzradioprogramm des mit
Zwangsgebühren finanzierten Bayerischen Rundfunks und bringe in
Erfahrung, dass heute mit der Verkündigung des Herrn ein wichtiger
Gedenktag in den katholisch geprägten Bundesländern stattfindet. Wie
jedes Kind weiss, lässt die Kirche just heute den Engel Gabriel
hochleben, der einst nach Nazaret gekommen ist, um Maria über die Geburt
ihres Sohnes zu informieren. Weil mir der Glaube schon seit jeher Kraft
gibt, halte ich inne und bete das "Vater Unser".
09.00 Uhr Nach dem Badevergnügen werfe ich mich in Schale und
gebe Edelbert zu verstehen, dass man ohne ein ordentliches Frühstück
nicht aus dem Haus gehen sollte. Der Professor nickt eifrig und meint,
dass wir Fräulein Brandie im Haupthaus aufsuchen sollten. Mit Hund Dixon
im Schlepptau statten wir der aufstrebenden Schauspielerin einen Besuch
ab und sind überrascht, auch Herrn Greenberg am reich gedeckten
Frühstückstisch anzutreffen. Der millionenschwere Film- und
Serienproduzent heisst uns herzlich Willkommen und sagt, dass er gleich
nach Vancouver ausfliegen wird, um Locations (löblich: Drehorte) für
seine neue Serie auszuspähen. Ich gebe mich interessiert und lerne, dass
viele
Hollywoodfilme in Vancouver gedreht werden, weil dort die Produktionskosten geringer sind - wie schön.
09.30 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen und an den
Schaumweinkelchen nippen, lässt Edelbert den gestrigen Tag Revue
passieren und erzählt, dass wir in Santa Monica waren. Frau Brandie wird
prompt hellhörig und erkundigt sich, ob wir auch das
"Gold Gym" Fitnessstudio
gesehen haben, in dem der ehemalige Senator von Kalifornien, Arnold
Schwarzenegger, in den 1970er Jahren Handeln gestemmt hat. Ich schüttle
entschieden den Kopf und antworte, dass es mir im Nachbarort wegen der
vielen
Langhaarigen und den unzähligen Rollbrettfahrern gar nicht gefallen hat.
10.00 Uhr Nachdem wir aufgegessen haben, schütteln wir Hände und
wünschen Herrn Greenberg einen guten Flug. Unser Gastgeber freut sich
und sagt, dass er über Nacht bleiben und erst morgen Nachmittag
zurückkommen wird. Ferner sichert uns der Millionär zu, am Samstagabend
zu Ehren unseres Abschieds ein Barbeque (löblich: Grillfeier) im Garten
steigen zu lassen - wie schön.
10.30 Uhr Endlich können wir in den PONTIAC TORRENT einsteigen
und den PS-strotzenden Motor aufheulen lassen. Ich steuere das Auto
gekonnt durch den parkähnlichen Garten und registriere beim Blick zum
Navigationssystem, dass man das Asienviertel bequem über den "Hollywood
Freeway" erreichen kann. Während ich das KFZ auf 55 Meilen pro Stunde
beschleunige, versorgt mich mein Beifahrer mit wissenswerten Fakten und
plappert davon, dass diese Verkehrsader zur legendären Route 101 zählt
und eine der verkehrsreichsten Strassen im ganzen Land ist. Edelbert
blättert in seinem schlauen Reiseführer und zitiert, dass der Bau dieses
Freeways bereits im Jahre 1924 begann und 16 lange Jahre dauerte - das
ist phantastisch.
11.15 Uhr Nach fünfundvierzig Minuten und 15 zurückgelegten
Meilen auf der von den Bürgern der Stadt liebevoll "längster Parkplatz
der Welt" genannten Strasse, treffen wir endlich am Ziel ein. Wir parken
den PONTIAC vor der "Cathedral of our Lady of the Angels" (löblich:
Kathedrale Unserer Lieben Frau von den Engeln) und schicken uns an,
durch einen menschenüberlaufenden Stadtteil zu spazieren, der
hauptsächlich
von geschäftstüchtigen Japanern, kleinwüchsigen Koreanern und gelben
Chinesen bewohnt wird. Während Hund Dixon aus dem Schnüffeln gar nicht
mehr heraus kommt, passieren wir kleine Ladenlokale, die mit seltenen
Gewürzen und selbstgeschlachtetem Geflügel Kunden anlocken.
11.45 Uhr Nachdem wir uns in einer asiatische Kunstgalerie
umgesehen und Ansichtskarten sowie Briefmarken gekauft haben, zerrt mich
der Professor in einen weiteren Hinterhofladen, in dem günstige
Kompaktscheiben und DVD Filme feilgeboten werden. Da ich keinen Goldesel
im Vorgarten stehen habe, sehe ich mich sofort um und stosse nach
kurzer Suche auf einen Silberling mit dem Titel "Tribute to Waylon
Jennings" (löblich: Anerkennung für Waylon Jennings). Ich nehme die
Titelliste neugierig in Augenschein und erfahre, dass Kris
Kristofferson, Randy Houser, James Otto sowie andere Künstler die
bekanntesten Lieder des im Jahre 2002 verstorbenen Landmusikers neu
aufgenommen haben
- wie schön.
12.15 Uhr Während ich mich ausserdem für das nagelneue Sara
Evans Album "Stronger" (löblich: Stärker) und "Majestic Silver Strings"
von Buddy Miller entscheide, stösst mich Edelbert plötzlich in die Seite
und vermutet, dass es sich hierbei um illegal kopierte Datenträger
handeln könnte. Ich zucke demonstrativ mit den Schultern und eile mit
schnellen Schritten zur Kasse, um 18 Dollars zu löhnen.
13.00 Uhr Als nächstes kehren wir ins "Yang Chow" Restaurant ein
und werden von einem unentwegt grinsenden Chinesen an einen Tisch im
hinteren Teil der Wirtschaft geführt. Der Knecht serviert süsse
Reislimonade und erkundigt sich in einem kaum verständlichen
Kauderwelsch, ob wir uns am Büffet bedienen wollen. Wir entschliessen
uns, Gerichte von der Karte zu wählen und unsere Gaumen mit "Scallops"
(löblich: Jakobsmuscheln) an Knoblauchsauce und Reis zu erfreuen. Um
Hund Dixon ebenfalls etwas Gutes zu tun, trage ich den Kellner auf,
ausserdem eine Schüssel Wasser sowie etwas Speck zu kredenzen. Der gelbe
Mann mustert den Hund skeptisch und flitzt kopfschüttelnd in die Küche,
um wenig später mit den bestellen Speisen wiederzukommen.
13.30 Uhr Während wir mit den Chinastäbchen hantieren und
Klaviermusik vom Tonband lauschen, deutet Edelbert zum Reiseführer und
behauptet, dass wir nun alle sehenswerten Orte der Stadt besichtigt
haben. Ich gebe mich erleichtert und entgegne, dass wir morgen einen
freien Tag einlegen und uns am Schwimmbecken amüsieren sollten. Der
Professor ist jedoch ganz anderer Meinung und verweist auf eine
Attraktion im benachbarten Anaheim, die jeder Tourist gesehen haben
muss. Ich spitze meine Ohren und vernehme, dass mein Begleiter am
Samstag "Disneyland" besuchen möchte - das hat gerade noch gefehlt.
14.00 Uhr Als der Kellner hausgemachten Mangokuchen serviert,
gebe ich mich geschlagen und erkläre mich bereit, nach Anaheim
mitzukommen, wenn Edelbert die sündteuren Eintrittskarten bezahlt. Mein
Tischnachbar ist erfreut und sichert zu, auch für ein opulentes
Mittagessen und eine lustige Achterbahnfahrt einzustehen.
14.30 Uhr Nachdem wir die Rechnung mit Edelberts VISA Karte beglichen und ein kleines Trinkgeld gegeben haben, schlendern wir zum Auto
zurück. Auf halbem Weg kommen wir an einem Monument vorbei, das zu
Ehren des japanischstämmigen Astronauten Ellison Shoji Onizuka erbaut
wurde, der bei der verheerenden Challenger-Katastrophe Anno 1986 ums
Leben kam. Ausserdem nutzen wir die Gelegenheit, die Bischofskirche
"Cathedral of Our Lady of the Angels"
aufzusuchen und den Altar zu beäugen. Edelbert ist vom Prunk sichtlich
angetan und sagt, dass die wunderschönen Alabasterfenster in der Welt
einzigartig sind - wie aufregend.
15.15 Uhr Zum Abschluss unseres Ausflugs sprechen wir ein Gebet
und lassen es uns nicht nehmen, einige Münzen in eine Spendendose zu
stecken und Kerzen anzuzünden. Im Anschluss hüpfen wir in den PONTIAC
und rasen mit durchdrehenden Reifen gen Norden. Edelbert redet ohne
Punkt und Komma auf mich ein und erläutert, dass "Little Tokyo" auch das
"Museum of Contemporary Art" (löblich: Museum der zeitgenössischen
Kunst) beheimatet und im Jahre 1995 zum "National Historic Landmark"
(löblich: Nationalhistorische Sehenswürdigkeit) ernannt wurde - das soll
mir Recht sein.
16.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 4
zugeht, kommen wir mit quietschenden Bremsen vor dem Eisentor unserer
Gastgeber zu Stehen und tippen die Geheimzahl in das elektronische
Steuerkästchen. Daraufhin öffnet sich die Pforte und wir können
gemächlich über das weitläufige Areal fahren und die Garage ansteuern.
16.30 Uhr Nachdem wir das Auto fachmännisch geparkt haben,
laufen wir zum Haupthaus und treffen Fräulein Brandie telefonierend in
der guten Stube an. Das junge Ding schenkt uns ein Lächeln und kündigt
an, dass es gleich eine Freundin treffen wird und uns beim Abendessen
leider nicht Gesellschaft leisten kann. Trotz der schlechten Nachrichten
lotst uns die Maid in die Küche und sagt, dass die Haushälterin
Cheeseburger mit Kartoffelspalten vorbereitet hat. Hungrig und durstig
folgen wir dem Aufruf und freuen uns, von der fleissigen Zugehfrau mit
stattlichen Portionen verwöhnt zu werden.
17.00 Uhr Als die Sonne hinter den Hollywood Hills verschwindet,
setzen wir uns an das hauseigene Schwimmbecken und tratschen über dies
und das. Unter anderem bringe ich das Grab des ehemaligen Präsidenten
Ronald Reagan ins Gespräch und frage nach, ob es möglich wäre, am
Sonntag nach Simi Valley zu fahren. Der Professor überlegt kurz und
meint, dass es angebracht wäre, dem beliebten Staatsmann die Ehre zu
erweisen. Um einen genaueren Überblick zu erlangen, nehme ich das
praktische iPad in Betrieb und tippe google.com in die Eingabezeile. In
Sekundenschnelle segle ich auf die Internetzpräsenz des "Ronald Reagan
Museums" und eruiere, dass die letzte Ruhestätte und die angeschlossene
Library (löblich: Bücherei) 50 Meilen entfernt liegt. Ich mache sogleich
Nägel mit Köpfen und lasse mir von meinem Bekannten versichern, dass
wir vor unserer Abfahrt nach Las Vegas die Kleinstadt Simi Valley im
Ventura County besuchen werden.
18.00 Uhr Nachdem wir das schmutzige Geschirr in die Spüle
gestellt haben, beginnt endlich der gemütliche Teil des Tages.
Budweiserschlürfend und kartoffelchipsverzehrend machen wir es uns im
Gästehaus bequem und folgen auf FOX den Abendnachrichten. Wie nicht
anders zu erwarten, berichtet der Moderator über den schrecklichen
Bürgerkrieg in Libyen und den japanischen Atomunfall in Fukushima. Wenn
man den Berichten Glauben schenken kann, soll sich die Lage im
havarierten Atomkraftwerk dramatisch verschlimmert haben. Die
Nachrichtenagentur Kyodo meldete unter Berufung auf die Betreiberfirma
Tepco, dass im Reaktorblock 1 eine 100.000fache erhöhte Strahlung
gemessen wurde - wie furchtbar.
19.00 Uhr Danach wählen wir den Bezahlsender HBO aus und folgen
dem von Kritikern hochgelobten dreistündigen Epos "The Lord of the
Rings: The Fellowship of the Ring" (löblich: Der Herr der Ringe: Die
Kameradschaft des Ringes) aus dem Jahre 2002. Wir werden Zeugen, wie der
Knirps Frodo vom Zauberer Gandalf beauftragt wird, den Ring des dunklen
Herrschers Sauron zu zerstören. HEUREKA - diesen Unsinn muss man
gesehen haben. Edelbert hat ebenfalls nur Hohn und Spott für dieses
Machwerk übrig und moniert, dass die Buchvorlage von John Ronald Reuel
Tolkien viel besser ist.
22.00 Uhr Nach vierzehn Budweisern und zwei Packungen LAYS
Chips, schalten wir den Farbfernseher ab und unternehmen mit Hund Dixon
einen kleinen Rundgang durch den Garten. Der Rüde hebt freudig sein
Beinchen und hinterlässt an der Hausmauer eine ansehnliche Pfütze. Zu
guter Letzt verschliesse ich Fenster und Türen und wünsche Edelbert
angenehme Träume. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 25.03.2011
©
Reinhard Pfaffenberg |
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