Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

24.03.2011

07.15 Uhr Ich werde durch ohrenbetäubende Klopfgeräusche geweckt und finde Prof. Kuhn an der Türe vor. Edelbert hat sich bereits schick gemacht und bittet mich, ihm das iPad auszuborgen. Auf Anfrage höre ich, dass der Gute Nachrichten lesen und den heutigen Tag planen möchte. Zudem plappert mein Bekannter davon, dass wir nach Santa Monica fahren und den Strandabschnitt "Venice Beach" besichtigen könnten - wie schön. Ich gebe Edelbert das elektronische Lesegerät und beauftrage ihn, die Wegstrecke auszuspähen und sich Notizen zu machen. 
07.45 Uhr Nachdem ich Hund Dixon in den Garten gescheucht habe, lasse ich bei einem Vollbad die Seele baumeln. Unterdessen rufe ich im fernen Naples an und kontaktiere Frau Pontecorvo. Die Gute meldet sich nach dem zweiten Klingeln und freut sich, meine Stimme zu hören. Selbstverständlich lasse ich die kleine Frau an meinen Erlebnissen teilhaben und erzähle, dass ich in dieser Woche viele Sehenswürdigkeiten besucht und auch einen Rundgang durchs "20th Century Fox Studio" gemacht habe. Meine Nachbarin ist hellauf begeistert und vermutet, dass ich bestimmt ins Filmgeschäft einsteigen und für immer im Westen bleiben werde. Lachend falle ich Frau Pontecorvo ins Wort und verspreche ihr, dass wir uns am Mittwoch wiedersehen werden. 
08.45 Uhr Nach dem Badespass poche ich an die Verbindungstüre und lasse Edelbert wissen, dass wir uns nun auf den Weg nach Santa Monica machen können. Gutgelaunt spazieren wir zum Haupthaus und halten währenddessen nach Dixon Ausschau, der wie vom Erdboden verschluckt ist - wie unlöblich. 
09.00 Uhr Letztendlich treffen wir den Vierbeiner in Brandie Creams Gesellschaft am Schwimmbecken an und erfahren, dass der Frechdachs Stockenten verjagt hat und kopfüber ins kühle Nass gesprungen ist - das ist ja allerhand. Wie es sich gehört, erhebe ich den Zeigefinger und stelle klar, dass ich dieses unflätige Verhalten unmöglich tolerieren kann. Des weiteren drohe ich an, bei weiteren Verfehlungen die abendliche Streicheleinheit ausfallen zu lassen. Der Mischling senkt traurig seinen Kopf und folgt uns winselnd ins Esszimmer.
09.30 Uhr Bei brühfrischem Cappuccino (löblich: italienischer Schaumkaffee), Rühreiern und Croissants (löblich: französische Hörnchen), plaudern wir redlichst und laden Fräulein Brandie ein, sich unserem Ausflug anzuschliessen. Die angehende Schauspielerin winkt jedoch ab und sagt, dass sie wichtigen Verpflichtungen nachkommen und einen Photografen treffen muss. Die junge Frau strahlt wie ein Honigkuchenpferd und verkündet, dass sie gute Schanzen hat, vom Unterwäschehersteller "MEY" für eine Werbekampagne engagiert zu werden - wie aufregend. 
10.00 Uhr Nachdem auch Hund Dixon eine Portion Schinken verzehrt hat, leihen wir uns die Autoschlüssel für den "Pontiac Torrent" aus und schicken uns an, in den PS-strotzenden SUV zu hüpfen und zu stimmungsvollen George Strait Landmusikklängen nach Süden davonzufahren. Wir krusen durch die Hollywood Hills und haben das grosse Glück, zwei Strassen weiter den leicht übergewichtigen Schauspieler Dan Aykroyd beim Ausführen seines deutschen Schäferhundes zu sehen. Natürlich trete ich augenblicklich auf die Bremse und fordere den Heini auf, mir ein Autogramm mit Widmung auszustellen. Als ich wild gestikulierend aussteige und Herrn Aykroyd die Hand reiche, kommt plötzlich ein Streifenwagen neben dem Gehweg zum Stehen und ich sehe mich mit zwei grimmig dreinschauenden Polizisten konfrontiert. Die Ordnungshüter schieben mich zur Seite und fordern mich auf, weiterzufahren und keine Promis zu belästigen. Um einer Schlägerei aus dem Weg zu gehen, komme ich den Anweisungen nach und lasse hastig den Wählhebel der Automatikschaltung in die "D" Stellung einrasten - wo soll das noch hinführen. 
10.45 Uhr Dreissig Minuten später gleiten wir durch den Stadtbezirk Westwood und passieren die "University of California" (löblich: Universität von Kalifornien). Edelbert ist wie immer bestens informiert und berichtet, dass die UCLA im Jahre 1919 gegründet wurde und zu den renommiertesten Universitäten der Welt zählt. Ferner lerne ich, dass die angeschlossene "Business School" (löblich: Wirtschaftsschule) mehrere Nobelpreisträger wie z.B. Elinor Ostrom oder William Forsyth Sharpe hervorgebracht hat.
11.15 Uhr Wenig später parken wir den Pontiac in direkter Nachbarschaft zum "Palisades Park" und machen es uns zur Aufgabe, das weltberühmte "Santa Monica Pier" (löblich: Santa Monica Steg) mit seinen vielen Einkaufsmöglichkeiten zu erkunden. Wir schlendern an den Geschäften vorbei und bemerken, dass hier auch ein kleiner Vergnügungspark zu finden ist, der mit einer Achterbahn und einem Riesenrad viele Touristen anlockt - wie aufregend.
11.45 Uhr Kurz bevor die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, kehren wir in das einladende Familienrestaurant "Bubba Gump Shrimp Co." ein und setzen uns hungrig an einen Zweiertisch mit Ausblick auf den azurblauen Pazifik. Während Dixon die Gäste am Nebentisch skeptisch in Augenschein nimmt, kommt eine Kellnerin daher und freut sich, uns im besten Shrimplokal an der Pazifikküste begrüssen zu dürfen. Ich nicke eifrig und zögere nicht, eine Schüssel Wasser für meinen tierischen Begleiter sowie einen "Blueberry Smoothie" (löblich: Blaubeerweichling) und "Shrimps New Orleans" mit Jasminreich und Guacamole Sauce zu ordern. HEUREKA - schon jetzt läuft mir das Wasser im Munde zusammen. 
12.30 Uhr Als wir kraftvoll zubeissen und den Stehseglern (unlöblich: Surfer) zuschauen, die sich unerschrocken in die meterhohen Wellen stürzen, kommt Edelbert auf das anstehende Wochenende zu sprechen und kündigt grossspurig an, dass wir bereits am Samstag Abend den AVIS Mietwagen am Flughafen in Empfang nehmen können. Bei dieser Gelegenheit vernehme ich, dass wir am Sonntagmorgen Frau Brandie und Herrn Greenberg auf Wiedersehen sagen und nach Las Vegas weiterfahren müssen. Der Professor bekommt leuchtende Augen und sagt, dass er es gar nicht mehr erwarten kann, Kleingeld in die Schlitze der Spielautomaten zu werfen und das Glück herauszufordern - das kann ja heiter werden.
13.15 Uhr Nach vitaminreichen Eisbechern bezahlen wir die Zeche in Bar und setzen unseren Spaziergang entlang des Boardwalks (löblich: Strandwegs) fort. Schon nach wenigen Metern übertreten wir eine Wegmarkierung und lesen auf einer Tafel, dass dieser Strandabschnitt "Venice Beach" genannt wird. Wir lassen die Andenken- und Verkaufsstände links liegen und nehmen stattdessen die leicht bekleideten Frauenzimmer auf der Strandpromenade ins Visier. Zudem werden wir auf unzählige Strassenkünstler aufmerksam, die Gehwege und Häuserfronten mit Schmierereien verunstalten - wie unlöblich. 
14.00 Uhr Als ich zu allem Überfluss von einem frechen Rollbrettfahrer (unlöblich: Skateboarder) angerempelt werde, mache ich Edelbert auf den Umstand aufmerksam, dass es mir hier ganz und gar nicht gefällt. Mein Begleiter schlägt in die gleiche Kerbe und meint, dass es gescheiter wäre, kehrt zu machen und zum Auto zurückzulaufen. 
15.00 Uhr Nach drei Meilen treffen wir völlig verschwitzt am KFZ ein und treten die Heimfahrt nach Hollywood an. Um etwas Abwechslung zu bekommen, fahren wir diesmal nicht auf dem San Diego Freeway nach Norden, sondern quälen uns im Schritttempo durch das Prominentenviertel Bel Air. Bei dieser Gelegenheit erinnere ich an die 1990er Jahre Fernsehserie "Der Prinz von Bel Air" und lege anschaulich dar, dass dieses Fernsehformat von einem schwarzen Jugendlichen aus Philadelphia erzählt, der von seiner besorgten Mutter zu Verwandten nach Los Angeles geschickt wird. Edelbert interessiert sich kaum für meine Aussagen und macht sich daran, das Radiogerät lauter zu stellen.
15.30 Uhr Obgleich wir uns explizit an die Anweisungen des sprechenden Navigationsgeräts gehalten haben, landen wir bald in einem heruntergekommenen Ghetto. Der Professor beschleunigt den Pontiac auf fast 45 Meilen pro Stunde und ist heilfroh, als wir nach zwei Meilen endlich auf den San Diego Freeway auffahren können.
16.15 Uhr Zuhause angekommen, finden wir Edelberts ehemalige Nachbarin in einem knappen Bikini am hauseigenen Schwimmbecken vor. Frau Brandie zupft an ihrem Oberteil und sagt, dass sie gleich ihren Verlobten zum Abendessen treffen wird. Als ich mit dem Gedanken spiele, zu diesem Anlass meinen Smoking anzuziehen, belehrt uns die Maid eines Besseren und sagt, dass wir leider daheim bleiben müssen - wie schade. Trotz allem lassen wir uns die gute Laune nicht verderben und kehren ins Gästehaus zurück.
16.30 Uhr Nachdem ich Dixons Napf mit Trockenfutter aus dem Hause Hill's aufgefüllt habe, lege ich mich aufs bequeme Bett und genehmige mir eine kleine Pause. Ich döse bald ein und träume von meinem beschaulichen Eigenheim im Willoughby Drive
17.15 Uhr Ich werde durch das aggressive Schrillen meines neuen NOKIA Telefons geweckt und habe James Stimme im Ohr. Der gute Junge wünscht mir einen guten Abend und behauptet, dass er in Nashville sehr viel zu tun hat und nicht wie ursprünglich geplant am kommenden Montag nach Hause fliegen kann. James seufzt in einer Tour und sagt, dass sich die Plattenfirma THROB ganz überraschend entschlossen hat, das neue "Northstar" (löblich: Nordstern) Studioalbum schon im April zu veröffentlichen. Zudem bringe ich in Erfahrung, dass mein Verwandter die kommende Woche mit Tonmeister Herrn Alan im "Southern Tracks" Aufnahmestudio verbringen muss, um Gitarrensolis einzuspielen und an den bereits aufgenommenen Liedern zu feilen. 
17.45 Uhr Nachdem ich dem fleissigen Buben alles Gute gewünscht und das Telefonat beendet habe, eile ich in den Garten und registriere, dass Edelbert den Tisch am Schwimmbecken eingedeckt und eine Brotzeit vorbereitet hat. Ich setze mich spornstreichs dazu und stosse mit meinem Bekannten redlichst an. Während wir Weissbrot mit Cheddarkäse, Gewürzgurken aus dem Glas, norwegischen Graved Lachs und sündteuren Kaviar aus Russland verzehren, vernehmen wir plötzlich einen markerschütternden Schrei vom Nachbargrundstück herüberdringen. Um nicht Opfer eines Schwerverbrechens zu werden, schleichen wir uns neugierig zur Grundstücksgrenze und werden Zeugen, wie der volltrunkene Nachbar fluchend durch seinen Garten wankt. 
18.30 Uhr Edelbert tippt sich an die Schläfe und sagt, dass der Schauspieler John Goodman nun endgültig den Verstand verloren hat. Ich stimme uneingeschränkt zu und ziehe es vor, das Abendessen zu beenden und den Terrassentisch abzuräumen. Nebenbei komme ich aus dem Lachen gar nicht mehr heraus und setze meinen Bekannten darüber in Kenntnis, dass der Rüpel einst in der ABC Fernsehserie "Roseanne" mitgespielt und den Fred Flinstone im abendfüllenden Hollywoodschinken "Familie Feuerstein" gemimt hat. 
19.15 Uhr Während sich die Nacht über Los Angeles legt, setze ich mich in Edelbert und Hund Dixons Gesellschaft vor den Flachbildschirm und freue mich auf hunde- und rentnergerechte Donnerstagabendunterhaltung. Als erstes folgen wir auf CNN einer aufschlussreichen Dokumentation über das verheerende Erdbeben in Japan und vernehmen, dass immer noch 15.000 Menschen vermisst werden - wie schrecklich. 
20.00 Uhr Zur besten Sendezeit wählen wir das Qualitätsprogramm von AMC aus und entspannen uns beim sehenswerten Walt Disney Tierfilm "Snow Dogs" (auf deutsch: Acht Helden auf vier Pfoten). Wir krümmen uns vor Lachen und sehen, wie der erfolgreiche Zahnarzt Dr. Ted Brooks nach Alaska eingeladen wird, um das Erbe seiner verstorbenen Mutter anzutreten. Anstatt Millionen Dollars in Empfang zu nehmen, bekommt der Heini den Schlüssel für eine abgelegene Blockhütte in die Hände gedrückt. In der Abgeschiedenheit findet er vier Schlittenhunde vor, um die er sich aufopferungsvoll kümmern muss - da kommt Freude auf. 
21.30 Uhr Ein schöner Tag neigt sich seinem Ende zu und ich wünsche Edelbert eine angenehme Nachtruhe. Im Anschluss führe ich Hund Dixon in den Garten und lege mich dann schlafen. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 24.03.2011
© Reinhard Pfaffenberg