Reinhard Pfaffenbergs löbliches Tagebuch Archiv

 

 

26.01.2012

07.45 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und fühle mich prima. Da ich meine Bekannten um 9 Uhr in der Hotelhalle treffen werde, hüpfe ich augenblicklich aus dem King-Size Bett und gönne mir ein Vollbad. Nebenher navigiere ich mit dem praktischen iPad durchs Internetz und bringe heraus, dass das "La Isla Shopping Center" im Stadtteil "Framboyanes" gelegen und bequem mit einem Taxi zu erreichen ist. Weil Frau Pontecorvo das besagte Kaufhaus besuchen möchte, mache ich mich weiter schlau und lerne, dass der Einkaufstempel 150 Geschäfte beheimatet und zu den Sehenswürdigkeiten der Stadt zählt - das ist knorke.
08.45 Uhr Kurz vor dem Neunuhrläuten schlüpfe ich in farbenfrohe Freizeitkleidung und mache es mir zur Aufgabe, meine GOLDEN HEAD Geldbörse mit Scheinen zu befüllen. Anschliessend fahre ich mit dem Aufzug ins Parterre und bin überrascht, Prof. Kuhn und meine Nachbarin an der Rezeption anzutreffen. Edelbert redet wild gestikulierend auf einen Hotelmitarbeiter ein und macht auf den Umstand aufmerksam, dass seine Toilette verstopft ist. Ich mische mich prompt in die Diskussion ein und lasse den Knecht am Empfang wissen, dass man so mit seriösen Rentnern nicht umspringen kann. Um meinen Aussagen Nachdruck zu verleihen, deute ich auf meine Uhr und stelle klar, dass der Makel bis zum Abend behoben werden muss. Der Hotelheini seufzt laut und verspricht, sofort einen Techniker in den fünften Stock zu beordern - wie schön.
09.15 Uhr Nachdem sich mein Pulsschlag beruhigt hat, schlendern wir in den Frühstücksraum und laben uns an gesunden Rühreiern, getrockneten Tortillastreifen mit Käse sowie brühfrischem Bohnentrunk. Unterdessen löchere ich den Professor mit Fragen und erfahre, dass ihm gestern ein Strumpf ins Klosett gefallen ist und er versehentlich die Spülung betätigt hat. Trotz allem lasse ich kein gutes Haar an den Angestellten des "InterContinental Presidente Resort" und moniere, dass der Service sehr zu Wünschen übrig lässt. Darüber hinaus komme ich auf meine Recherchen zu sprechen und erkläre Frau Pontecorvo, dass wir nach dem wichtigsten Mahl des Tages zum weltbekannten "La Isla Shopping Village" (löblich: Insel Einkaufsdorf) fahren werden. Meine Bekannte überschlägt sich vor Freude und sagt, dass sie die Gelegenheit beim Schopf packen und schöne Kleidung kaufen wird.
10.00 Uhr Als der Stundenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf 10 deutet, verlassen wir das Hotel und winken ein Taxi herbei. Ein  unterbelichteter Fahrer namens Miguel (55) bringt uns in einer nervenaufreibenden Hochgeschwindigkeitsfahrt nach Süden und berichtet, dass die Mall an die Cancún Lagune angrenzt und mit exquisiten Freiluft Promenaden aufwartet, die von Kanälen durchzogen sind. Der bärtige Mann zwinkert uns redlichst zu und sagt, dass seine Tochter (19) im "Chili's Restaurant" arbeitet und dort als Tellerwäscherin gutes Geld verdient - wie schön.
10.30 Uhr Wenig später treffen wir am Ziel ein und registrieren, dass wir nicht die einzigen Besucher sind. Missmutig kämpfen wir uns durch die Menschenmenge und gehen als erstes ins "Faconnable" Fachgeschäft, wo sündteure Schuhe und Kleider für Sie und Ihn feilgeboten werden. Ich mache grosse Augen und gebe angesichts der gepfefferten Preise vor, keinen Goldesel im Vorgarten stehen zu haben. Edelbert gibt mir Recht und sagt, dass es in Zeiten der Weltwirtschaftskrise nicht angebracht ist, Seidenkrawatten für 6.800 Pesos (= 500 Dollars) anzubieten.
11.15 Uhr Um mich nicht ärgern zu müssen, lotse ich meine Reisebegleitung ins nächste Geschäft und nehme günstige Polohemden aus dem Hause LACOSTE in Augenschein. Weil mir die Preise angemessen erscheinen, probiere ich ein Hemd an und fasse den Entschluss, meine Börse zu öffnen und dem hochnäsigen Verkäufer vier 20 Dollar Scheine für zwei Exemplare zuzustecken.
11.45 Uhr Im Anschluss führt uns Frau Pontecorvo in eine "Massimo Dutti" Filiale und erzählt, dass angesehene Gesangssterne wie Adele oder Celine Dion auf den spanischen Modeschöpfer schwören. Ich zucke gelangweilt mit den Schultern und werde Zeuge, wie meine Nachbarin mehrere Blusen vom Regal nimmt und in einer Umkleidekabine verschwindet. Währenddessen plaudere ich mit Edelbert und merke an, dass es keinen Spass macht, mit einer Frau zum Einkaufen zu gehen. Der Professor schlägt in die gleiche Kerbe und entgegnet, dass wir langsam eine Wirtschaft ausspähen und uns die Bäuche voll schlagen sollten - wie wahr.
12.15 Uhr Nach geschlagenen dreissig Minuten präsentiert Frau Pontecorvo ein T-Hemd und sagt, dass sie dieses gute Stück zum Preis von 1.900 Pesos (= 140 Dollars) kaufen wird. Ich verdrehe demonstrativ die Augen und antworte, dass man die gleichen Hemden auch bei WAL MART für 8 Dollars bekommt. Die kleine Frau rümpft ihre Nase und deutet stolz auf den "Massimo Dutti" Einnäher im Kragen.
12.45 Uhr Als die Sonne ihren Höchststand erreicht hat, überqueren wir eine Wasserstrasse und kehren in eine einladende "Taco Grill" Gaststätte ein. Wir lassen uns auf der Sonnenterrasse nieder und geniessen den Ausblick auf die angrenzende Lagune. Eine beschürzte Kellnerin lässt nicht lange auf sich warten und serviert durstlöschendes Wasser sowie die Speisekarten. Ich fackle nicht lange und bitte die Mexikanerin, mit Rindfleisch gefüllte Enchiladas aufzufahren. Meine Tischnachbarn folgen meinem Beispiel und entschliessen sich ebenfalls für das mexikanische Nationalgericht.
13.30 Uhr Bereits nach wenigen Augenblicken fährt die rassige Kellnerin (31) die gewünschten Speisen auf und wir kommen in den Genuss, bei schweisstreibenden 79°F (26°C) schmackhaftes Fladenbrot mit Füllung zu essen. Ich lobe die mexikanische Küche über den Schellenkönig und gebe bekannt, dass ich meinen Aufenthalt gerne um einige Tage verlängern würde. Edelbert fällt mir jedoch ins Wort und kündigt an, dass wir morgen um 13 Uhr am Flughafen sein und leider nach Fort Myers zurück fliegen müssen - wie schade.
14.00 Uhr Nach vitaminreichen Eisbechern setzen wir unseren Spaziergang fort und passieren diverse Boutiquen international agierender Handelsketten wie "Avargas", "Brooks Brothers" und "Boss". Als wir nach wenigen Minuten an einem "Socios Comerciales" Souvenirgeschäft vorbeikommen, halte ich kurz inne und gebe meinen Bekannten zu verstehen, dass wir Erinnerungsstücke kaufen sollten. Edelbert winkt gelangweilt ab und erwidert, dass er Geld sparen und morgen kurzerhand den Hotelbademantel einpacken wird - das ist eine hervorragende Idee.
14.30 Uhr Zu guter Letzt bugsiert uns Frau Pontecorvo ins GULA Schuhgeschäft und probiert Sandalen an, die mit Swarowskisteinen verziert sind. Um keine Langeweile zu bekommen, nehme ich entspannt auf einer Bank platz und beobachte einen schwerreichen Russen, der seiner platinblonden und stark geschminkten Freundin hochhackige Pumps kauft. Ich wende mich entnervt Edelbert zu und unterbreite, dass man vor den ungehobelten Russen nirgendwo mehr sicher ist - wo soll das noch hinführen.
15.15 Uhr Endlich hat Frau Pontecorvo eine Entscheidung gefällt und weitere 100 Dollars in modische Halbschuhe investiert. Gähnend verlassen wir den Saftladen und laufen mit schnellen Schritten zum Ausgang, um ins erstbeste Taxi einzusteigen. Mit Händen und Füssen machen wir dem Fahrer klar, dass wir schnellstmöglich zum Hard Rock Cafe gebracht werden möchten. Obgleich der Heini der englischen Sprache kaum mächtig ist, prescht er mit durchdrehenden Pneus in Richtung "Zona Hotelera" davon. Während der kurzweiligen Fahrt plappert der Knecht in fremden Zungen und behauptet, dass in besagter Wirtschaft ein rotes Sakko seines Idols Michael Jackson ausgestellt ist. HEUREKA - diesen Unsinn muss man gehört haben.
16.00 Uhr Völlig verschwitzt betreten wir das gutbesuchte Gasthaus und können einen freien Tisch auf der Empore ergattern. Während meine Freunde Gitarren, Kleidungsstücke und andere Devotionalien anerkannter Musikanten anschauen, winke ich einen Kellner herbei und lasse es mir nicht nehmen, einen grossen Krug Budweiser sowie drei Portionen Nachos zu bestellen - da kommt Freude auf. Prof. Kuhn knipst derweil Photos und weist auf die Tatsache hin, dass das "Hard Rock Cafe Cancún" im Jahre 1974 eröffnet wurde und auch einen Karateanzug beheimatet, der einst Elvis Presley gehört haben soll - wie aufregend.
16.30 Uhr Obwohl ohrenbetäubende Felsenmusik aus den Lautsprechern dröhnt, lassen wir uns die gute Laune nicht verderben. Edelbert schaufelt die mit Käse überbackenen Nachos genüsslich in sich hinein und beteuert, dass wir zeitnah zum Hotel zurückkehren und den Sonnenuntergang auf der Terrasse geniessen sollten. Ich gebe dem schlauen Mann Recht und erwähne, dass ich mich vor Müdigkeit kaum noch auf den Beinen halten kann.
17.15 Uhr Redlichst gestärkt bemühen wir ein weiteres Taxi und animieren den Fahrer, uns zum InterContinental zu kutschieren. Derweil schaue ich in meine Geldbörse und bemerke, dass das Bargeld langsam zur Neige geht. HEUREKA - wenn sich die Preisschraube weiter in diesem Tempo dreht, muss ich doch noch ins Armenhaus umziehen.
18.00 Uhr Wieder zurück im Hotel, suchen wir die Sonnenterrasse auf und beschliessen den Tag bei süffigen Langgetränken (unlöblich: Longdrinks) und frittierten Zwiebelringen. Nebenbei blicke ich über den azurblauen Golf von Mexiko und bin traurig, in wenigen Stunden der schönen Stadt Cancún auf Wiedersehen sagen zu müssen. Auch Edelbert gibt sich deprimiert und sagt, dass er spätestens im Herbst erneut die Halbinsel Yucatán besuchen und dann etwas länger bleiben wird.
19.00 Uhr Als die Sonne ins Meer sinkt und die Umgebung in ein glühend rotes Licht taucht, überreichen wir dem Kellner ein stattliches Trinkgeld und fahren mit dem Lift nach oben. Ich wünsche meinen Bekannten eine gute Nacht und schliesse dann die Türe zu meinem Zimmer auf.
19.30 Uhr Nachdem ich die neuen Polohemden in den Rollkoffer verfrachtet habe, entspanne ich mich bei einer Dusche. Danach lege ich mich ins Bett und folge interessiert den Abendnachrichten auf FOX. Weil ausnahmsweise keine "Breaking News" (löblich: brechende Neuigkeiten) vorliegen, schalte ich auf den Film- und Serienkanal AMC um und lasse die Seele bei der sehenswerten Komödie "Duplex" (auf deutsch: Der Appartement Schreck) baumeln. Die amerikanische Komödie erzählt die Geschichte des Schriftstellers Alex und der Grafikerin Nancy, die im grossen Apfel eine neue Wohnung beziehen. Doch schon bald gerät das Liebespaar mit einer Nachbarin in Streit - wie schön.
21.00 Uhr Als nach 90 heiteren Filmminuten der Abspann über die Mattscheibe flimmert, drücke ich auf den "OFF" (löblich: AUS) Knopf der Fernbedienung und schlummere bald ein. Gute Nacht.

 

verfasst von Reinhard Pfaffenberg am 26.01.2012
© Reinhard Pfaffenberg