24.01.2012
07.15 Uhr Der Radiowecker schellt und ich sehe mich
genötigt, wegen des anstehenden Abflugs nach Cancún zeitig in die Gänge
zu kommen. Ich schlage nörgelnd die Bettdecke beiseite und laufe mit
Hund Dixon im Schlepptau auf die fliegenvergitterte Terrasse. Während
ich meine eingerosteten Muskeln lockere, erzähle ich dem Vierbeiner,
dass er bis zum Freitag auf mich verzichten und bei Familie Crane wohnen
muss. Der Rüde seufzt laut und schnappt sich einen Tennisball, um zum
Teich zu trotten.
07.45 Uhr Während Dixon die handzahme Echse Billy anknurrt,
ziehe ich mich in die Nasszelle zurück und entspanne mich bei einem
Wirbelbad. Nebenher navigiere ich mit dem iPad durchs Internetz und
lerne auf
wunderground.com,
dass es in Cancún sonnig und mit 86°F (30°C) angenehm warm ist. Ferner
rufe ich Wikipedia auf und bringe in Erfahrung, dass die Stadt auf der
mexikanischen Halbinsel Yucatán vor 40 Jahren auf dem Reissbrett
konzipiert wurde. Mittlerweile verfügt die Gemeinde über 100.000
Hotelbetten, unzählige Restaurants und einladende Gaststätten, die mit
Musik und schmackhaften Spezialitäten locken - das ist phantastisch.
08.30 Uhr Um nicht noch mehr kostbare Zeit zu vertrödeln, steige
ich aus der Wirbelbadewanne und rufe bei Edelbert an. Der Professor
nimmt das Gespräch nach dem dritten Tuten an und sagt, dass er in einer
Stunde in den
Willoughby Drive
kommen wird. Ich verspreche, unterdessen ein Taxi für 11 Uhr zu
organisieren. HEUREKA - diesen Stress hält nicht einmal der stärkste
Rentner aus.
08.45 Uhr Bevor ich meinen Pflichten nachkomme, bereite ich ein
prima Frühstück in Form gerösteter Weissbrotscheiben (unlöblich: Toast)
mit echtem Clover Crest Bienenhonig und Rühreier vor. Darüber hinaus
nehme ich die futuristische DeLonghi Kaffeemaschine in Betrieb und
bemerke, dass das Gerät demnächst entkalkt werden muss. Trotz allem
lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und gebe Dixon etwas von
den Rühreiern ab.
09.30 Uhr Als der Minutenzeiger meiner wertvollen ROLEX auf halb
Zehn deutet, klingelt es an der Türe und ich kann den Professor recht
herzlich begrüssen. Der schlaue Mann folgt mir in die gute Stube und
erzählt, dass er sich gestern im Internetz über die mexikanische
Billigfluglinie VIVA AIROBUS schlau gemacht hat. Mein Bekannter lässt
kein gutes
Haar an
besagtem Unternehmen und berichtet, dass Reisende pro Gepäckstück 15
Dollars an Gebühren am Schalter entrichten müssen - das ist ja
allerhand.
10.00 Uhr Wenig später pocht Frau Pontecorvo ans Küchenfenster
und bittet uns, ihr Einlass zu gewähren. Während meine Bekannten
angeregt plaudern, kontaktiere ich die kostengünstige Zip2
Telefonauskunft und fordere die Dame am anderen Ende der Leitung auf,
mich mit der örtlichen "Taxicab Service Company" (löblich: Taxi
Dienstgesellschaft) zu verbinden. Schon nach wenigen Sekunden habe ich
eine Mitarbeiterin dran und ordere für 11 Uhr ein Taxi. Die
zuvorkommende Telefonistin notiert sich alle Angaben ganz genau und
bestätigt, dass der Fahrer pünktlich vor meinem Haus eintreffen wird
- wie schön.
10.30 Uhr Um die Wartezeit sinnvoll zu gestalten, lade ich meine
Bekannten zu Kaffee und Donuts aus dem PUBLIX Supermarkt ein. Ausserdem
verfrachte ich einige Tennisbälle, Spielsachen sowie ROYAL CANIN
Trockenfutter in eine Tüte und gebe vor, dass es langsam Zeit wird,
Dixon bei den Nachbarn abzuliefern. Edelbert streichelt dem Tier über
den Kopf und erklärt, dass es ihm bei den Nachbarn an nichts fehlen
wird.
11.00 Uhr Nachdem wir an der Villa der Cranes geklingelt und uns
von Dixon verabschiedet haben, schleppen wir das Gepäck zur Strasse und
warten ungeduldig auf das Taxi. Der Fahrer lässt nicht lange auf sich
warten und hilft uns dabei, die Rollerkoffer in den Kofferraum zu heben.
Danach lässt der dunkelhäutige Taxifahrer (43) den Wählhebel der
Automatikschaltung in der "D" Stellung einrasten und prescht mit
durchdrehenden Pneus in Richtung Norden davon.
11.30 Uhr Während der kurzweiligen Fahrt nach Fort Myers löchert
uns der Neger mit Fragen und erkundigt sich, wohin unsere Reise geht.
Ich stehe dem Mann Rede und Antwort und erkläre, dass wir um 13.30 Uhr
mit VIVA AIROBUS nach Cancún ausfliegen werden. Der Taxifahrer schlägt
entsetzt die Hände über dem Kopf zusammen und erwidert, dass besagtes
Flugunternehmen keinen guten Ruf geniesst und viele Flughäfen im Süden
der USA gar nicht mehr anfliegen darf - das kann ja heiter werden.
11.45 Uhr Kurz vor dem Mittagsläuten gehen wir in den "Southwest Florida International Airport"
und werden an einem VIVA AIROBUS Schalter vorstellig. Eine
schlechtgelaunte Mitarbeiterin nimmt uns die Flugscheine ab und sagt,
dass wir pro Koffer 15 Dollars bezahlen müssen. Zudem hören wir, dass es
während des neunzigminütigen Fluges weder Getränke, noch eine Brotzeit
geben wird. Die kleinwüchsige Mexikanerin mustert uns skeptisch und
sagt, dass wir im Wartebereich Getränke kaufen können - das soll mir
auch Recht sein.
12.30 Uhr Nachdem wir den Sicherheitstscheck hinter uns gebracht
haben, sehen wir uns im Abflugbereich D mit kreischenden Jugendlichen
konfrontiert. Als die marodierende Meute auch noch Sprechchöre anstimmt,
spreche ich einen Polizisten an und fordere ihn auf, den Krawallbrüdern
Handschellen anzulegen. Der Beamte will jedoch nicht hören und
entgegnet, dass er eine Ehefrau und zwei kleine Kinder zu ernähren hat
und in keine Schlägerei verwickelt werden will - das ist wieder typisch.
13.00 Uhr Endlich beginnt der Einsteigevorgang und wir können
unsere Plätze in einer in die Jahre gekommenen BOEING 737-300 einnehmen.
Edelbert deutet auf einen verschmutzten Sitzüberzug und unkt, dass das
Flugzeug seit mehreren Monaten keine Putzfrau mehr gesehen hat. Ich
nicke eifrig und rechne vor, dass wir in knapp zwei Stunde mexikanischen
Boden betreten und die Seele am Strand baumeln lassen werden.
13.45 Uhr Mit kurzer Verspätung erhebt sich der klapprige
Stahlvogel in die Lüfte und wir erhaschen einen beeindruckenden Ausblick
auf den Golf von Mexiko. Während ich grosse Augen mache, krallt sich
der Professor am Sitz fest und macht uns darauf aufmerksam, dass die
Tragflächen von Roststellen gezeichnet sind. Ich zucke gelangweilt mit
den Schultern und merke an, dass wir nun unsere Armbanduhren um eine
Stunde zurück stellen müssen.
14.30 Uhr Nach achtzig Minuten setzt der Flieger sicher auf der südlichen Landebahn des
"Cancún International Airport" auf. Noch bevor
die Maschine zum Stehen kommt, eile ich zum Ausgang und habe das
Vergnügen, als erster Passagier von Bord gehen zu können. An der
Passkontrolle heisst uns ein bärtiger Mexikaner Willkommen und möchte
wissen, wie lange wir in Cancún bleiben wollen. Ich zeige spornstreichs
den Hotelgutschein vor und stelle klar, dass wir uns bis Freitag von den
Strapazen des Alltags erholen werden. Der Staatsdiener drückt rote
Stempel in unsere Reisepässe und wünscht uns einen angenehmen Aufenthalt
- wie schön.
15.15 Uhr Nachdem wir uns am Förderband die Beine für dreissig
Minuten in den Bauch stehen mussten, erblicken wir endlich unsere
Koffer. Wir nehmen die Gepäckstücke vom Band und laufen dann nach
draussen, um ins erstbeste Taxi einzusteigen. Dort geben wir uns als
spendable Touristen zu erkennen und animieren den kaugummikauenden
Fahrer, uns zum renommierten
"InterContinental Presidente Resort" zu kutschieren.
15.30 Uhr Während der Mann unseren Auftrag in die Tat umsetzt,
wische ich mir über die nasse Stirn und lasse meine Reisebegleiter
wissen, dass es eine prima Idee war, einen
Kurzurlaub
in Cancún einzulegen. Frau Pontecorvo schlägt in die gleiche Kerbe und
sagt, dass sie sich im Hotel zur Ruhe betten und sich von den Strapazen
der langen Anreise erholen muss.
16.15 Uhr Um weitere 60 Dollars erleichtert, treffen wir im
Hotel ein und erfahren an der Rezeption, dass lediglich ein
Drei-Bett-Zimmer reserviert wurde. Ich komme aus dem Schimpfen gar nicht
mehr heraus und fordere die gelangweilt dreinblickende Hotelmaid auf,
Rücksicht auf gestresste Rentner zu nehmen und uns drei Einzelzimmer zu
vermieten. Die Dame zeigt sich schnell einverstanden und sagt, dass sie
unter diesen Umständen unsere
Kreditkarten mit je 150 Dollars belasten muss
- wie unlöblich.
16.45 Uhr Obgleich wir keinen Goldesel im Vorgarten stehen
haben, gehen wir nach kurzer Diskussion auf den Handel ein und bekommen
im Gegenzug Schlüsselkarten für drei nebeneinanderliegenden
Räumlichkeiten im fünften Stock ausgehändigt. Erleichtert fahren wir mit
dem Aufzug nach oben und freuen uns, schöne Zimmer mit Ausblick auf den
azurblauen Golf von Mexiko vorzufinden.
17.30 Uhr Ich werfe den Rollkoffer aufs bequeme King Size Bett
und mache mich daran, meine Tschiens auszuziehen und in eine bequeme
Bermudahose zu schlüpfen. Danach gönne ich mir ein eiskaltes Corona aus
der Minibar und spüle meine ausgetrocknete Kehle auf dem Balkon durch.
Nebenbei blicke ich zum Schwimmbecken und werde Zeuge, wie jugendliche
Urlauber im kühlen Nass planschen und einen Höllenlärm veranstalten -
wie schrecklich.
18.00 Uhr Um endlich zur Ruhe zu kommen, verschliesse ich die
Balkontüre und falle aufs Bett. Schon nach wenigen Sekunden schlummere
ich ein und träume von Hund Dixon, der in Naples zurückbleiben musste -
wie schade.
19.00 Uhr Leider werde ich bald durch ohrenbetäubendes Klopfen
unterbrochen. Ich treffe Frau Pontecorvo und Edelbert vor dem Zimmer an
und höre, dass meine Bekannte hungrig sind und ins hoteleigene
Restaurant einkehren wollen. Voller Vorfreude fahren wir mit dem Lift
ins Parterre und laufen plaudernd ins gutbesuchte "El Caribeño
Restaurant", um an einem Tisch unweit des Büffets Platz zu nehmen. Weil
mein Magen rebelliert, entscheiden wir uns für einen Pitcher (löblich:
Krug) Modelo Bier und nehmen uns das Recht heraus, unsere Teller am
Büffet zu befüllen. Unter anderem kosten wir gegrillte Meeresfrüchte, im
Speckmantel eingewickelte Kartoffeln sowie mit Käse überbackene Nachos -
schmeckt gar nicht schlecht.
19.30 Uhr Während wir kraftvoll zubeissen, planen wir den
morgigen Tag und verabreden, die Maya Ruinen im Süden zu besichtigen.
Edelbert ist wie immer bestens informiert und erzählt, dass Hotelgäste
die Möglichkeit haben, mit einem Bus zur besagten Sehenswürdigkeit zu
gelangen - das ist phantastisch. Ausserdem kommt Edelbert auf den
mexikanischen Pesos zur sprechen und meint, dass wir unbedingt ein
Geldinstitut aufsuchen und Dollars umtauschen sollten.
20.15 Uhr Nachdem wir das Abendessen mit lustigen Schnäpsen und
einer mexikanischen Süssspeise namens "Churros" abgerundet haben,
unternehmen wir einen Spaziergang zum nahegelegen Strandabschnitt. Wir
baden unsere Füsse im angenehm warmen Salzwasser und stossen immer
wieder auf Liebespaare, die sich in die Dünen ablecken
- wo soll das noch hinführen.
21.00 Uhr Ein langer Tag neigt sich langsam seinem Ende zu.
Völlig erschöpft kehre ich aufs Zimmer zurück und genehmige mir eine
Dusche. Zu guter Letzt rufe ich bei Frau Crane im fernen Naples an und
lasse meine nervenaufreibende Anreise nach Mexiko Revue passieren. Die
ehemalige Olympiateilnehmerin wünscht mir einen schönen Urlaub und sagt,
dass sie stets ein Auge auf Dixon hat - wie schön.
22.00 Uhr Nachdem ich ein weiteres Bier getrunken und die
Klimaanlage reguliert habe, lösche ich das Licht und lege mich schlafen.
Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 24.01.2012
©
Reinhard Pfaffenberg |
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