28.10.2011
07.15 Uhr Ein neuer Tag beginnt und ich fühle mich wie
gerädert. Trotz allem lasse ich mir die gute Laune nicht verderben und
springe ruckzuck aus dem Bett, um meine staubtrockene Kehle mit einem
kräftigen Schluck Diät Coca Cola durchzuspülen. Danach ziehe ich die
Vorhänge zur Seite und lasse Hund Dixon wissen, dass mir das Kreuz weh
tut. Der Vierbeiner schleicht mir um die Beine und freut sich, als ich
ihm übers krause Fell streichle.
07.45 Uhr Nachdem ich die Morgengymnastik am Fenster absolviert
habe, ziehe ich mich in die Nasszelle zurück und entspanne mich bei
einem Vollbad mit Schaum. Unterdessen rufe ich im Zimmer meines Bruders
an und gebe vor, starke Rückenschmerzen zu haben. Georg macht sich
Sorgen und erwidert, dass er gleich den Concierge des
"Hyatt Regency Riverwalk
Hotels" verständigen und ihn bitten wird, eine Masseuse auf
mein Zimmer zu schicken. Obgleich ich Einspruch einlege, will Georg
nicht hören und verspricht, dass mir eine Massage gut tun wird -
papperlapapp.
08.30 Uhr Just als ich mit schmerzverzerrtem Gesicht aus der Wanne steige, klopft es an der Türe und ich kann eine
platinblonde
Maid von gerade einmal 25 Lenzen begrüssen. Frau Jordan stellt sich mir
als Mitarbeiterin des hoteleigenen Gym Clubs (löblich:
Gymnastikvereins) vor und sagt, dass sie für eine Massage gebucht wurde.
Die Maid lotst mich zum Bett und sagt, dass ich mich nun auf den Bauch
legen und an etwas schönes denken sollte. Ich komme dem Aufruf
anstandslos nach und werde während der kommenden 15 Minuten ordentlich
durchgeknetet - das tut gut.
09.00 Uhr Nachdem Frau Jordan ihr Werk vollbracht hat, fühle
mich wie neugeboren. Die Masseuse freut sich und behauptet, dass ich sie
morgen gerne wieder aufs Zimmer bestellen kann. Ich nicke eifrig und
lasse es mir nicht nehmen, dem Kind ein kleines Trinkgeld zuzustecken.
Im Anschluss begleite ich das Mädchen zur Türe und sucht dann mit Hund
Dixon im Schlepptau den hauseigenen Frühstücksraum auf.
09.30 Uhr Zu meiner Freude treffe ich Georg und Edelbert an
einem Tisch unweit des Büffets an und höre, dass die zwei während der
Morgenstunden die Hyatt Wellness Oase (löblich: Wohlfühl Oase) besucht
und sich im Schwimmbecken vergnügt haben. Edelbert reibt sich die Hände
und sagt, dass er selten in einem besseren Hotel logiert hat
- wie schön.
09.45 Uhr Während ich kraftvoll zubeisse und mich an
italienischer Salami, französischen Hörnchen (unlöblich: Croissants) und
Rühreier labe, kommt Georg auf das anstehende Treffen mit Robert
Pfaffenberg zu sprechen und sagt, dass wir gegen halb Vier ins 30 Meilen
entfernte Boerne fahren werden. Georg kommt aus dem Tratschen gar nicht
mehr heraus und fährt fort, dass er bereits bei unserem Verwandten
angerufen und mit Robert geplaudert hat. Ich mache grosse Augen und
vernehme, dass uns der gute Mann zum Abendessen erwartet und uns seine
Frau Jessica (68) und die Kinder Robert Jr. (29) und Kimberly (33)
vorstellen wird
- wie aufregend.
10.15 Uhr Nach dem Frühstück verlassen wir das luxuriöse Hotel und schlendern mit dem Vierbeiner zum nahegelegenen
Alamo Fort.
Edelbert kann sich ein Schmunzeln nicht verkneifen und bittet mich, den
Rüden fest an der Leine zu halten und nicht an das Denkmal pinkeln zu
lassen. Als ich genauer nachfrage, bestätigt der schlaue Mann, dass die
ehemalige Missionsstation als "National Shrine" (löblich: nationaler
Schrein) angesehen und schwer bewacht wird. Georg schlägt in die gleiche
Kerbe und erzählt, dass der berüchtigte Felsenmusiker Ossi Osborn in
den frühen 1980er Jahren gegen das Baudenkmal uriniert hat und daraufhin
von Polizisten verhaftet wurde - das ist ja allerhand.
10.45 Uhr Achselzuckend folge ich meinen Begleitern zur besagten
Attraktion und erfahre im Visitor Center (löblich: Besucher Zentrum),
dass es fromme Franziskaner waren, die das Fort im 18. Jahrhundert
errichtet haben. Während des mexikanischen Unabhängigkeitskrieges nutzen
die Mexikaner die Missionsstation und bauten sie zu einer Festung aus.
Im Zuge des texanischen Unabhängigkeitskrieges wurde das Fort
letztendlich vom 26jährigen Oberstleutnant William Travis sowie dem
schiesswütigen Haudegen Davy Crockett (49) eingenommen.
Nach 13 verlustreichen Tagen wurde Alamo von den Mexikanern gestürmt.
Trotzdem gewannen die Texaner unter dem Oberbefehl Sam Houstons drei
Wochen später die kriegsentscheidende Schlacht in San Jacinto und
trieben die garstigen Mexikaner in die Flucht. Wenn man den
Überlieferungen Glauben schenken darf, sollen sich die Soldaten mit dem
Schlachtruf "Remember the Alamo" (löblich: Erinnert euch an Alamo) ins
Getümmel gestürzt haben - wie aufregend.
11.30 Uhr Bei angenehmen 79°F (26°C) spazieren wir zum "River Walk"
(löblich: Flussweg) und erfreuen uns an der farbenfrohen Blütenpracht
entlang der Promenade. Während Edelbert unentwegt Photos knipst,
spendiere ich Georg ein vitaminreiches Eis in der Waffel und erkundige
mich, was als nächstes ansteht. Mein Bruder deutet gen Westen und
kündigt an, dass wir jetzt die im spanischen Stil erbaute San Fernando
Kathedrale besichtigen werden - das ist eine hervorragende Idee.
12.15 Uhr Kurz nach der Mittagszeit finden wir uns vor dem
besagten Gotteshaus wieder und bestaunen die bröckelnde Fassade. Georg
zeigt auf die Mauer und macht uns darauf aufmerksam, dass
schnellstmöglich ein Bautrupp anrücken und den in die Jahre gekommenen
Putz abtragen sollte. Ausserdem versorgt uns der millionenschwere
Bauunternehmer mit weiteren Infos und meint, dass es angebracht wäre,
das freigelegte Mauerwerk mit Hydroment zu verschliessen - das soll mir
auch Recht sein.
13.00 Uhr Nachdem wir eine Kerze entzündet haben, kehren wir hungrig in eine einladende Gaststätte namens
"Mama's Cafe"
ein, um einen Pitcher (löblich: Krug) Bud Light (löblich: Leicht) sowie
vitaminreiche Texas Burger zu ordern. Als ich mir die Spezialität vom
Grill zu Gemüte führe, blickt Georg auf seine Armbanduhr und sagt, dass
wir nach dem Mittagessen ins Hotel zurückkehren sollten. Ich stimme zu
und gebe zu Protokoll, dass mein schmerzender Rücken nach einer kleinen
Pause verlangt. Mein Bruder zwinkert mir redlichst zu und lotet aus, ob
er erneut an der Rezeption Bescheit sagen und eine Masseuse mit barocken
Formen rufen soll. Ich winke demonstrativ ab und entgegne, dass ich
finanziell keineswegs auf Rosen gebettet bin und mir solche Sperenzchen
nur ganz selten leisten kann.
13.30 Uhr Da wir in drei Stunden im 30 Meilen entfernte Boerne
sein müssen, essen wir ganz schnell auf und begleichen die Rechnung mit
Georgs goldener
American Express Card
(löblich: Amerikanischer Schnellkarte). Danach halten wir ein Taxi auf
und bitten den Fahrer, uns in ruckzuck zum Hyatt Hotel zu kutschieren.
14.00 Uhr Wieder zurück im Zimmer, serviere ich Dixon eine
Trockenfuttermahlzeit und schlüpfe dann aus den Kuhjungenstiefeln. Um
endlich zur Ruhe zu kommen, lege ich auf dem King Size Bett ein kurzes
Päuschen ein und träume von meiner schönen
Villa im Willoughby Drive.
15.00 Uhr Ich erwache ausgeschlafen und registriere beim Blick
auf meine wertvolle ROLEX, dass nun die Zeit gekommen ist, sich in
Schale zu werfen. Um im Haus meines Grosscousins eine gute Figur
abzugeben, ziehe ich einen modischen Sommeranzug an und vergesse auch
nicht, eine hellblaue Krawatte umzubinden. Zudem steile ich mein Haar
mit BRISK und erkläre Hund Dixon, dass er auf dem Bauernhof meines
Verwandten brav sein muss.
15.30 Uhr Pünktlich auf die Minute finde ich mich in der
Hotellobby ein und warte ungeduldig auf meine Freunde. Georg und
Edelbert lassen nicht lange auf sich warten und folgen mir plappernd in
die Tiefgarage. Ich schwinge mich gutgelaunt hinters Steuer und mache es
mir zur Aufgabe, das serienmässig eingebaute Navigationsgerät zu
programmieren. Anschliessend presche ich hupend aus der Garage und fahre
mit durchdrehenden Reifen gen Norden - da kommt Freude auf. Als ich
mich durch den dichten Stadtverkehr schlängle, hält mir Georg plötzlich
einen Notizzettel unter die Nase und sagt, dass Robert Pfaffenbergs Farm
an der Amman Road gelegen ist.
16.15 Uhr Nach einer fünfundvierzigminütigen
Hochgeschwindigkeitsfahrt kreuzen wir die besagte Strasse und biegen
nach rechts ab. Schon bald passieren wir ein grosses Hinweisschild mit
der Aufschrift "R. Pfaffenberg AG Machines". Georg ist hellauf
beigeistert und erklärt, dass die Abkürzung "AG" für "Agricultural"
(löblich: Agrarwirtschaftlich) steht - wie interessant.
16.30
Uhr Wenig später kommen wir vor einem stattlichen Anwesen zum Stehen
und werden von einem untersetzten Mann mit Halbglatze herzlich
Willkommen geheissen. Als wir Hände schüttelt, gibt sich mein Gegenüber
als Robert Pfaffenberg zu erkennen und sagt, dass es ihm eine Freude
ist, neue Verwandte kennen zu lernen. Auch mein Bruder ist sichtlich
angetan und zögert nicht, Robert auf die Schulter zu klopfen und ihn mit
Fragen zu löchern. Der Sohn meines Grossonkels steht uns Rede und
Antwort und führt uns spornstreichs zu einer überdimensionalen Halle, in
der ein rothaariger Mechaniker damit beschäftigt ist, einen JOHN DEERE
Traktor zu reparieren. Robert grinst über das ganze Gesicht und sagt,
dass der junge Mann sein Stammhalter ist - das ist phantastisch.
17.15 Uhr Nachdem wir uns in der Werkstatt umgesehen und uns mit
Robert Jr. bekannt gemacht haben, eilen wir zum Haupthaus und bringen
in Erfahrung, dass mein Grosscousin in der Innenstadt von Boerne ein
weiteres Geschäft betreibt und dort Saatgut und Düngemittel feilbietet.
Ich schnalze beeindruckt mit der Zunge und vermute, dass wir es hier mit
einem wohlhabenden Mann zu tun haben. Robert seufzt laut und antwortet,
dass Geld nicht alles im Leben ist - wie wahr.
17.45 Uhr Als sich die Nacht über das Kendall County legt, führt
uns Robert zum dreistöckigen Haupthaus und stellt uns seine Ehefrau
Jessica (68) und Tochter Kimberly (33) vor. Die Hausherrin freut sich
über das Treffen und sagt, dass sie zur Feier des Tages einen Truthahn
vorbereitet hat
- wie schön. Um den Vogel nicht kalt werden zu lassen, laufen
wir mit schnellen Schritten ins holzvertäfelte Esszimmer und haben das
Vergnügen, hausgemachten Eistee
zu trinken.
18.15 Uhr Nachdem sich Robert Jr. zu uns gesellt hat, greife ich
zu Messer und Gabel und lasse mir ein Stück Truthahnbrust munden.
Unterdessen folge ich gespannt den Gesprächen und höre, dass Robert
Pfaffenberg zweimal verheiratet war und seine erste Ehefrau im Jahre
1977 wegen einer unheilbaren Krankheit verloren hat. Unser Gastgeber
atmet tief durch und berichtet, dass es sehr schwer war, seine erste
grosse Liebe zu Grabe zu tragen.
19.00 Uhr Im weiteren Verlauf des Abends lauschen wir
Geschichten aus Roberts Jugend und lernen, dass mein Grossonkel ein
lustiger Geselle war und seine Freunde stets mit seinem begnadeten
Geigespiel verwöhnt hat. Robert nutzt die Gelegenheit, um Ottos Fiedel
aus dem Wohnzimmerschrank zu holen und uns ein Liedchen vorzuspielen
- da kommt Freude auf.
19.45 Uhr Nebenbei tausche ich mich mit den jungen Leuten aus und erhalte die Auskunft, das Kimberly Jura an der
"University of Texas"
studiert und bald in den Staatsdienst eintreten wird. Robert Jr. gibt
sich mir ebenfalls als schlauer Kopf zu erkennen und sagt, dass er in
Dallas Agrarwissenschaften studiert hat und im kommenden Jahr die Firma
seines Vaters übernehmen wird - das ist wunderbar.
20.30 Uhr Ein schöner Abend neigt sich seinem Ende zu und Frau
Jessica serviert zum Abschluss des opulenten Abendessens eine
alkoholfreie Bowle aus frischen Früchten. Ich lehne dankend ab und
frage, ob ich nicht einen kleinen Whiskey haben könnte. Die kleine Frau
schüttelt entschieden den Kopf und sagt, dass Alkohol ein Werkzeug des
Teufels ist und verboten werden sollte. HEUREKA - diesen Unsinn muss man
gehört haben.
21.00 Uhr Nachdem wir die Limonade ausgetrunken haben, begleitet
uns Robert zur Türe und schlägt vor, dass wir morgen wiederkommen und
das Halloween Wochenende in seinem Haus verbringen können. Wir sagen
prompt zu und versprechen, in aller Frühe aus dem Hyatt Hotel
auszutschecken und gegen 10 Uhr zum Frühstück zu erscheinen. Unser
Verwandter ist begeistert und kündigt an, die Gästezimmer vorzubereiten
und uns unvergessliche Tage in der Abgeschiedenheit Texas zu bescheren.
21.30 Uhr Kurze Zeit später sitzen wir im Chevrolet Suburban und
gleiten zu stimmungsvollen George Strait Landmusikklängen vom Hof.
Georg überschlägt sich vor Glück und meint, dass unsere Verwandten ganz
besonders nette Menschen sind. Ich stimme uneingeschränkt zu und fasse
den Entschluss, morgen früh ein Alkoholgeschäft anzusteuern und zwei
Sechserpacks Budweiser sowie eine Flasche Bourbon einzukaufen.
22.45 Uhr Während sich Georg und Edelbert einen Schlummertrunk
in der hoteleigenen Pianobar gönnen, fahren ich mit den Lift nach oben
und entledige mich meiner Kleidung. Danach kredenze ich Hund Dixon einen
Kauknochen und falle völlig erschöpft ins Bett, um mir die
"Late Night Show with David Letterman" (löblich: Spätnacht Schau mit David Letterman) anzuschauen. Gute Nacht.
verfasst
von Reinhard Pfaffenberg am 28.10.2011
©
Reinhard Pfaffenberg |
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